Poet unter Polizeischutz
Der französische Starautor Michel Houellebecq hat in Köln auf der Lit.Cologne erstmals seinen Roman "Unterwerfung" präsentiert - unter verschärften Sicherheitsmaßnahmen. In dem umstrittenen Buch erzählt er über die Grande Nation im Jahre 2020, in dem die Franzosen einen islamischen Präsidenten wählen. Islamophob sei sein Buch nicht, betonte Houellebecq.
Da saß er nun, der derzeit wohl meistgefragte Autor überhaupt. Nach den Anschlägen von Paris hatte er sich rar gemacht, sei "aufs Land" gefahren, wie es hieß, um sich von dem Schrecken und der Trauer zu erholen. Auch ein enger Freund war bei den Attentaten auf das Satire-Magazin Charlie Hebdo ermordet worden.
Knapp zwei Wochen später, beim ersten öffentlichen Auftritt Houellebecqs auf der Kölner Literaturveranstaltung lit.Cologne, wirkte die Dramatik der vergangenen Tage wie weggeblasen. Um sich nicht ständig wiederholen zu müssen, erklärte Houellbecq, habe er eine Erklärung verfasst.
Darin stehe zweierlei:
"Erstens, dass mein Buch kein islamophobes Buch ist. Und zweitens, dass man das Recht dazu hat, ein solches Buch zu schreiben."
Fast aber, erklärte der Schriftsteller, hätte er sich aber gewünscht, dass das Buch islamophob wäre:
"Denn dann wäre es viel einfacher für mich gewesen. Aber eigentlich steht es dafür, dass man sich von keiner Seite beeinflussen lassen soll."
Houellebecq antwortet mit kurzen, holzschnittartigen Sätzen
Auf die Fragen von Moderator Nils Minkmar antwortete Houellebecq in oft kurzen, holzschnittartigen Sätzen. Entweder hatte er an diesem Abend keine Lust auf politische Analysen. Oder er gehört zu jenen Autoren, die die großen Umwälzungen ihrer Zeit mit ausschließlich künstlerischen Mitteln zu erfassen vermögen. Grandios die Romanszenen, in denen der Ich-Erzähler die Veränderungen unter der Herrschaft des islamischen Präsidenten Mohammed Ben Abbes registriert. Die Frauen tragen auf einmal keine Röcke mehr, sondern nur noch Hosen. Und die Pariser Universität hat ihr laizistisches Selbstverständnis aufgegeben.
Im Hinblick auf den Islam gab Houellebecq in Köln einen hilfreichen Hinweis. Der frisch gewählte Präsident, erklärte er, habe sich für einen islamistischen Kurs entschieden. Auch andere Optionen hätte er bedacht, dann aber diese bevorzugt.
Die Religion in den Händen von Demagogen – und sei es zurückhaltenden Demagogen wie Ben Abbes – gerinnt leicht zur Fratze. Aber liegt das an der Religion? Oder an der Art und Weise, in der Politiker diese deuten? Houellebecq ließ die Frage letztlich offen. Aber er deutet mit seiner Bemerkung doch an, dass Religion – jede Religion – machtlos gegenüber jenen ist, die sie für ihre Zwecke einspannen und als probates Mittel sehen, die eigenen Anhänger zu mobilisieren.
Freilich ist mit dem Hinweis auf den Missbrauch der Religion noch nicht viel gewonnen. Denn die Einschränkungen werden Bürger religiös ausgerichteter Staaten ja trotzdem aufgelegt. Teils brachial wie in Theokratien wie im – realen – Saudi Arabien. Teils aber auch sanft wie in der französischen Zukunftsvision Michel Houellebecqs.
Islamophob, so der Eindruck, ist der Roman nicht. Wie alle anderen Romane erkundet auch der von Houellebecq mögliche Welten, die aber – noch? – keine Wirklichkeit sind. Ob man diese Wirklichkeit dann begrüßen oder vielleicht lieber verhindern will – dies ist der Punkt, an der die Literatur politisch wird. Aber der Raum der Antworten liegt nicht im Buch, sondern außerhalb von ihm. Sie entwirft Szenarien. Wie auf diese zu reagieren ist, entscheidet die Politik.