Michael Muller: Haie. Auge in Auge mit den gefährdeten Räubern der Meere
Mit Texten von Philippe Cousteau, Alison Kock und Arty Nelson
Taschen Verlag, Köln 2016
300 Seiten, 49,99 Euro
Hai-Porträts von packender Intensität
Früher fotografierte Michael Muller Promis, doch als er erstmals einem Hai begegnete, ließ er das hinter sich und machte fortan Bilder von Haien. Eine Auswahl seiner Bilder ist nun in einem beeindruckenden Bildband erschienen. Er berichtet auch davon, wie schwierig es ist, solche Aufnahmen zu machen - so sehr, dass er die NASA zu Hilfe holen musste.
Als Hollywood-Starfotograf Michael Muller bei einem Tauchgang 2007 erstmals einem Weißen Hai in sein unergründliches, blau umrandetes Auge blickte, war es um ihn geschehen. Er ließ den Filmrummel hinter sich und macht sich seitdem gemeinsam mit einem Team wagemutiger Abenteurer und entschlossener Umweltschützer in den Meeren der Welt auf die Suche nach den evolutionär uralten Fischen.
Mit Erfolg: Dank innovativer Techniken präsentiert er nun Porträtaufnahmen von packender Intensität und Direktheit. Kein Bild ist wie das andere, jedes beeindruckend und schön.
Der Taschen Verlag präsentiert nun eine Auswahl seiner Arbeiten in einem wuchtigen Bildband, der innen und außen in tiefem Meeresdunkelblau gehalten ist. Die großen blauen Flächen lassen spüren, wie endlos weit sich der Lebensraum der Haie ausdehnt – bis hinunter in ewige Dunkelheit, in die kein Lichtstrahl dringt. Und auch bis dahin ist Michael Muller gegangen.
Sanft schwebende Riesen
Seine Bilder erzählen aber nicht vom berühmt-berüchtigten Weißen Hai, diesem vermeintlich primitiven Fressungetüm, sondern vom sanft schwebenden Riesen. Auf dem ersten Foto umtanzen ihn Scharen winziger leuchtender Fische. Auf einem anderen Bild lässt sich die ganze Härte eines Hai-Daseins erfassen, wenn so ein Riese nah an der Kameralinse vorbeizieht, das Auge direkt auf den Fotografen gerichtet und die Haut von Schrunden und tiefen Rissen übersät.
Um trotz Lichtmangel und Planktonschwaden zu solchen Bildern mit prägnanten Details und weichen Übergängen zu gelangen, braucht Michael Muller Licht – viel Licht. In seinem Bemühen, mehr als die 400 Watt der Standard-Unterwasserblitze ins Meer hinunter zu bringen, gehen er und sein Team erhebliche Gefahren ein, wie einer der Texte im Anhang des Buches beschreibt.
Von NASA-Ingenieuren unterstützt, entwickelte der Fotograf ein Verfahren, um Lampen mit mehreren tausend Watt Leistung ins Meer zu verfrachten. Weil Haie gerne mal an den Kabeln knabbern, sind ihm im Laufe der Jahre einige solcher Lampen unter Wasser in der Hand explodiert – doch Mut und Aufwand haben sich gelohnt. Wie sonst ließen sich solche Fotografien erzeugen: Eine ganze Schar von Haien, die vor den Fidschi-Inseln in 25 Metern Tiefe bis zum fernsten Tier ausgeleuchtet direkt auf die Kamera zuschwimmen.
Jedes Jahr vernichtet der Mensch 100 Millionen Haie
Sieben verschiedenen Hai-Arten gehören die Tiere auf diesen Fotos an, erklärt ein Bildverzeichnis im Anhang des Buches, in dem sich auch Texte zu spannenden meeresbiologischen Fakten finden. Die kleinste Hai-Art, der Zwerg-Laternenhai, misst nur 21 Zentimeter. Das höchste Lebensalter können Dornenhaie erreichen – sie werden bis zu 100 Jahre alt.
Doch ein langes Leben ist den meisten dieser Tiere heute nicht mehr vergönnt. Jahr für Jahr vernichtet der Mensch in den Meeren der Welt 100 Millionen Haie. Sie sterben für Haifischflossensuppe, durch Vergiftung und Zerstörung ihrer Lebensräume und als "Beifang" in den Netzen der industriellen Hochseefischerei. Die Fortpflanzungsrate von Knorpelfischen ist viel zu langsam, um solche Massentötungen auszugleichen. Michael Mullers dramatische Fotografien sind darum auch als ein Appell an die Welt zu verstehen, die gejagten Jäger endlich effektiv zu schützen.
Weitere Bilder aus dem Buch gibt es direkt beim Taschen-Verlag.