Houellebecq und der Islam
Michel Houellebecq in Paris. Moschee-Direktor Chems-Eddine Haffiz will den Schriftsteller vor Gericht bringen. Stein des Anstoßes waren Äußerungen Houellebecqs in einem Gespräch mit dem Philosophen Michel Onfray. © picture alliance / abaca / Marechal Aurore
Rassistische Reflexe bedient
04:39 Minuten
Der Direktor der Großen Moschee in Paris hat Michel Houellebecq angezeigt: Er wirft ihm vor, Hass gegen Muslime zu schüren. Der Erfolgsautor bediene nicht zum ersten Mal Ressentiments, kommentiert der Journalist Mohamed Amjahid.
Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq ist ein Meister der Mélange. Als kauziger Intellektueller versteht er es sehr gut, die rassistischen Reflexe der französischen Mehrheitsgesellschaft zu bedienen – und dabei gelingt es ihm sogar, unschuldig zu wirken.
Jüngst behauptete er in einem Interview mit dem Herausgeber des rechten Magazins „Front Populaire“, dass es in naher Zukunft „Attacken und Schießereien gegen Moscheen und Cafés in Territorien unter islamischer Kontrolle geben wird“.
Mit „Territorien unter islamischer Kontrolle“ meinte Houellebecq vor allem die Vorstädte von Paris, in denen der französische Staat nicht-weiße Menschen, unter ihnen viele Muslim*innen, über Jahrzehnte angesiedelt hat.
Das gefährliche Märchen von der "Umvolkung"
Mit diesen und ähnlichen Aussagen nimmt Houellebecq nicht zum ersten Mal Bezug auf die verschwörungstheoretische Erzählung der sogenannten „Umvolkung“.
Dieses gefährliche Märchen geht so: Dunkle Mächte würden dafür sorgen, dass die weiße Mehrheitsbevölkerung angeblich durch Migrant*innen, vor allem Muslim*innen ausgetauscht werde.
Diese antisemitische und rassistische Ideologie ohne jede Faktenbasis war zum Beispiel die Grundlage für den Terror des Anders Breivik in Norwegen oder des NSU in Deutschland.
Vermeintliche Selbstverteidigung
Houellebecq spricht in diesem Zusammenhang in Codes, sehr gerne verschleiert und mit Emotionen aufgeladen. Er fabuliert von „Attacken auf Moscheen“ und stellt sie als Selbstverteidigung des zivilisierten Frankreichs dar. Wer sich verteidigt, trägt natürlich keine Schuld.
Dass der Autor damit viele, vor allem weiße Leser*innen in ganz Europa emotional abholt, zeigte der Erfolg seines Romans "Unterwerfung", der fast auf den Tag genau vor acht Jahren auf Französisch unter dem Titel "Soumission" erschienen ist.
Im Roman entwirft er das Szenario, wie ein Islamist zum französischen Präsidenten gewählt wird, die Scharia einführt und damit die europäische Zivilisation beendet. In Deutschland wurde die Erzählung sogar mehrfach plagiiert und plötzlich traten in anderen Romanen zum Beispiel muslimische Bundeskanzlerinnen auf, die „unsere Freiheit“ bedrohen.
Ressentiments des Publikums
Wenn Houellebecq also in Interviews „umgekehrte Bataclans“ prophezeit, also Attacken auf Muslim*innen, ist das kein Nachdenken über die Gefahr, die vom Islamismus für alle ausgeht. Vielmehr bedient Houellebecq damit die Ressentiments seines Publikums. Dabei hören ihm ebenfalls Menschen zu, die seine Gewaltvisionen in die Tat umsetzen.
Was dieser rassistische, wenig intellektuelle Diskurs für Auswirkungen haben kann, zeigte vor wenigen Tagen der rechtsextreme Anschlag in Paris.
In zurückliegenden Jahren griff der Attentäter – wie er sie nannte – „Ausländer“ mit einem Säbel an, äußerte sich bei Anschlägen eindeutig rassistisch im Sinne der Umvolkungsideologie – dennoch blieb er auf freiem Fuß und konnte letztendlich drei Menschen im kurdischen Zentrum „Ahmet Kaya“ im Herzen von Paris töten.
Und trotzdem werden solche Attentate in Frankreich nicht als rassistischer Terror eingestuft. Frei nach Houellebecq gilt ja dort das Recht auf Selbstverteidigung.