Mieterfrust im Ballungsraum

Von Anke Petermann |
Die Mehrheit der Deutschen sind Mieter, deshalb thematisieren fast alle Parteien die Preisexplosion in den Ballungsräumen - auf Bundesebene und auch im hessischen Landtagswahlkampf. Im Rhein-Main-Gebiet - besonders in Frankfurt - sind hohe Mieten längst zum Armutsrisiko geworden.
Elfter Stock eines Betonturms im Frankfurter Mainfeld. Christa Aechtner wohnt seit 37 Jahren in der Hochhaussiedlung, Sozialwohnungsbau der Siebziger. Die Rentnerin lässt den Blick vom Balkon schweifen. Vom Odenwald auf der einen bis zum Main und zum Taunus auf der anderen Seite.

"Sonntags, wenn die Ausflugsdampfer fahren, die kommen zurück mit Musik, da komme ich mir vor wie am Lago Maggiore. Ganz fantastisch, der Ausblick ist herrlich."

Doch die Stimmung ist getrübt, denn seit Jahren wird diskutiert, wie es mit der sanierungsbedürftigen Siedlung weitergehen soll. Von Nachverdichten, Komplett- oder Teilabriss ist die Rede. Der Wahlkampf aber ist die Zeit froher Botschaften.

Christa Aechtner und ihre Mitstreiter stecken die Köpfe zusammen über dem Brief, mit dem die CDU-Fraktion im Römer verspricht, dass der Abriss vom Tisch ist. Alles soll besser und schöner werden. Jubel? Fehlanzeige.

Heinz: "Das ist eigentlich ne Frechheit, und da würde ich dir natürlich Recht geben, das ist Wahlkampf, und was nach der Wahl ist, weiß kein Mensch."

Denn leere Versprechungen haben sie hier im Mainfeld schon oft gehört. Christa Aechtner und ihre Mitstreiter fürchten eine Vollmodernisierung, höhere Mieten und das freundliche Angebot, ein Ausweichquartier zu beziehen. Das Problem ist, so Stadtforscher Werner Heinz:

"Der Bereich des preiswerten Wohnraums wird in Städten drastisch reduziert, und gleichzeitig gehen die Einkommen der unteren Einkommensgruppen entweder zurück oder stagnieren, und ich glaube, das wird nicht zur Kenntnis genommen, auch von der Politik, wenn sie nur sagt, wir bauen Wohnungen. Sie sagt aber nicht, wir bauen Wohnungen für die da unten, was heißt die da unten, mittlerweile sind das relativ viele,"

wie Erzieherinnen und Busfahrer, die auf dem freien Markt nichts Bezahlbares mehr finden. Etwa die Hälfte aller Frankfurter hätten Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, nicht alle nutzen das. Gebaut wird wegen besserer Renditechancen mehr Hochpreisiges, gefragt ist aber eher Preiswertes, weiß Rudolf Ridinger, Direktor des Verbandes der Wohnungswirtschaft südwest. Er glaubt,

"dass wir mindesten noch fünf Jahre mit einer sich weiter öffnenden Schere rechnen müssen."

Trotz der angekündigten Wohnungsbauprogramme. 1500 Sozialwohnungen jährlich verspricht die SPD in Hessen. 300 Millionen Euro bietet die schwarzgelbe Landesregierung für die nächsten fünf Jahre, unter anderem für Tausend zusätzliche Sozialwohnungen, 200 im Jahr also. Eva-Maria Winckelmann vom Hessischen Mieterbund kommentiert:

"Schwarzgelb ist jetzt endlich auf diesen Trichter gekommen, es ist uns aber immer noch zu wenig. Durch das Hessische Wohnraumförderungsgesetz, das im letzten Jahr verabschiedet worden ist, ist immer noch die Förderung von Eigentum stärker gewichtet. Das muss sich unbedingt ändern."

Für fast 4000 Wohnungen jährlich läuft landesweit die Mietpreisbindung aus. Mit fünf Millionen Euro im angekündigten Landesprogramm sollen die Bindungen verlängert werden, die noch im laufenden Jahr enden.

Der Vermieter bekommt aus diesem Topf die Differenz zwischen Sozialmiete und der ortsüblichen Miete bezahlt. Ein Tropfen auf dem heißen Stein, weiß man beim Verband der Wohnungswirtschaft. Einen soliden kommunalen Bestand an geförderten Wohnungen wünscht sich Stadtforscher Werner Heinz:

"Aber nicht mit Belegungsfristen für 10 oder 20 Jahre, sondern dauerhaft zu bezahlbaren Mieten, weil ich denke, dass unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Bedingungen Einkommensschwäche ein dauerhaftes Problem ist und man nicht sagen kann, in Frankfurt ist alles ganz prima, und die Leute verdienen alle ganz fürchterlich viel Geld. Und ich denke, 20, 25 - 30 Prozent des Wohnungsbestandes müssten so aufgestellt sein."
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