Mieczyslaw Weinberg: Oper "Idiot"

Der Liebe und dem Wahnsinn verfallen

Moderation: Stefan Lang |
Es ist Weinbergs letzte Oper, die er 1987 beendete. Eine gekürzte Fassung kam 1991 in Moskau auf die Bühne, vollständig wurde sie erst 2013 in Mannheim uraufgeführt. Der beste Freund Schostakowitschs griff den Roman "Der Idiot" von Fjodor Dostojewski auf.
Mieczyslaw Weinberg (1919 - 1996) - ein polnischer Komponist mit jüdischem Hintergrund - hatte in der zweiten Lebenshälfte seinen Lebensmittelpunkt in der Sowjetunion. Er hat während in der Zeit des Nationalsozialismus seine ganze Familie verloren, floh aus Polen über Minsk nach Moskau - Schostakowitsch hat ihm einen Neustart ermöglicht. In der Sowjetunion war er der stalinistischen Verfolgung ausgesetzt.
Ein Mann schreibt mit Bleistift an seinem Schreibtisch.
Der Komponist Mieczysław Weinbergbei der Arbeit.© http://www.weinbergsociety.com
Er hat ein beachtliches Gesamtwerk hinterlassen und gilt seit einer beeindruckenden Renaissance in den letzten Jahren heute neben Schostakowitsch und Prokofjew als einer der wichtigsten Komponisten der Sowjetunion.

Uraufführung erst nach 26 Jahren

Seine letzte Oper "Der Idiot" entstand in den Jahren 1986 und 1987. In Moskau, wo Weinberg schließlich lebte und arbeitete, wurde 1991 eine reduzierte Version auf die Bühne gebracht. Erst 2013 folgte die vollständige Uraufführung in Mannheim, und nur, weil der Dirigent Thomas Sanderling vom Klavierauszug derart begeistert war, dass er eine Aufführung anschob. Zum Glück hatte er einen mutigen Operndirektor an seiner Seite, Klaus Peter Kehr, der sich mitentzünden ließ.

Reduzierung der Worte - Erweiterung durch Musik

Eigentlich unvorstellbar, knapp 1000 Romanseiten in eine vierstündige Oper zu fassen. Doch dem Komponisten Mieczyslaw Weinberg ist es gelungen, aus dem Roman "Der Idiot" von Fjodor Dostojewskis eine vierstündige Oper zu filtrieren, mit Hilfe seines Librettisten Alexander Medwedew. So entstand ein Bühnenwerk, in dem eine sprunghafte Folge von Bildern auf einer Simultanbühne eine komplizierte Liebesgeschichte erzählt.
Der junge Fürst Myschkin, psychisch schwer angeschlagen, kehrt nach St. Petersburg zurück. Auf seiner Reise trifft er im Zug auf den reichen Rogoshin. Der wirkt wie besessen, ihn treibt eine dunkle Leidenschaft für Nastassja, eine »gefallene« Frau. Myschkin hat die Krankheit realitätsfern gemacht, naiv glaubt er an das Gute im Menschen - er verfällt ebenfalls Nastassja. Seine Leidenschaft ist aber von anderem Zuschnitt: Er will sie retten.

Tragisches Ende

Zwischen ihr und einer anderen jungen Frau, Aglaja, wird er selbst Teil eines Geflechts von materiellen und sexuellen Abhängigkeiten, von Verletzungen, Besessenheit und auch Beziehungsunfähigkeit. Die Verstrickungen enden schließlich mit Rogoshins Mord an Nastassja. Fürst Myschkin erstarrt im letzten Bild in den Armen des Mörders in einem Zustand zwischen Wahn und Zärtlichkeit.
Mieczyslaw Weinberg
Der Idiot - Oper in vier Akten und zehn Bildern op. 144
Libretto von Alexander Medwedew nach Fjodor Dostojewskis gleichnamigem Roman

Fürst Leo Nikolajewitsch Myschkin - Dmitry Golovnin, Tenor
Nastassja Filippowna - Ludmila Slepneva, Sopran
Parfion Rogoschin - Steven Scheschareg, Bass
Lebedjew - Lars Möller, Bariton
Iwan Fjodorowitsch Jepantschin - Bartosz Urbanowicz, Bass
Jelisaweta Prokofjewna Jepantschina - Elzbieta Ardam, Alt
Aglaja - Anne-Theresa Möller, Mezzosopran
Alexandra - Tamara Banjesevic, Sopran
Adelaida - Diana Matthess
Ganja - Uwe Eikötter, Tenor
Warwara - Tatjana Rjasanova, Sopran
Afanassij Iwanowitsch Totszkij - Bryan Boyce, Tenor

Chor und Orchester des Nationaltheaters Mannheim
Leitung: Thomas Sanderling

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