Eine "Gurke" aus dem alten Preußen und ein Fortschritt
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Microsoft Office soll 2022 eine neue Standardschrift erhalten. Fünf Vorschläge wurden nun präsentiert. Den Typografen Erik Spiekermann haben sie enttäuscht - besonders der mit Bezug zu deutschen Eisenbahnschildern. Einen Favoriten hat er trotzdem.
Schriftart Calibri, Schriftgröße 10 Punkt – seit 15 Jahren ist das die Standardschrift bei Microsoft Office. Im kommenden Jahr soll sie abgelöst werden. Dafür hat Microsoft nun fünf Vorschläge gemacht: "Bierstadt", "Grandview", "Seaford," "Skeena", und "Tenorite" heißen die Schriftarten, zu denen nun Feedback gesammelt wird.
Der Typograf Erik Spiekermann meint: "Gut, dass frische Luft reinkommt." Aber mit diesen Vorschlägen habe Microsoft ihn nicht überzeugt: Das seien "nicht die besten Schriften aller Zeiten". Über die Bandbreite der neuen Schriften ist er etwas enttäuscht: "Keine ist viel besser als vorher, keine ist wahnsinnig lesbar, keine ist wahnsinnig platzsparend, alle sind eng beieinander."
Das sei aber sicher Absicht, gibt Spiekermann zu bedenken. Denn: "Leute, die mit Microsoft-Dokumenten arbeiten, wollen ja nicht gestalten, wollen nicht auffallen, wollen kommunizieren – in den meisten Fällen dann auch auf sehr bürokratischen Wegen." Insofern sei das angemessen. Und das sei ja nichts Schlechtes.
DIN-Norm wurde verschlimmbessert
Zur Schrift Grandview heißt es, sie orientiere sich an alten Eisenbahnschildern in Deutschland. Diese Schrift sei "die einzige richtige Katastrophe" unter diesen Schriftarten. "Das ist unsere Dienstschrift, die wir auf allen Autobahnen, auf allen staatlichen Aussagen schon immer kennen – also auch Straßenschilder", erklärt Spiekermann. Das sei "die deutsche Industrienorm, die in der Tat aus dem alten Preußen noch kommt, also aus dem 19. Jahrhundert, und dann in den 20er-Jahren festgelegt wurde."
Bei Grandview habe man versucht, von dieser DIN-Norm wegzugehen. Aber dabei sei etwas Schlechteres herausgekommen. "Die DIN kann man nicht besser machen, die ist perfekt." Das sei "eine sogenannte Gurke", so Spiekermann, "das kann man nicht besser sagen."
Seaford: "Eine sehr lebendige Schrift"
Sein Favorit ist die Schriftart Seaford: "Die hat ein paar Unregelmäßigkeiten drin. Das ist eine sehr lebendige Schrift." Die möge man auch über sieben, acht Seiten lang lesen, so der Typograf. "Die anderen sind eher was für Formulare und amtliche Vordrucke." Die Schriftart Seaford sei hingegen durchaus ein Fortschritt.
(abr)