Michèle Loetzner: "Liebeskummer bewältigen in 99 Tagen"
DuMont, Köln 2020
272 Seiten, 20 Euro
Herzschmerz-Ratgeber auf Augenhöhe
12:57 Minuten
Eine direkte und klare Sprache macht Michèle Loetzners Ratgeber "Liebeskummer bewältigen in 99 Tagen" lesenswert. Nach einer Trennung sei der Blick nach vorn hilfreich, meint die Journalistin und Autorin.
Liebeskummer ist ein sozialer Schmerz. Das Gehirn verarbeite physischen und sozialen Schmerz im gleichen Areal und differenziere nicht großartig zwischen einem gebrochenen Bein und einem gebrochenen Herzen, sagt die Journalistin und Autorin Michèle Loetzner.
Frauen und Männer würden auf Schmerz allerdings jeweils anders reagieren. In ihrem Ratgeber "Liebeskummer bewältigen in 99 Tagen" schreibt Loetzner, es gebe unterschiedliche gesellschaftliche Erwartungen an Frauen und Männer, wie sie mit Schmerz oder Trauer umgehen sollten.
Männer leiden länger
Von Frauen werde erwartet, dass sie still trauerten, reflektierten, in sich gingen und nachdächten. "Frauen tendieren leider dazu, den Fehler immer bei sich zu suchen", sagt Loetzner. Bei Männern hingegen werde ein coolerer Umgang erwartet, nach dem Motto: "Rauf aufs nächste Pferd", so Loetzner.
Außerdem herrsche bei Männern die Meinung vor, man könne sich den Schmerz auch wegtrinken. Sie würden um ein Vielfaches häufiger zur Flasche greifen als Frauen. Alkohol dämpfe das menschliche Hirn herunter, sagt die Autorin. Das sei durch die Schmerzmittelforschung bestätigt.
Die Faustregel, Liebeskummer dauere halb so lang, wie die Beziehung gedauert habe, halte sie für ein Gerücht. Männer litten oft sogar länger unter Liebeskummer als Frauen, sagt Loetzner. Die 99 Tage im Titel ihres Buches gingen auf den Song "99 Problems" von Jay-Z zurück. Das sei aber eine gute Zahl, findet Loetzner, denn 99 Tage seien etwa eine Jahreszeit – und das sei eine gute Zeitspanne, um Distanz zu schaffen.
Liebeskummer ist keine Teenager-Krankheit
Im Anhang ihres Buches gibt es eine lange Literaturliste, an der deutlich wird, wie viele Bücher Liebeskummer thematisieren. Loetzner bedauert, dass man so viel über Liebeskummer weiß, aber trotzdem so wenig darüber gesprochen werde. Gesellschaftlich werde das Thema bagatellisiert. "Es wird abgetan, wie eine Teenager-Krankheit", meint die Autorin.
Wer in Buchhandlungen nach Ratgebern zu Liebeskummer suche, finde hochwissenschaftliche Texte oder diese typischen Ratgeber mit rosa Buchdeckel und Herzchen aus Pflaster. Die versprächen Achtsamkeit und dann proklamierten sie, dass Hühnersuppe gegen Liebeskummer helfe, merkt Loetzner lachend an.
Sie habe sich gefragt, warum es so wenig Literatur auf Augenhöhe gebe. Man habe ja ein gebrochenes Herz und keinen gebrochenen Intellekt, wenn eine Beziehung vorbei ist.