Michael Succow: Nationalparks sind Erfolgsgeschichte
In den letzten Monaten der DDR wurden vor 20 Jahren ausgediente Truppenübungsplätze, Grenz- und Staatsjagdgebiete unter Naturschutz gestellt und zu Schutzgebieten erklärt. Maßgeblich daran beteiligt war Michael Succow. Er freut sich, heute in den Nationalparken "große Scharen von glücklichen Menschen" anzutreffen.
Joachim Scholl: Heute vor 20 Jahren, am 16. März 1990, erließ die scheidende DDR-Regierung eine letzte Verfügung, die Grenzgebiete, ausgediente Truppenübungsplätze und sogenannte Staatsjagdgebiete unter vorläufigen Naturschutz stellte und zum ersten Mal in der DDR-Geschichte so etwas wie geschützte Nationalparks schuf. Im September 1990, kurz vor der Einheit, wurde dieses Programm offiziell besiegelt von der ersten frei gewählten DDR-Regierung. Im Mittelpunkt dieser umweltpolitischen Tat stand der ehemalige stellvertretende Umweltminister der DDR, der Biologe Michael Succow. Er ist jetzt am Telefon, guten Morgen, Herr Succow!
Michael Succow: Ja, guten Morgen!
Scholl: Ohne Sie, Herr Succow, heißt es, wäre das alles nicht passiert. Wie sind Sie damals überhaupt auf die Idee gekommen, diese Naturzonen auf diese Weise gesetzlich schützen zu lassen?
Succow: Ich muss immer wieder sagen, zusammen mit meinen Freunden, die ich ganz unkompliziert ins Ministerium holen konnte. Ich bin am 15. Januar 1990 in die Modrow-Regierung gerufen worden, hatte dort das große Glück, dass auch drei Minister ohne Geschäftsbereich in dieser Regierung waren, das war Platzeck, Schlüter und, ich glaub, und Pflugbeil, also Menschen aus der Bürgerbewegung, die nun – die Regierung wollte es ja nun irgendwie alles besser machen – dabei waren, und wir hatten schon im Kulturbund der DDR damals über das Fehlen von Nationalparken in der DDR mehrfach moniert, das wurde aber immer wieder abgewiegelt. Und aus diesen vorgeschlagenen Nationalparken damals schon in den 30er-, dann in den 70er-Jahren, wurden dann Staatsjagdgebiete.
So, nun waren wir kurz in der Macht oder mitbeteiligt und es war dann mein Wunsch, die DDR braucht Nationalparke. Es war vorher eben etwas vom Klassenfeind, aus dem Kapitalismus, dieser Nationalparkbegriff, also hatte in der DDR nichts zu suchen. So, ich war in der letzten Volkskammer, habe noch den Niedergang von Honecker erlebt und hatte dort die Forderung gestellt, erst Truppenübungsplätze und vor allen Dingen die Staatsjagdgebiete in Nationalparke zu führen. Das war im November. Und dann der Druck der Bürgerbewegung immer größer werdend und dann wurde dieses Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft erweitert durch das Feld Naturschutz.
Scholl: Im Dezember 1989, Herr Succow, sind Sie dann nach Bonn gefahren, um dem damaligen Umweltminister West, Klaus Töpfer, für Ihren Plan zu gewinnen und unterwegs blieb der Wartburg liegen, also diese Fahrt haben Sie wahrscheinlich noch gut im Gedächtnis, oder?
