Migranten vor der Wahl
Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) bezweifelt, dass die Kritik mehrerer Migrantenverbände an der deutschen Migrationspolitik repräsentativ ist. Für Migranten seien Fragen der Chancengleichheit viel wichtiger als die doppelte Staatsbürgerschaft oder das kommunale Wahlrecht.
Birgit Kolkmann: Fünf Wochen vor der Bundestagswahl haben sich nun auch die Migranten zu Wort gemeldet. 100 Organisationen haben in einem gemeinsamen Positionspapier eine stärkere Beteiligung von Migranten gefordert. Das Forum kritisiert, das Thema Integration werde von den Parteien nicht ernst genug genommen. Viele Regelungen zum Beispiel über den Familiennachzug oder Fragen einer doppelten Staatsbürgerschaft sowie das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger seien schikanös. Und interessant ist auch, dass Migranten eher SPD und Grüne wählen würden, wobei die SPD auch bei dieser Wählergruppe dramatisch an Zuspruch verliert, zugunsten der Grünen. – Wir sind jetzt mit Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet von der CDU verbunden. Schönen guten Morgen, Herr Laschet.
Armin Laschet: Guten Morgen!
Kolkmann: Sie machen ja eine sehr engagierte Integrationspolitik im bevölkerungsreichsten Bundesland. Zeigt sich das eigentlich auch im Zuspruch der Migranten zur Union?
Laschet: Zum einen machen wir die ja nicht, um Zuspruch bei Migranten zu gewinnen, sondern weil es einfach eine gesellschaftliche Notwendigkeit ist, jetzt gute Integrationspolitik zu machen. Aber man sieht jetzt schon – wir haben ja Kommunalwahl hier in Nordrhein-Westfalen in wenigen Tagen -, dass viel mehr Migranten aufgestellt werden auf den Ratslisten vor Ort, auch innerhalb der CDU, und das ist natürlich nur dadurch zu erklären, dass die CDU auch auf Migrantengruppen, auf Zugewanderte hingegangen ist und sie eingeladen hat, in der Partei mitzumachen. Aber das ist noch viel zu wenig und das wird auch noch seine Zeit dauern, ehe ein Klima, das nun über Jahrzehnte gewachsen ist und das nun nicht gerade freundlich gegenüber der Union war, ehe so etwas gewandelt wird.
Kolkmann: Was ist denn nun eigentlich los, dass Migranten eher SPD und Grüne wählen und da auch immer weniger SPD, dafür umso mehr die Grünen?
Laschet: Ich glaube, die Union hat lange Zeit nicht ausgestrahlt, dass sie wirklich an Integrationspolitik interessiert ist. Das ist eine Entwicklung jetzt der letzten vier, fünf Jahre mit dem Gipfel der Bundeskanzlerin, mit der deutschen Islamkonferenz, die Wolfgang Schäuble angestoßen hat, und solche Entwicklungen schlagen nicht sofort in Wählerstimmen um. Ein zweites kommt hinzu: Die Grünen haben nun einen Parteivorsitzenden, der selbst eine Zuwanderungsgeschichte hat, und insofern ist das natürlich auch eine Identifikationsfigur, die, ich glaube, allen demokratischen Parteien gut stehen würde. Im Landtag von Nordrhein-Westfalen beispielsweise gibt es keinen einzigen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in keiner einzigen Fraktion und das ist für eine repräsentative Demokratie nicht gut. Ich glaube auch, dass die Union hier noch mehr gerade aus der Gemeinschaft der Migranten braucht, um sie auch besser ansprechen zu können.
Kolkmann: Und auch mehrere Leute, damit es nicht nur die Feigenblätter sind, die da sitzen.
Laschet: Ja, so ist das. Aber wenn Sie vor Ort in den Kommunen sich umschauen, da ist das zunehmend so, dass bei der Ratsaufstellung genau auf solche Fragen geachtet wird: Ist die Liste repräsentativ, haben wir genug jüngere und ältere, Männer und Frauen und auch Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte? In den Länderparlamenten ist das noch weniger, aber ich glaube, wenn die Integrationspolitik in Deutschland so weitergeht, dann ist auch das nur eine Frage der Zeit, ehe wir das erreichen.
