Selbst Besserverdienende geraten unter Druck
Bezahlbarer Wohnraum in den Innenstädten wird knapp. Ein Gegenmittel: mehr sozialer Wohnungsbau. Der Mittelschicht hilft das allerdings nicht. Auch Krankenschwestern und Feuerwehrleute fänden immer schwerer Wohnungen, warnt die Soziologin Christine Hannemann. Sogar Besserverdienende seien inzwischen betroffen.
Berlin, München oder das Rhein-Main-Gebiet – in einigen deutschen Städten und Regionen sind die Mietpreise in den vergangenen Jahren förmlich explodiert. Die Politik will gegensteuern: mit mehr sozialem Wohnungsbau. Doch wo bleibt dabei die Mittelschicht, die einerseits keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung hat, die aber auf der anderen Seite auch nicht beliebig hohe Mietsteigerungen verkraften kann?
"Denken Sie an Krankenschwestern, denken Sie an Feuerwehrleute, also an alle, die eigentlich so ein Stadtleben auch erstmal möglich machen – die finden zunehmend keinen Wohnraum", sagt die Soziologin Christine Hannemann, Leiterin des Bereichs Architektur- und Wohnsoziologie am Institut für Wohnen und Entwerfen der Universität Stuttgart. "Es ist auch ein Problem, das inzwischen selbst Besserverdienende erreicht hat, weil die Mietpreise von Wohnungen so stark gestiegen sind, dass sich eben wirklich nur noch sehr gut Verdienende innerstädtische Mietwohnungen oder überhaupt Eigentumswohnungen leisten können."
"Wir wollen keine Verhältnisse wie in Brasilien"
Durch eine Verdrängung der Mittelschicht aus den Innenstädten würden sich die Städte in eine Richtung entwickeln, die nicht mehr unserer Vorstellung von Stadt entspricht, warnt Hannemann. "Weil, wir gehen davon aus, dass wir keine sozial segregierten Gebiete haben. Wir wollen keine Verhältnisse wie in Brasilien. Wir wollen nicht, dass wie in London sich nur noch die ganz Armen und die Reichen das Stadt-Wohnen leisten können."
Dass inzwischen auch in Deutschland eine Verdrängung der Mittelschicht aus den Innenstädten drohe, hat laut der Wohnsoziologin auch mit der Situation der Kommunalverwaltungen zu tun. Zum einen gebe es in den Kommunen immer weniger Fachpersonal: "Die Verwaltung ist enorm ausgedünnt worden."
Zum anderen liegt es Hannemann zufolge an der Verwaltungsstruktur: So seien sowohl Stadtplanung als auch Wohnungswesen für Wohnungen zuständig, zumindest in einem Teil der Kommunen seien diese Bereiche aber getrennt: "Also, in Stuttgart zum Beispiel ist die Stadtplanung eine eigene Abteilung, und das Wohnungswesen untersteht dem Finanzsenator", sagt Hannemann. "Und dann sieht man auch schon, dass die Interessen unter Umständen sehr verschieden liegen. Also, es ist eigentlich auch ein strukturelles und ich finde, auch ein Personalproblem."
(uko)