Wohnen in München - unbezahlbar!
Der freie Wohnungsmarkt in München ist derart angespannt, dass viele Menschen in eine der Schlafstädte am Stadtrand ziehen müssen. Das ist nicht nur für die Mieter ein Problem - sondern auch für die Entwicklung der Stadt.
"Es ist ein Rausschmiss, das hat nichts mehr mit Fairness oder Geschäftspartner zu tun. Vor allem haben wir uns nichts zu Schulden kommen lassen. Wir haben immer bezahlt."
Gerti Guhl sitzt an ihrem Küchentisch, wütend, verzweifelt.
Bis vor einigen Monaten hat sie die Fraunhofer Schoppenstube betrieben. Von 1973 bis 2007 mit ihrem Mann, dann allein, sechs Tage die Woche. Nach vierzig Jahren muss sie nun raus, Platz machen für lukrativere Mieter.
Die schmale, drahtige Frau ist ein Stück vom früheren, gemütlichen, geselligen München. Sie sitzt da auf dem Stuhl und versucht die Entwicklung im eigenen Viertel zu verstehen. Die jungen Leute werden das doch auch nicht wollen, diese Gesichtslosigkeit, begehrt die Wirtin ohne Lokal auf.
"Dann da vorne, wenn Sie mal schauen in der Reichenbachstraße, alle zwei, drei Monate ein anderer Laden, die können die Miete gar nicht mehr aufbringen, die großen Konzerne werden immer größer, und dann jammert jeder, dass die Konzerne immer größer werden, aber in Wirklichkeit geht niemand auf die Straße. Es sagt keiner, das wollen wir erhalten. Diese kleinen Geschäfte machen das Viertel doch aus."
Die normalen Mieter haben das Nachsehen
In München liegt die Gestaltung der Stadt nicht mehr in der Hand der Bewohner, der kleinen Gewerbetreibenden wie Gerti Guhl oder den politischen Vertretern. Große Investoren, so der Eindruck, halten die Zügel in der Hand. Das Nachsehen haben normale Mieter.
"Ich wohne schon seit 1980 in Schwabing und es verändert sich ziemlich stark, weil die Mieter alle rausgedrängt werden wegen der Modernisierungen, da gehen dann Coffeeshops rein oder große Ketten, weil sich das die kleinen Mieter nicht mehr leisten können."
Ein großer, bulliger Mann zeigt auf sein eingerüstetes Haus. Bauarbeiter laufen auf den Gerüsten umher. Noch eine Modernisierung. Fallen die Hüllen, dann sollen dort in einigen Wochen generalsanierte Häuser neue Mieter anlocken. Mieterhöhung: 60 Prozent.
"Hier wird derzeit saniert, obwohl wir noch drinnen wohnen. Wir hatten hier einen Küchenbalkon, den haben sie weggerissen."
Wohin die derzeitigen Mieter ziehen sollen, ist völlig unklar. Der freie Wohnungsmarkt in München ist derart angespannt und teuer, dass viele Münchner in eine der sogenannten Schlafstädte am Stadtrand ziehen müssen. Das einst so attraktive München ist unbezahlbar geworden – und das ist nicht nur für die Mieter ein Problem, sondern inzwischen auch für die Entwicklung der Stadt. Dringend werden Erzieherinnen, Altenpfleger und Azubis gesucht – aber wo sollen sie wohnen?
Das Zauberwort heißt Zwischennutzung
Fabian Geyer, 27, gelernter Kinderpfleger, hat ein Zimmer in einer WG gefunden, nicht in Schwabing, aber einigermaßen zentral. Er kennt Kollegen, deren letzte Chance ein Studentenwohnheim des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes war:
"Aber über kurz oder lang bleibt es ein Studentenwohnheim, was für einen Erzieher, der fertig ist, doch ungemütlich ist. Ich kenne einige Fälle, wo es läuft, weil man schwarz nebenbei am Wochenende kellnern geht oder Baby sittet, obwohl man eine Vollzeitstelle hat, und ich finde, das kann es ja auch nicht sein."
Letzte Hoffnung: die Genossenschaften. Jörg Kosziol sitzt in seinem Büro, er ist Vorstand des Bauvereins Haidhausen. Ohne Beziehungen geht in München nichts, gibt er unumwunden zu:
"Also wenn jemand von außen kommt, da ist es wirklich eng, weil sie neben der hohen Miete den Markt nicht kennen und auch nicht die Verbindungen haben."
Die Wartelisten für seine und die 31 anderen Genossenschaften Münchens sind so lang, dass es einen Aufnahmestopp gibt.
"Wir haben 2007/2008 zuletzt neu gebaut, was auch nur möglich war über ein städtisches Modell. Und wir überlegen jetzt wieder neu zu bauen. Dann wird die Warteliste auch wieder geöffnet."
Für Auszubildende und dringend benötigte Fachkräfte könnten auch die Firmen selbst, zum Beispiel mit Werkswohnungen sorgen. Noch scheint die Not aber nicht groß genug. Bisher hat nur das Baureferat München reagiert und versucht Wohnungssuchende mit bestimmten, besonders gefragten Berufen unterzubringen. Das Zauberwort heißt Zwischennutzung. Erzieherinnen und Pflegekräfte nutzen Büroräume als Wohnungen, auch leer stehende Wohnheime sollen temporär zur Verfügung gestellt werden. Aber was kommt danach? Für Kinderpfleger Fabian Geyer ist das keine Lösung:
"Wir als Erzieher oder allgemein als Arbeitskräfte im sozialen Bereich bräuchten die Wohnungen aber schnell und wir sind es schon gewohnt, dass wir bei Versprechungen von Politikern leere Worthülsen haben und die Taten lassen eben auf sich warten."