Mikroabenteuer

Im Schlafsack unter freiem Winterhimmel

09:06 Minuten
Menschen an einem Lagerfeuer in der Natur bei Nacht
Feuer machen und in der Hängematte übernachten: Das Abenteuer lockt auch zu Hause. © imago images / Westend61
Florenz Gilly im Gespräch mit Susanne Balthasar |
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Es muss nicht immer die große Reise sein. Einfach mal raus und was erleben – das geht auch vor der eigenen Haustür: Reporter Florenz Gilly hat sich auf ein solches Mikroabenteuer begeben.
Um ein Abenteuer zu erleben, muss man seinen Jahresurlaub nicht für eine Fernreise opfern, sondern kann direkt vor der Haustür anfangen. Das ist die Idee hinter sogenannten "Microadventures", ein Begriff, den der Brite Alastair Humphreys geprägt hat und womit kleine Unternehmungen gemeint sind, zu Fuß, mit dem Fahrrad, auf dem Wasser. Hauptsache, sie dauern nicht lang und lassen sich ohne viel Aufwand realisieren.
Das Gesicht dieses Trends in Deutschland ist der Hamburger Coach Christo Foerster. Unter seinem Hashtag #rausundmachen posten mittlerweile Tausende Abenteurer Fotos von ihren Outdoor-Erlebnissen.

Unterwegs bei stürmischer See

Florenz Gilly hat Foerster auf eines seiner Mikroabenteuer begleitet, in der Nähe von Bad Malente-Gremsmühlen in der Holsteinischen Schweiz. Vorgesehen: eine kleine Wanderung, Bootsfahrt mit einem selbst mitgebrachten Schlauchboot und einer Übernachtung in der Hängematte. Also: kein Survival-Training mit selbstgesuchter Nahrung und selbstgebauter Hütte. Im Gegenteil: Christo Foerster hat jede Menge Ausrüstung dabei. Unter anderem ein Schlauchboot, mit dem er auf die Prinzeninsel übersetzen möchte. Eine unbewohnte Halbinsel im Plöner See. 100 Meter Fahrt – und das bei ziemlich stürmischem Wetter. Zu stürmisch. Die beiden Mikro-Abenteurer müssen die Aktion nach nur wenigen Paddelschlägen abbrechen.
Statt zu paddeln, kämpfen die beiden sich nun durch das Unterholz auf die Halbinsel, um dort ihr Nachtlager aufzuschlagen. Denn gemäß der "Regeln" des Foersterschen Mikroabenteuers darf eine geplante Übernachtung nur im Freien verbracht werden.
Da Campen in Deutschland fast überall verboten ist, haben beide Hängematten dabei. Damit "schaukeln" sie in einer juristischen Grauzone. "So ganz wohl war mir trotzdem nicht dabei. Man ist ja doch ziemlich ausgeliefert, wenn man schläft", meint Mikroabenteuer-Neuling Gilly. Aus Sicht Christo Foersters eine irrationale Angst. "Wenn wir uns mal die statistische Wahrscheinlichkeit angucken, dass uns draußen im dunklen Wald nachts was passiert, dann ist die sehr viel geringer, als dass uns in der Großstadt was passiert."

Sich in die Ungewissheit begeben

Und er behält recht: Bis auf ein paar Enten stört niemand die Schlafenden. Auch die Kälte macht den beiden bei milden Januartemperaturen nur wenig zu schaffen. Schließlich sind beide mit einer Art Schürze, einem sogenannten "Underquilt", gegen die Kälte gewappnet. Überhaupt ist Foerster ziemlich "hochgerüstet". Als es nachts zu regnen beginnt, hat er eine Kunststoff-Plane dabei. Alles bleibt trocken.
Weswegen man diesen etwas ungewöhnlicheren Ausflug nun unbedingt als Abenteuer bezeichnen muss? "Weil er eben ganz bewusst noch mal einen rausführt aus den Mustern, die man immer bedient, und vor allen Dingen auch einen lehrt, sich in Ungewissheit zu begeben", meint Foerster. "Viele wollen Abenteuer, aber genau wissen, wie es aussieht, nur das ist dann schon kein Abenteuer mehr in dem Moment."
Gillys Bilanz seines ersten Mikroabenteuers fällt da sehr viel zurückhaltender aus. Neues Mitglied in der Mikroabenteuer-Community werde er wohl nicht. "Dafür fühle ich mich in meiner Komfortzone zu wohl. Und zum Mikroabenteuer, ja: Man kann es belächeln. Man kann es kritisieren. Man kann sich inspiriert fühlen und mitmachen. Man kann es aber auch lassen."
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