Succow: Ja, es war so: Töpfer lud ein die Spitzen der Umweltverbände aus dem Osten, er schrieb mir einen Brief und ich sollte zehn Leute aus der DDR zusammenstellen und rüberkommen zu einem ersten gemeinsamen Austausch und ich bekam dann von dem Kulturbund – ich wirkte damals für den Kulturbund, damals Gesellschaft für Natur und Umwelt – bekam ich dann dieses Auto und tatsächlich, wir fuhren los mit noch einem Kulturbundfunktionär und dann noch zwei Freunden. Und dann, ja, gingen die Reifen kaputt, einer nach dem anderen, er hatte zwar vier Ersatzreifen schon mitgenommen, der Fahrer, wir sind noch übers Fichtelgebirge gekommen, dann kam der ADAC, hat uns dann neue Reifen gebracht und ich kam dann nach Mitternacht mit meiner Gruppe beim Töpfer an und am nächsten Tag dann die große Veranstaltung – meine erste Pressekonferenz in meinem Leben, ich war vorher braver Wissenschaftler. Das war alles unfassbar!
Und Töpfer sagte, so, und ich war auch mal Professor und Wissenschaftler und bin in die Politik gegangen, Herr Succow, Sie müssen jetzt in die Politik gehen! Und das war dann so der Startschuss und dann eben die Anfrage, ja, ob ich bereit wäre, hier den Naturschutz als jemand, der glaubwürdig ist, aufzubauen. Und das muss ich sagen, in dieser Phase damals der Modrow-Regierung, wir hatten ungeheure Freiräume. Die Funktionäre waren alle mit sich selbst beschäftigt, zum Teil erstarrt vor dem, was nun auf sie zukam.
Und dann wurde eine ganze Etage freigeräumt, das war die Etage der Staatssicherheit, die nun nicht mehr gebraucht war im damaligen Umweltministerium, die bekamen wir und ich konnte dann ganz unkompliziert all die, die mir wichtig waren, zu mir holen und dann mit diesen Freunden war es dann möglich, schon Ende Februar das Gesamtkonzept für diese zukünftigen Großschutzgebiete, Biosphärenreservate, Nationalparke, Naturparke neuer Prägung an den runden Tisch zu bringen. Und tatsächlich alle neuen Gruppierungen waren natürlich dafür und auch die alten Parteien der DDR hatten nichts dagegen.
Und so wurde dann dieser Ministerratsbeschluss, von dem wir jetzt gerade sprechen, vorbereitet und ich hatte das Glück, dass Matthias Platzeck als Minister ohne Geschäftsbereich viel bei mir war und immer gleich das, was ich erarbeitet hatte, zum Ministerrat brachte und andererseits der Minister, ich erlebte in dieser kurzen Zeit meiner "politischen Karriere" drei Umweltminister, und bei allen dreien dieser große Freiraum.
Scholl: Vor 20 Jahren schuf die DDR kurz vor Toresschluss die ersten Nationalparks. Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist Michael Succow, er war damals stellvertretender Umweltminister. 14 Naturschutzgebiete waren es schließlich, Herr Succow, darunter die Kreidefelsen auf Rügen, der Spreewald, die Müritz, die Röhn in Thüringen. Wie hat sich denn die Idee dieser neuen Nationalparks nach 1990 dann entwickelt?
Succow: Ja, also es ist schon eine Erfolgsgeschichte. Einmal erstaunlich: Alles das, was in der Modrow-Regierung an Gesetzen, an Beschlüssen verabschiedet wurde, wurde in der nachfolgenden De-Maizière-Regierung praktisch ausgehebelt, wurde nicht weiter verfolgt. Das sogenannte Nationalparkprogramm, also diese 10,5 Prozent der DDR-Fläche, diese Sicherungsräume, die eben zu Schutzgebieten für die Allgemeinheit zu führen, das wurde weiterverfolgt, kam in das neue Kabinett und dann eben am 28. September die endgültige Verabschiedung.
Wir haben zwar nicht diese 10,5 Prozent dann in der endgültigen Fassung verabschieden können, die Zeit war einfach zu kurz, um eben diese Verordnung zu erarbeiten, aber immerhin fünf Nationalparke, sechs Biosphärenreservate und drei Naturparke neuer Prägung sind dann eben rechtsgültig in den Vereinigungsvertrag und auch in die Länder nachher übergegangen.