Kolkmann: Nun haben Sie ja eben auch die Bemühungen der Bundesregierung über das Thema Integration noch einmal genannt. Mit Verlaub, diese sogenannten Gipfel sind vor allen Dingen Showveranstaltungen und vielleicht passt es ja dazu, dass Sie trotzdem doch sehr stark als Politiker kritisiert werden von Migrantenverbänden, indem gesagt wird, das Thema Integration wird von den Parteien nicht ernst genug genommen. Nehmen Sie es aus Ihrer Sicht schon ernst, aber nicht ernst genug, wenn es um die wirklichen Probleme geht wie zum Beispiel die Frage einer doppelten Staatsbürgerschaft?
Laschet: Ich glaube nicht, dass die wirklichen Probleme in der doppelten Staatsbürgerschaft liegen.
Kolkmann: Nur ein Beispiel von mir.
Laschet: Ja, das ist wahr, aber auch das kommunale Wahlrecht. Wir haben für die EU-Bürger kommunales Wahlrecht, aber so gut wie keiner nimmt sein Wahlrecht in Anspruch. Wir werben ja gerade im Moment dafür, dass die EU-Bürger, 27 Länder an der Zahl, an dieser Kommunalwahl teilnehmen. Man muss sich dann eintragen und so gut wie niemand macht das. Nein, für die Migranten ist viel wichtiger die Frage, wie haben sie die gleichen Chancen im Land, welche Bildungschancen haben sie, können ihre Kinder genauso Bildungskarrieren machen wie andere, werden sie anerkannt, wenn sie in Funktionen hineingehen, haben wir genug in der öffentlichen Verwaltung, machen wir das sichtbar, dass wir ein Land sind, das auch unterschiedliche Kulturen und Religionen hat. Das sind die wichtigen Themen.
Kolkmann: Das sagen Sie, aber die 100 Organisationen, die immerhin ein Positionspapier jetzt verfasst haben, sprechen genau von diesen Problemen der doppelten Staatsbürgerschaft, Wahlrecht für Bürger, die nicht aus der EU kommen, und zum Beispiel die Frage des Familiennachzugs und der doppelten Staatsbürgerschaft. Das muss dann doch wichtig sein, wenn die das so notieren, oder?
Laschet: Wenn Verbände was sagen, ist das nicht immer das, was unbedingt die Menschen berührt.
Kolkmann: Es sind immerhin 100.
Laschet: Ich nehme das auch ernst, aber wissen Sie, wir sind ja nun tagtäglich mit Migranten zusammen. Wir haben vor Ort unzählige, ich selbst auch merke, was brennt denn auf den Nägeln, und das ist nicht immer das, was Verbandsfunktionäre dann als Thema benennen. Das sind die strittigen Themen, die die dort benannt haben. Darüber muss man auch nachdenken, wobei der Familiennachzug eine Angelegenheit ist, wo es auch unter den Migranten unterschiedliche Meinungen gibt. Dass jemand, der hier im Familiennachzug einheiratet – und das gilt nicht nur für türkische Zuwanderer -, ein paar Worte Deutsch kann, dass er sich notfalls auch helfen kann, wenn er mal in Not gerät, das ist eine Sache, die auch unter Menschenrechtsfragen erörtert worden ist, und der Familiennachzug ist nicht signifikant zurückgegangen. 300 Worte Deutsch ist nichts, was jemanden überfordert, der hier neu hinzuzieht, und das ist noch einmal gesagt nicht das Thema der Millionen, die bei uns leben, die schlechte Bildungschancen haben, die nicht auf Gymnasien kommen, die ohne Hauptschulabschluss abgehen. Für die ist das nicht die allererste wichtige Frage, aber es ist eine wichtige Frage, die man sicher auch erörtern kann. Das kommunale Wahlrecht, da ist meine Meinung: Wir werben für mehr Einbürgerung. Wir wollen, dass jeder, der hier lebt, alle staatsbürgerlichen Rechte hat, nicht nur das kommunale Wahlrecht. Die meisten interessiert auch mehr eine Bundestagswahl als eine Kommunalwahl, weil da auch für die Migranten wichtige Entscheidungen auf der Bundesebene und auf der Landesebene gefällt werden, sodass das aus meiner Sicht manchmal eine Scheindebatte ist. Die Verbände haben das jetzt aufgeschrieben. Aber wenn Sie die Stellungnahmen der Verbände aus den letzten vier, fünf, zehn Jahren sehen, merken Sie, dass das, was jetzt gefordert wird, längst nicht mehr so scharf vorgetragen wird, wie das noch vor einigen Jahren war.
