Migration

"Nicht Sozialmissbrauch, sondern Sozialbezug"

Eine Gruppe junger Frauen mit Kopftüchern und langen Röcken - möglicherweise Sinti und Roma aus Osteuropa - geht in Berlin über einen Bürgersteig im Stadtteil Mitte.
Die meisten zugewanderten Bulgaren und Rumänen sind erwerbstätig © picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg
Moderation: Matthias Hanselmann und Hanns Ostermann |
Zuwanderern aus Bulgarien und Rumänien wird häufig vorgeworfen, sie würden hierzulande Sozialleistungen missbrauchen. Zu Unrecht, betont der Migrationsexperte Herbert Brücker: Sie würden so gering bezahlt, dass sie aufstocken müssten.
Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, will die Bundesregierung in Kürze ein Gesetzespaket gegen Armutszuwanderung beschließen. Es beinhalte auch härtere Strafen gegen so genannten Sozialmissbrauch. Doch den gibt es nach Erkenntnissen des Ökonomen Herbert Brücker kaum.
Die Zahl der Bezieher staatlicher Leistungen unter Einwanderern sei mit knapp 12 Prozent nur leicht höher als bei der Bevölkerung insgesamt, sagt der Migrationsexperte vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB. Zwar sei diese Zahl seit Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit leicht gestiegen. "Das hängt aber überwiegend damit zusammen, dass die Bulgaren und Rumänen, die hier leben, sehr geringfügig bezahlt sind. Wir haben einen hohen Anteil von Aufstockern. Es liegt nicht am Sozialmissbrauch", so Brücker. Die große Mehrheit der Bulgaren sei erwerbstätig:
"Sie leisten vor allen Dingen sehr viel höhere Beiträge zu den Renten- und Krankenversicherungen, als sie Geld aus diesen Versicherungssystem beziehen."
"Wir brauchen eine vernünftige Integration dieser Menschen"
Dass das Bild in der Öffentlichkeit ein anderes sei, liegt nach Meinung des Experten an einzelnen Kommunen mit einem sehr hohen Anteil von Bulgaren und Rumänen. Das gelte vor allem für Duisburg, Dortmund und Offenbach, wo es geringe Beschäftigungsquoten gebe. Dort würden die Menschen tatsächlich in sehr schlechten Verhältnissen leben und seien auf Leistungen angewiesen. Aber auch dort gelte: "Es geht nicht um Leistungsmissbrauch - es geht um Leistungsbezug."
Nach Überzeugung Brückers muss den bundesweit etwa fünf betroffenen Kommunen, darunter auch Berlin und Mannheim, finanziell gezielt geholfen werden. So seien Sozialarbeit, ein gutes Quartiersmanagement und die Integration von Schulkindern notwendig. Das Geld sei gut angelegt, so Brücker: "Wir brauchen eine vernünftige Integration dieser Menschen in unsere Gesellschaft. Das zahlt sich aus."
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