Immer Richtung Norden
Sie marschieren gemeinsam, und es werden immer mehr: Tausende Migranten aus Honduras und El Salvador fliehen vor Armut und Gewalt in ihrer Heimat - Richtung USA. Donald Trump will, dass Mexiko die Menschen aufhält und droht mit einem Militäreinsatz.
Etwa 500 Leute drängeln sich unter einem Pavillon im Zentrum von Ciudad Hidalgo an der guatemaltekisch-mexikanischen Grenze. Männer, Frauen, Kinder, Babys. Sie wollen los, nach Norden. Es ist eine der letzten Gruppen der langen Karawane, die Donald Trump unter allen Umständen aufhalten will. Kriminelle nennt er sie. Dabei herrscht ein strenges Regime in den einzelnen Zügen der Karawane.
"Der, der hier Ärger macht, den greifen wir uns raus und übergeben ihn gleich der Grenzpolizei, das kommt manchmal vor, und wir wollen ja friedlich weitermarschieren."
Das sagt Javier, ein stämmiger Mann mit dunklen Locken, der eine Art Zugführer in der Karawane ist. Ruhig und geordnet setzt sich die Gruppe in Bewegung, biegt auf die Straße nach Norden ein.
Gewalttätige Banden terrorisieren in Honduras
Wie die meisten Menschen, die mitlaufen, kommt auch Javier aus Honduras.
"Wir haben uns mit dem Wenigen, das wir haben, auf den Weg gemacht, weil wir dort keine Arbeit haben, kein Auskommen, es gibt nichts. Wir wollen nur ein besseres Leben."
Doch in Honduras, das nicht nur bitterarm ist, sondern auch zu den gewaltreichsten Ländern der Welt gehört, sieht Javier keine Chance für sich.
"Ich war Tagelöhner. Manchmal hatte ich einen Job, manchmal nicht. Deshalb habe ich mich entschieden zu gehen."
Das war vor gut einer Woche. Am Anfang waren sie nur ein paar Hundert. Mittlerweile sind es schon mehr als 5000 Menschen, die Richtung Norden ziehen. Guatemala hat sie schon durchgewunken. Und auch die mexikanischen Behörden scheinen sich den Migraten nach anfänglichem Widerstand nicht mehr in den Weg zu stellen. Die Karawane marschiert einfach weiter - zum großen Ärger von US-Präsident Trump, der das Militär schicken will, sollte die Karawane jemals die US-Grenze erreichen. Aber jetzt hält der Zug erst einmal an.
"Wir laufen gemeinsam und unterstützen uns gegenseitig"
"Halt, halt!" ruft ein junger Mann. Die ganz vorne sollen langsamer gehen, ihren Kindern Wasser geben. Die Sonne brennt erbarmungslos an diesem Nachmittag. Joselyn, eine kleine Frau mit ernstem Blick, hat ihr erst elf Monate altes Baby mit auf die beschwerliche Reise genommen.
"Wir laufen hier alle gemeinsam und helfen uns gegenseitig, der Freund da vorne hilft mir mit meinem Baby schon, seit wir in Honduras losgelaufen sind."
Sie deutet auf den Mann, der ihre kleine Tochter im Arm hält. Auch Joselyn, die 28 Jahre alt ist, hofft auf ein besseres Leben in den USA. Doch wie schlimm muss das Leben sein, wenn man sich mit einem Baby zu Fuß auf eine mehr als 3000 Kilometer lange Reise macht?
"Ich bin geflüchtet, weil ich in Honduras Angst um mein Leben habe und weil es keine Arbeit gibt – und wenn man einen Job findet, dann reicht das Geld nicht zum Überleben. Sein allerletztes Geld muss man dann noch weggeben, weil man von den Maras, den Jugend-Gangs, erpresst wird."
Das nächste Ziel von Joselyns Gruppe heißt Tapachula, Mexiko, wo die meisten der Karawane schon angekommen sind.
Auf dem Zócalo, dem zentralen Platz der Stadt, strecken sich müde Menschen auf Plastikplanen aus, der Platz ist übersät mit leeren Plastikbechern und -flaschen. Die Stimmung ist ruhig und entspannt – obwohl die Menschen eigentlich gar nicht hier sein dürften. Wohl keiner hat ein Visum für Mexiko. Die Polizisten halten die Karawane nicht auf, sondern stehen freundlich lächelnd am Straßenrand.
Kein Tränengas mehr in Mexiko
Vor ein paar Tagen noch sind mexikanische Sicherheitskräfte mit Tränengas gegen Migranten vorgegangen, die tagelang auf der engen Brücke zwischen Guatemala und Mexiko ausharrten.
"Die wollten uns einfach nicht rüberlassen", erzählt Luis Fernando. "Also haben wir uns entschieden, es direkt am Grenzfluss zu versuchen, mit kleinen Flößen hat man uns übergesetzt, fast alle haben das so gemacht, weil die anderen, die an der Brücke reingelassen wurden, die hat man wohl wieder zurück nach Honduras gebracht."
Der Mann mit dem traurigen Blick hat sich mit Frau und Sohn auf den Weg gemacht, auch seine Schwester ist mit ihrem kleinen Baby mitgekommen. Jetzt sitzen sie auf einer Plastikplane, neben sich drei kleine Rucksäcke, das Reisegepäck. Luis Fernando wiegt nachdenklich den Kopf.
"Das ist eine wirklich schwierige Entscheidung, weil man natürlich das Leben der Kinder riskiert."
Für die Kinder ist der lange Marsch, oft unter sengender Hitze, am gefährlichsten. Aber Luis Fernando hat eine Entscheidung getroffen, eine Entscheidung ohne Umkehr.
"Wir wollen in die USA oder irgendwo anders hin, Hauptsache nicht nach Honduras. Nach Honduras gehen wir nicht mehr zurück."