Michio Kaku: "Abschied von der Erde. Die Zukunft der Menschheit"
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2019
479 Seiten, 25 Euro
Das Unmögliche denken
05:33 Minuten
Die Zeit auf der Erde ist begrenzt, so lautet die Theorie von Michio Kaku in "Abschied von der Erde". Um ihr Überleben zu sichern, müssen die Menschen auf andere Planeten umsiedeln. Der Physiker liefert Visionen, wie so ein Leben gelingen kann.
Krankheiten, Asteroideneinschläge, gigantische Vulkanexplosionen. Viele Katastrophen haben das Leben auf der Erde bereits heimgesucht und könnten es jederzeit wieder tun. Für den amerikanischen Physiker Michio Kaku steht daher fest: Die Spezies Mensch wird nur überleben, wenn sie sich aufmacht, auch andere Planeten zu besiedeln. In seinem neuen Buch "Abschied von der Erde" erklärt er, wie der Weg dorthin in naher und ferner Zukunft aussehen könnte.
Die Entfernungen im All sind unermesslich, die Lebensbedingungen für Menschen auf anderen Himmelskörpern überwiegend tödlich. Michio Kaku zeigt Schritt für Schritt auf, wie beides zu meistern wäre. Angefangen bei den konkreten Plänen für Reisen zu Mond und Mars, bis hin zur Erschließung neuer Rohstoffquellen im Asteroidengürtel, auf den Monden von Jupiter und Saturn und darüber hinaus.
Das Leben auf dem Mars ermöglichen
"Terraforming" könnte die Umweltbedingungen auf dem Mars an irdische Verhältnisse anpassen. Intelligente Maschinen müssten diesen langsamen Prozess anstoßen und den Grundstein für die ersten Langzeitsiedler legen. Verbesserte Raumschiffsantriebe sollten die Flugzeiten innerhalb des Sonnensystems von Monaten auf wenige Wochen verkürzen.
Und auch der Erkundung der in den letzten Jahrzehnten entdeckten Planeten jenseits unseres Sonnensystems steht im Prinzip nichts entgegen. Außer, dass etliche Technologien dafür noch entwickelt werden müssten.
Mit einem ansteckenden, geradezu phantastischen Optimismus breitet Michio Kaku die potentielle Zukunft der Menschheit im Weltall aus. Sein Buch ist Science Fiction im besten Sinne. Es ist leicht lesbar wie ein Roman.
Viele seiner Ideen und Vorstellungen sind inspiriert von fiktiven Geschichten. Allen voran Olaf Stapledons "Der Sternenmacher" von 1937, den Kaku mehrmals zitiert. Trotzdem fußen seine Schilderungen auf aktuellen wissenschaftlichen Theorien, insbesondere auf der Stringtheorie, an deren Ausarbeitung der Physiker in den Siebzigerjahren beteiligt war.
Spannender Gesprächsstoff für die Gegenwart
Natürlich ist, das weiß auch Michio Kaku, die Stringtheorie Segen und Fluch zugleich. Wenn sie stimmt, könnte sie viele grundlegende Probleme der Physik lösen und theoretisch sogar einen Weg aufzeigen, das Ende unseres Universums zu überleben, indem wir in ein anderes wechseln. Aber leider gibt es für ihre Richtigkeit bislang nicht den Hauch eines Beweises.
Michio Kaku scheut sich nicht, das scheinbar Unmögliche zu denken. Das macht vor allem seine langfristigen Visionen hochspekulativ. Aber er weitet dadurch auch den Blick, und fordert seine Leserinnen und Leser heraus, über ihr Menschsein und die Zukunft ihrer Existenz nachzudenken.
Das Leben im Weltall wird alles verändern. Wir müssen uns andersartigen Umweltbedingungen anpassen. Vielleicht werden wir zu Mensch-Maschinen-Hybriden mutieren? Michio Kaku liefert spannenden Gesprächsstoff für unsere Gegenwart, in der Künstliche Intelligenz und Gentechnik gerade Möglichkeiten eröffnen, deren Folgen noch kaum zu überblicken sind.