Nun die Geschichte danach: Ich denke, es ist eine Erfolgsgeschichte, alle neuen Bundesländer, egal von welchen Parteien regiert, haben dieses Nationalparkprogramm angenommen, sich damit identifiziert, und es ist sogar mehr geworden: Mecklenburg-Vorpommern hat den höchsten Anteil, drei Nationalparke inzwischen, drei Biosphärenreservate und sechs Naturparke neuer Prägung. Diese Großschutzgebiete sind das Rückgrat des Naturtourismus und Sie wissen, Mecklenburg-Vorpommern ist inzwischen Tourismusland Nummer eins.
Scholl: Nun gibt es aber in den entsprechenden Regionen mittlerweile auch Kritik, also gerade in Mecklenburg-Vorpommern sperren sich manche Gemeinden gegen extensiven Naturschutz, weil sie die wirtschaftliche und touristische Entwicklung gefährdet sehen. Das ist ein merkwürdiger Widerspruch.
Succow: Es gibt eigentlich ernstzunehmend im Oder-Nationalpark vielleicht noch einen gewissen Widerstand, das war alles mal Kulturlandschaft. Die anderen, das sind Einzelinteressenvertreter, die bestimmte Rechte der Vergangenheit erhalten haben wollen, die eben an bestimmten Seen noch weiter angeln oder surfen wollen oder eben auch mit dem Motorboot fahren. Aber es sind Einzelinteressen.
Im Großen und Ganzen sind die Gebiete eben angenommen und ich erlebe, wenn ich nun eben dort in den Harz reise oder eben in das Sandsteingebirge komme oder in den Müritz-Nationalpark schaue, dort große Scharen von glücklichen Menschen, die eben diese Weite, die Stille, die Einsamkeit, das selbstverständlich erleben und das gibt natürlich Freude und dann weiß man, man hat etwas Vernünftiges vollbringen können in dieser Zeit.
Scholl: 1997 haben Sie, Herr Succow, für Ihr Engagement den Alternativen Nobelpreis erhalten und Sie haben Ihre Aktivität in Sachen Umweltschutz in den Jahren immer weiter verstärkt, also einen internationalen Studiengang für Landschaftsökologie, Naturschutz gibt es mittlerweile in Greifswald, an Ihrer Universität, und in ehemaligen Ländern der Sowjetunion, in Weißrussland etwa, haben Sie auch mitgeholfen, Nationalparks einzurichten. Sind andere ehemals sozialistische Länder also ähnlich aufgeschlossen, was den Naturschutz betrifft?
Succow: Inzwischen ja. Wir haben ein ganzes Netzwerk Welterbe, Weltnaturerbe der Menschheit. UNESCO zertifiziert Biosphärenreservate, Kirgistan, jetzt helfen wir gerade in Turkmenistan, ein Land, was sich seit Kurzem geöffnet hat, Usbekistan hat jetzt angefragt, möchte auch Nationalparke haben. Also dieses Konzept Nationalpark, Räume für die Natur zu sichern, aber auch dem Menschen, Naturbildung, Naturerlebnis, Freude an Natur zu geben, das ist etwas, was weltweit funktioniert. Und nun spannend, dass diese Länder des gewesenen Sozialismus, die das im Prinzip nicht hatten, eben jetzt nachholen wollen.
Und da kann ich natürlich mit meiner Stiftung und den Erfahrungen – Aserbaidschan hat inzwischen 14 Prozent seines Landes zu Nationalparken geführt, die Ukraine hat jetzt beschlossen, sie möchte so etwas über 40 – in diesem großen Land – Nationalparke schaffen, auch wir werden wieder als Stiftung dabei sein.
