Michelangelo-Ausstellung in New York

Das Genie spricht durch Zeichnungen

Die Marmorbüste «Brutus» von Michelangelo Buonarroti, aufgenommen am 06.11.2017 im Metropolitan Museum in New York (USA). Das New Yorker Museum widmet dem italienischen Renaissance-Künstler eine umfassende Ausstellung seiner Werke unter dem Titel: «Michelangelo: Divine Draftsman & Designer». Die Schau ist vom 13.11.2017 bis 12. Februar 2018 zu sehen.
Die Marmorbüste «Brutus» von Michelangelo Buonarroti im Metropolitan Museum in New York. © dpa picture alliance / Christina Horsten
Von Kai Clement |
Die acht Jahre Vorbereitungszeit haben sich gelohnt: Schier überwältigend geraten ist die Michelangelo-Ausstellung im Metropolitan Museum of New York, sagt unser Kritiker. Im Vordergrund steht insbesondere das zeichnerische Werk des Renaissance-Künstlers.
"Ein freudvoller Tag! Niemand, auch ich nicht, hat vor acht Jahren voraussehen können, dass die Ausstellung einmal so aussehen würde. Dafür gab es einen Vertrauensvorschuss. Es gab Momente großer Freude. Und großen Durchhaltewillens."
Kuratorin Carmen Bambach steht im Dämmerlicht, das die jahrhundertealten Zeichnungen erhalten helfen soll. Zeichnungen von niemand Geringeren als "dem Göttlichen", il divino. Acht Jahre hat sie an dieser Ausstellung gearbeitet.

500 Jahre Geschichte in einem Blick

Der damalige Museumschef Thomas Campbell hatte sie freigestellt. "Der göttliche Zeichner und Designer" ist eine Schau, die nur ein Universalmuseum von der Stärke des Metropolitan bewältigen kann. Eigentlich, so schmunzelt Bambach, sei es eher wie bei der Kindererziehung: es brauche den ganzen Ort dafür.
Innenaufnahme der Sixtinischen Kapelle mit Michelangelos berühmten Fresko "Das Jüngste Gericht" (1536-1541). Die Kapelle mit ihren berühmten Fresken wurde 1980 von der Unesco als Kulturdenkmal in die Liste des Welterbes aufgenommen. Undatierte Aufnahme.
Innenaufnahme der Sixtinischen Kapelle mit Michelangelos berühmten Fresko "Das Jüngste Gericht" © Udo Bernhart / dpa
500 Jahre Geschichte vergingen beim Blick auf die Werke, verspricht die Kuratorin. Es sind Porträts und architektonische Zeichnungen, es sind Entwürfe für die Sixtinische Kapelle, begleitet von einer Nachbildung des gesamten Deckengemäldes. Insgesamt 130 Zeichnungen Michelangelos sind versammelt – von einem Mann also, der sich doch in erster Linie als Bildhauer verstand.
"Mir geht es darum, Michelangelos Arbeitsprozess als Künstler zu zeigen. So zu sagen auf dem Papier zu denken. Die Vorstellungskraft zu entfesseln. Was wir sehen ist im Grunde 99 Prozent des Schweißes hinter dem Werk eines Genies."

Sixtinischen Kapelle in Originalgröße auf Papier

Dieser Schweiß drückt sich aus in Rötel, in brauner Tünche, in schwarzer Kreide. Drückt sich aus in männlichen Idealgestalten, in der Präzision der Anatomie, in der Bewegtheit von Stoff und Figur. Es soll rund zwanzigtausend Skizzen gegeben haben – nur ein Bruchteil ist erhalten.
"So wurde zum Beispiel die gesamte Decke der Sixtinischen Kapelle in Originalgröße auf Papier vorgezeichnet. Davon hat lediglich ein kleines Fragment überlebt. Und ja: er hat viele Zeichnungen verbrannt. Gleich mehrfach in seinem Leben. Das ist ein Künstler, der sein Vermächtnis sorgfältig kuratiert hat."
Zeichnung ist nicht gleich Zeichnung. Da sind die schnellen Skizzen nur für ihn, intuitiv, spontan.
"Er muss nichts klarstellen. Alles ist in seinem Kopf. Das sind oft die schönsten Zeichnungen."

Hochdetaillierte Entwürfe

Da sind Studien am nackten Modell, zum Beispiel die Assistenten in seiner Werkstatt. Da sind hochdetaillierte Entwürfe für die Arbeit mit vielen Mitwirkenden. Sprechen mit Zeichnungen, nicht mit Worten.
"Anstatt über seine Kunst zu reden, greift er lieber nach dem Papier und zeichnet. In den 1540er-Jahren, als er so berühmt war, wurde er gebeten, sich theoretisch zu seiner Kunst zu äußern. Er aber sagte, das sei doch Zeitverschwendung. In derselben Zeit könne man doch auch eine Skulptur schaffen."

Männerakt erneut Michelangelo zugeschrieben

Vor sieben Jahren hat die Albertina 110 Zeichnungen aus der unglaublichen, 75 Jahre umfassenden Schaffenszeit gezeigt. Einzelne Forscher aber bezweifelten damals, ob die dem Wiener Museum gehörenden Blätter tatsächlich alle aus seiner Hand stammten.

Der Meisters der Hochrenaissance und die Frage der Echtheit: darüber gab es in der "New York Times" noch vor Ausstellungseröffnung einen ganzseitigen Artikel. Nicht etwa, weil Kuratorin Bambach eine Fälschung entdeckt hätte. Im Gegenteil: Sie hat dem Meister einen teils angezweifelten liegenden Männerakt im Besitz des Frankfurter Städel erneut zugeschrieben. Dazu gehöre natürlich Literaturstudium, die Chronologie des Schaffens, Details der Arbeit wie Michelangelos schnelle Schraffur. Bambach aber stützt sich vor allem auf die ‚Topographie der Zeichnungen‘.
"Es geht um den Prozess, die künstlerische Identität zu rekonstruieren. Das Entscheidende aber für eine Originalzeichnung von Michelangelo ist: Man sieht förmlich den Druck seiner Hand, der sich fast in das Papier eingräbt in den abschließenden Konturen."

"Michelangelo - Divine Draftsman & Designer"
noch bis 12. Februar 2018 im Metropolitan Museum of New York
weitere Informationen auf der Website des Museums
Eindrücke von der Ausstellung auf Instagram unter dem Hashtag #metmichelangelo

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