Kolkmann: Da hat sich also schon einiges getan. – Ich danke Ihnen, Armin Laschet von der CDU, Nordrhein-Westfalens Integrationsminister, für dieses Gespräch.
Laschet: Bitte schön.
Armin Laschet: Guten Morgen!
Kolkmann: Sie machen ja eine sehr engagierte Integrationspolitik im bevölkerungsreichsten Bundesland. Zeigt sich das eigentlich auch im Zuspruch der Migranten zur Union?
Laschet: Zum einen machen wir die ja nicht, um Zuspruch bei Migranten zu gewinnen, sondern weil es einfach eine gesellschaftliche Notwendigkeit ist, jetzt gute Integrationspolitik zu machen. Aber man sieht jetzt schon – wir haben ja Kommunalwahl hier in Nordrhein-Westfalen in wenigen Tagen -, dass viel mehr Migranten aufgestellt werden auf den Ratslisten vor Ort, auch innerhalb der CDU, und das ist natürlich nur dadurch zu erklären, dass die CDU auch auf Migrantengruppen, auf Zugewanderte hingegangen ist und sie eingeladen hat, in der Partei mitzumachen. Aber das ist noch viel zu wenig und das wird auch noch seine Zeit dauern, ehe ein Klima, das nun über Jahrzehnte gewachsen ist und das nun nicht gerade freundlich gegenüber der Union war, ehe so etwas gewandelt wird.
Kolkmann: Was ist denn nun eigentlich los, dass Migranten eher SPD und Grüne wählen und da auch immer weniger SPD, dafür umso mehr die Grünen?
Laschet: Ich glaube, die Union hat lange Zeit nicht ausgestrahlt, dass sie wirklich an Integrationspolitik interessiert ist. Das ist eine Entwicklung jetzt der letzten vier, fünf Jahre mit dem Gipfel der Bundeskanzlerin, mit der deutschen Islamkonferenz, die Wolfgang Schäuble angestoßen hat, und solche Entwicklungen schlagen nicht sofort in Wählerstimmen um. Ein zweites kommt hinzu: Die Grünen haben nun einen Parteivorsitzenden, der selbst eine Zuwanderungsgeschichte hat, und insofern ist das natürlich auch eine Identifikationsfigur, die, ich glaube, allen demokratischen Parteien gut stehen würde. Im Landtag von Nordrhein-Westfalen beispielsweise gibt es keinen einzigen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in keiner einzigen Fraktion und das ist für eine repräsentative Demokratie nicht gut. Ich glaube auch, dass die Union hier noch mehr gerade aus der Gemeinschaft der Migranten braucht, um sie auch besser ansprechen zu können.
Kolkmann: Und auch mehrere Leute, damit es nicht nur die Feigenblätter sind, die da sitzen.
Laschet: Ja, so ist das. Aber wenn Sie vor Ort in den Kommunen sich umschauen, da ist das zunehmend so, dass bei der Ratsaufstellung genau auf solche Fragen geachtet wird: Ist die Liste repräsentativ, haben wir genug jüngere und ältere, Männer und Frauen und auch Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte? In den Länderparlamenten ist das noch weniger, aber ich glaube, wenn die Integrationspolitik in Deutschland so weitergeht, dann ist auch das nur eine Frage der Zeit, ehe wir das erreichen.
Kolkmann: Nun haben Sie ja eben auch die Bemühungen der Bundesregierung über das Thema Integration noch einmal genannt. Mit Verlaub, diese sogenannten Gipfel sind vor allen Dingen Showveranstaltungen und vielleicht passt es ja dazu, dass Sie trotzdem doch sehr stark als Politiker kritisiert werden von Migrantenverbänden, indem gesagt wird, das Thema Integration wird von den Parteien nicht ernst genug genommen. Nehmen Sie es aus Ihrer Sicht schon ernst, aber nicht ernst genug, wenn es um die wirklichen Probleme geht wie zum Beispiel die Frage einer doppelten Staatsbürgerschaft?