Also es ist gut, dass begriffen wird: Der Mensch braucht beides, er braucht sicher Industrialisierung, Entwicklung, aber eben auch Räume, die der Natur reserviert werden und die uns auch zeigen einfach, ja den Abstand menschliche Gesellschaft, wie macht es die Natur, ein bisschen Demut geben und ich denke, ich werde die nächsten Jahre mit meiner Stiftung dort noch viel zu tun haben um, ja weiter zu wirken, das, was wir damals, in der Endphase der DDR angefangen haben.
Scholl: Michael Succow. Vor 20 Jahren war er stellvertretender Umweltminister der DDR und auf seine Initiative hin wurden weite Landstriche unter Naturschutz gestellt. Herr Succow, schönen Dank für das Gespräch!
Succow: Ja, ich danke auch!
Michael Succow: Ja, guten Morgen!
Scholl: Ohne Sie, Herr Succow, heißt es, wäre das alles nicht passiert. Wie sind Sie damals überhaupt auf die Idee gekommen, diese Naturzonen auf diese Weise gesetzlich schützen zu lassen?
Succow: Ich muss immer wieder sagen, zusammen mit meinen Freunden, die ich ganz unkompliziert ins Ministerium holen konnte. Ich bin am 15. Januar 1990 in die Modrow-Regierung gerufen worden, hatte dort das große Glück, dass auch drei Minister ohne Geschäftsbereich in dieser Regierung waren, das war Platzeck, Schlüter und, ich glaub, und Pflugbeil, also Menschen aus der Bürgerbewegung, die nun – die Regierung wollte es ja nun irgendwie alles besser machen – dabei waren, und wir hatten schon im Kulturbund der DDR damals über das Fehlen von Nationalparken in der DDR mehrfach moniert, das wurde aber immer wieder abgewiegelt. Und aus diesen vorgeschlagenen Nationalparken damals schon in den 30er-, dann in den 70er-Jahren, wurden dann Staatsjagdgebiete.
So, nun waren wir kurz in der Macht oder mitbeteiligt und es war dann mein Wunsch, die DDR braucht Nationalparke. Es war vorher eben etwas vom Klassenfeind, aus dem Kapitalismus, dieser Nationalparkbegriff, also hatte in der DDR nichts zu suchen. So, ich war in der letzten Volkskammer, habe noch den Niedergang von Honecker erlebt und hatte dort die Forderung gestellt, erst Truppenübungsplätze und vor allen Dingen die Staatsjagdgebiete in Nationalparke zu führen. Das war im November. Und dann der Druck der Bürgerbewegung immer größer werdend und dann wurde dieses Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft erweitert durch das Feld Naturschutz.
Scholl: Im Dezember 1989, Herr Succow, sind Sie dann nach Bonn gefahren, um dem damaligen Umweltminister West, Klaus Töpfer, für Ihren Plan zu gewinnen und unterwegs blieb der Wartburg liegen, also diese Fahrt haben Sie wahrscheinlich noch gut im Gedächtnis, oder?
Succow: Ja, es war so: Töpfer lud ein die Spitzen der Umweltverbände aus dem Osten, er schrieb mir einen Brief und ich sollte zehn Leute aus der DDR zusammenstellen und rüberkommen zu einem ersten gemeinsamen Austausch und ich bekam dann von dem Kulturbund – ich wirkte damals für den Kulturbund, damals Gesellschaft für Natur und Umwelt – bekam ich dann dieses Auto und tatsächlich, wir fuhren los mit noch einem Kulturbundfunktionär und dann noch zwei Freunden. Und dann, ja, gingen die Reifen kaputt, einer nach dem anderen, er hatte zwar vier Ersatzreifen schon mitgenommen, der Fahrer, wir sind noch übers Fichtelgebirge gekommen, dann kam der ADAC, hat uns dann neue Reifen gebracht und ich kam dann nach Mitternacht mit meiner Gruppe beim Töpfer an und am nächsten Tag dann die große Veranstaltung – meine erste Pressekonferenz in meinem Leben, ich war vorher braver Wissenschaftler. Das war alles unfassbar!
