Mick Herron: "Slow Horses: Ein Fall für Jackson Lamb"

Abgewrackte Spione

Das Cover von "Slow Horses" von Mick Herron vor einem unscharfen Bild des Big Ben in London.
"Slow Horses" von Mick Herron. © Diogenes / Unsplash / Arthur Yao
Von Tobias Gohlis |
Ein Haufen trauriger Gestalten arbeitet im Slough House für den britischen Geheimdienst MI5: Neun Spione auf dem Abstellgleis. Doch dann wird ein Student pakistanischer Herkunft entführt. Und plötzlich sind die Agenten wieder gefragt.
Haben Sie schon mal von Bullshit-Jobs gehört? Der anarchistische Ökonom David Graeber hat sie so beschrieben: gut bezahlte, völlig sinnlose Jobs, die sich ausschließlich mit der Beschreibung der Leere und der Beachtung der Hierarchie beschäftigen. Und zu genau solche Bullshit-Jobs haben die Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes zu erledigen, die nicht in der Zentrale im Regent’s Park, sondern im Slough House, im Schlammloch also, untergebracht sind.

Der Chef ist ein stinkender Rüpel

Sie haben irgendetwas falsch gemacht, sie saufen, wissen etwas über die Liebschaften ihrer Vorgesetzten oder kennen ein anderes schmutziges Geheimnis. Erklärtes Ziel von Lady Di, der stellvertretenden MI5-Chefin Diana Taverner, ist es, sie so zu zermürben, dass sie aus Verzweiflung von selber kündigen und damit der Krone Abfindungen und Pensionszahlungen ersparen.
Kommmandiert werden diese neun abgewrackten Spione von einem fetten, scheinbar kampfunfähigen stinkenden Rüpel namens Jackson Lamb. Nach ihm ist die bisher sechs Bände umfassende äußerst erfolgreiche und mehrfach ausgezeichnete Serie benannt, die der englische Autor Mick Herron erfunden hat: "Slow Horses" ist der erste Band.

Krieg im Inneren des Geheimdienstes

Abgewrackt wirkte nach dem Ende des Kalten Krieges auch die Spionageliteratur, ihr war im Zeichen der asymmetrischen Kriegführung der Feind verloren gegangen. Der in Oxford ausgebildete und lebende Mick Herron hat sich daher konsequent einen neuen vertrauten Schauplatz gesucht: den Krieg im Innern.
Das ist zu allererst ein Krieg im Innern des Geheimdienstes. Karriere, Einfluss und Etats sind seine erklärten Ziele, denen die Gegner gnadenlos geopfert werden. Es sind die Kollegen, die "lahmen Gäule". Dass sie so lahm gar nicht sind, beweisen sie unter anderem im Kampf gegen die rechtsradikalen Dumpfbacken, die einen britischen Studenten pakistanischer Herkunft entführt haben und drohen, ihm in IS-Manier den Kopf abzuschlagen.

Perfekt inszeniertes Zirkusstück

Herron erzählt seine Story vom letztlich siegreichen Durchmarsch der Slow Horses, als wolle er einen Schlussstrich unter den Spionageroman ziehen, indem er noch einmal alles aufbietet, was das Genre hergibt. Er zitiert und erinnert an großartige Figuren: Für seinen übel riechenden Jackson Lamb stand Andy Dalziel, Serienheld des jüngst verstorbenen Reginald Hill, Pate. Und sein Slough House erinnert an James Gradys grandiose "Sechs Tage des Condor".
Herrons Kunst besteht darin, uns die bösartige Geheimdienstwelt wie ein perfekt inszeniertes Zirkusstück vorzuführen: Wir bewundern die Artistik und lachen uns kaputt über diesen Bullshit. Leider ist das nicht die Vorstufe zu realen Ende der Schlapphüte.

Mick Herron, "Slow Horses. Ein Fall für Jackson Lamb"
Aus dem Englischen von Stefanie Schäfer.
Diogenes, 2018
480 Seiten, 24 Euro

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