Laschet: Ich glaube nicht, dass die wirklichen Probleme in der doppelten Staatsbürgerschaft liegen.
Kolkmann: Nur ein Beispiel von mir.
Laschet: Ja, das ist wahr, aber auch das kommunale Wahlrecht. Wir haben für die EU-Bürger kommunales Wahlrecht, aber so gut wie keiner nimmt sein Wahlrecht in Anspruch. Wir werben ja gerade im Moment dafür, dass die EU-Bürger, 27 Länder an der Zahl, an dieser Kommunalwahl teilnehmen. Man muss sich dann eintragen und so gut wie niemand macht das. Nein, für die Migranten ist viel wichtiger die Frage, wie haben sie die gleichen Chancen im Land, welche Bildungschancen haben sie, können ihre Kinder genauso Bildungskarrieren machen wie andere, werden sie anerkannt, wenn sie in Funktionen hineingehen, haben wir genug in der öffentlichen Verwaltung, machen wir das sichtbar, dass wir ein Land sind, das auch unterschiedliche Kulturen und Religionen hat. Das sind die wichtigen Themen.
Kolkmann: Das sagen Sie, aber die 100 Organisationen, die immerhin ein Positionspapier jetzt verfasst haben, sprechen genau von diesen Problemen der doppelten Staatsbürgerschaft, Wahlrecht für Bürger, die nicht aus der EU kommen, und zum Beispiel die Frage des Familiennachzugs und der doppelten Staatsbürgerschaft. Das muss dann doch wichtig sein, wenn die das so notieren, oder?
Laschet: Wenn Verbände was sagen, ist das nicht immer das, was unbedingt die Menschen berührt.
Kolkmann: Es sind immerhin 100.
Laschet: Ich nehme das auch ernst, aber wissen Sie, wir sind ja nun tagtäglich mit Migranten zusammen. Wir haben vor Ort unzählige, ich selbst auch merke, was brennt denn auf den Nägeln, und das ist nicht immer das, was Verbandsfunktionäre dann als Thema benennen. Das sind die strittigen Themen, die die dort benannt haben. Darüber muss man auch nachdenken, wobei der Familiennachzug eine Angelegenheit ist, wo es auch unter den Migranten unterschiedliche Meinungen gibt. Dass jemand, der hier im Familiennachzug einheiratet – und das gilt nicht nur für türkische Zuwanderer -, ein paar Worte Deutsch kann, dass er sich notfalls auch helfen kann, wenn er mal in Not gerät, das ist eine Sache, die auch unter Menschenrechtsfragen erörtert worden ist, und der Familiennachzug ist nicht signifikant zurückgegangen. 300 Worte Deutsch ist nichts, was jemanden überfordert, der hier neu hinzuzieht, und das ist noch einmal gesagt nicht das Thema der Millionen, die bei uns leben, die schlechte Bildungschancen haben, die nicht auf Gymnasien kommen, die ohne Hauptschulabschluss abgehen. Für die ist das nicht die allererste wichtige Frage, aber es ist eine wichtige Frage, die man sicher auch erörtern kann. Das kommunale Wahlrecht, da ist meine Meinung: Wir werben für mehr Einbürgerung. Wir wollen, dass jeder, der hier lebt, alle staatsbürgerlichen Rechte hat, nicht nur das kommunale Wahlrecht. Die meisten interessiert auch mehr eine Bundestagswahl als eine Kommunalwahl, weil da auch für die Migranten wichtige Entscheidungen auf der Bundesebene und auf der Landesebene gefällt werden, sodass das aus meiner Sicht manchmal eine Scheindebatte ist. Die Verbände haben das jetzt aufgeschrieben. Aber wenn Sie die Stellungnahmen der Verbände aus den letzten vier, fünf, zehn Jahren sehen, merken Sie, dass das, was jetzt gefordert wird, längst nicht mehr so scharf vorgetragen wird, wie das noch vor einigen Jahren war.
Kolkmann: Da hat sich also schon einiges getan. – Ich danke Ihnen, Armin Laschet von der CDU, Nordrhein-Westfalens Integrationsminister, für dieses Gespräch.
Laschet: Bitte schön.