Und Töpfer sagte, so, und ich war auch mal Professor und Wissenschaftler und bin in die Politik gegangen, Herr Succow, Sie müssen jetzt in die Politik gehen! Und das war dann so der Startschuss und dann eben die Anfrage, ja, ob ich bereit wäre, hier den Naturschutz als jemand, der glaubwürdig ist, aufzubauen. Und das muss ich sagen, in dieser Phase damals der Modrow-Regierung, wir hatten ungeheure Freiräume. Die Funktionäre waren alle mit sich selbst beschäftigt, zum Teil erstarrt vor dem, was nun auf sie zukam.
Und dann wurde eine ganze Etage freigeräumt, das war die Etage der Staatssicherheit, die nun nicht mehr gebraucht war im damaligen Umweltministerium, die bekamen wir und ich konnte dann ganz unkompliziert all die, die mir wichtig waren, zu mir holen und dann mit diesen Freunden war es dann möglich, schon Ende Februar das Gesamtkonzept für diese zukünftigen Großschutzgebiete, Biosphärenreservate, Nationalparke, Naturparke neuer Prägung an den runden Tisch zu bringen. Und tatsächlich alle neuen Gruppierungen waren natürlich dafür und auch die alten Parteien der DDR hatten nichts dagegen.
Und so wurde dann dieser Ministerratsbeschluss, von dem wir jetzt gerade sprechen, vorbereitet und ich hatte das Glück, dass Matthias Platzeck als Minister ohne Geschäftsbereich viel bei mir war und immer gleich das, was ich erarbeitet hatte, zum Ministerrat brachte und andererseits der Minister, ich erlebte in dieser kurzen Zeit meiner "politischen Karriere" drei Umweltminister, und bei allen dreien dieser große Freiraum.
Scholl: Vor 20 Jahren schuf die DDR kurz vor Toresschluss die ersten Nationalparks. Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist Michael Succow, er war damals stellvertretender Umweltminister. 14 Naturschutzgebiete waren es schließlich, Herr Succow, darunter die Kreidefelsen auf Rügen, der Spreewald, die Müritz, die Röhn in Thüringen. Wie hat sich denn die Idee dieser neuen Nationalparks nach 1990 dann entwickelt?
Succow: Ja, also es ist schon eine Erfolgsgeschichte. Einmal erstaunlich: Alles das, was in der Modrow-Regierung an Gesetzen, an Beschlüssen verabschiedet wurde, wurde in der nachfolgenden De-Maizière-Regierung praktisch ausgehebelt, wurde nicht weiter verfolgt. Das sogenannte Nationalparkprogramm, also diese 10,5 Prozent der DDR-Fläche, diese Sicherungsräume, die eben zu Schutzgebieten für die Allgemeinheit zu führen, das wurde weiterverfolgt, kam in das neue Kabinett und dann eben am 28. September die endgültige Verabschiedung.
Wir haben zwar nicht diese 10,5 Prozent dann in der endgültigen Fassung verabschieden können, die Zeit war einfach zu kurz, um eben diese Verordnung zu erarbeiten, aber immerhin fünf Nationalparke, sechs Biosphärenreservate und drei Naturparke neuer Prägung sind dann eben rechtsgültig in den Vereinigungsvertrag und auch in die Länder nachher übergegangen.
Nun die Geschichte danach: Ich denke, es ist eine Erfolgsgeschichte, alle neuen Bundesländer, egal von welchen Parteien regiert, haben dieses Nationalparkprogramm angenommen, sich damit identifiziert, und es ist sogar mehr geworden: Mecklenburg-Vorpommern hat den höchsten Anteil, drei Nationalparke inzwischen, drei Biosphärenreservate und sechs Naturparke neuer Prägung. Diese Großschutzgebiete sind das Rückgrat des Naturtourismus und Sie wissen, Mecklenburg-Vorpommern ist inzwischen Tourismusland Nummer eins.
Scholl: Nun gibt es aber in den entsprechenden Regionen mittlerweile auch Kritik, also gerade in Mecklenburg-Vorpommern sperren sich manche Gemeinden gegen extensiven Naturschutz, weil sie die wirtschaftliche und touristische Entwicklung gefährdet sehen. Das ist ein merkwürdiger Widerspruch.
Succow: Es gibt eigentlich ernstzunehmend im Oder-Nationalpark vielleicht noch einen gewissen Widerstand, das war alles mal Kulturlandschaft. Die anderen, das sind Einzelinteressenvertreter, die bestimmte Rechte der Vergangenheit erhalten haben wollen, die eben an bestimmten Seen noch weiter angeln oder surfen wollen oder eben auch mit dem Motorboot fahren. Aber es sind Einzelinteressen.
Im Großen und Ganzen sind die Gebiete eben angenommen und ich erlebe, wenn ich nun eben dort in den Harz reise oder eben in das Sandsteingebirge komme oder in den Müritz-Nationalpark schaue, dort große Scharen von glücklichen Menschen, die eben diese Weite, die Stille, die Einsamkeit, das selbstverständlich erleben und das gibt natürlich Freude und dann weiß man, man hat etwas Vernünftiges vollbringen können in dieser Zeit.
Scholl: 1997 haben Sie, Herr Succow, für Ihr Engagement den Alternativen Nobelpreis erhalten und Sie haben Ihre Aktivität in Sachen Umweltschutz in den Jahren immer weiter verstärkt, also einen internationalen Studiengang für Landschaftsökologie, Naturschutz gibt es mittlerweile in Greifswald, an Ihrer Universität, und in ehemaligen Ländern der Sowjetunion, in Weißrussland etwa, haben Sie auch mitgeholfen, Nationalparks einzurichten. Sind andere ehemals sozialistische Länder also ähnlich aufgeschlossen, was den Naturschutz betrifft?
Succow: Inzwischen ja. Wir haben ein ganzes Netzwerk Welterbe, Weltnaturerbe der Menschheit. UNESCO zertifiziert Biosphärenreservate, Kirgistan, jetzt helfen wir gerade in Turkmenistan, ein Land, was sich seit Kurzem geöffnet hat, Usbekistan hat jetzt angefragt, möchte auch Nationalparke haben. Also dieses Konzept Nationalpark, Räume für die Natur zu sichern, aber auch dem Menschen, Naturbildung, Naturerlebnis, Freude an Natur zu geben, das ist etwas, was weltweit funktioniert. Und nun spannend, dass diese Länder des gewesenen Sozialismus, die das im Prinzip nicht hatten, eben jetzt nachholen wollen.
Und da kann ich natürlich mit meiner Stiftung und den Erfahrungen – Aserbaidschan hat inzwischen 14 Prozent seines Landes zu Nationalparken geführt, die Ukraine hat jetzt beschlossen, sie möchte so etwas über 40 – in diesem großen Land – Nationalparke schaffen, auch wir werden wieder als Stiftung dabei sein.
Also es ist gut, dass begriffen wird: Der Mensch braucht beides, er braucht sicher Industrialisierung, Entwicklung, aber eben auch Räume, die der Natur reserviert werden und die uns auch zeigen einfach, ja den Abstand menschliche Gesellschaft, wie macht es die Natur, ein bisschen Demut geben und ich denke, ich werde die nächsten Jahre mit meiner Stiftung dort noch viel zu tun haben um, ja weiter zu wirken, das, was wir damals, in der Endphase der DDR angefangen haben.
Scholl: Michael Succow. Vor 20 Jahren war er stellvertretender Umweltminister der DDR und auf seine Initiative hin wurden weite Landstriche unter Naturschutz gestellt. Herr Succow, schönen Dank für das Gespräch!
Succow: Ja, ich danke auch!