Der Mensch ist von einer Wolke aus Bakterien umgeben
Nicht alle Bakterien machen krank. Es gibt auch ungefährliche, sogar nützliche Bakterien. Forscher aus den USA haben nun herausgefunden, dass jeder Mensch von einer individuellen Wolke aus unsichtbaren Bakterien umgeben ist - und so einen mikrobiologischen Fingerabdruck besitzt.
Wenn ein Mensch einen Raum betritt, dann kommt er nicht allein. Eine Wolke aus Millionen winzigen Partikeln schwebt um ihn herum. Es handelt sich um kleinste Organismen, die vom Menschen selbst stammen.
Professor Harald Seifert vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Kölner Universitätsklinik muss nicht lange suchen, er findet die kleinen Lebewesen fast überall auf und im Menschen
"Der Mensch ist besiedelt mit einer Vielzahl von Bakterien. Letztendlich beherbergt er bei sich mehr Bakterien als er Körperzellen hat. Die meisten davon leben im Darm, die allermeisten im Dickdarm, weniger auf den Schleimhäuten von Mund und Rachen oder der Luftröhre beispielsweise. Und ein erheblicher Anteil der Bakterien lebt auch auf der Haut."
Insbesondere die Bakterien auf der Haut sind es, aus denen sich die Mikrobenwolke des Menschen zusammensetzt. Die kleinen Organismen besiedeln die obere Hautschicht.
Wenn ein Mikrobiologe wie Harald Seifert die Haut eines Menschen genauer untersucht, dann entdeckt er unterschiedliche Lebensräume – wie in einem Ökosystem.
"Die Hautfläche ist etwa 1,8 Quadratmeter groß. Und die Bakteriendichte auf der Haut ist sehr unterschiedlich. Sie ist am höchsten im Bereich des Kopfes, sowohl des behaarten Kopfes als auch im Bereich der Stirn, auf den Oberarmen und im Schultergürtel und sehr viel geringer auf den Handflächen, den Fußflächen, den Unterarmen und auch den Unterschenkeln."
Manchmal aber verlassen die Bakterien ihre Heimat, die Haut. Sie werden losgerissen und schweben auf Hautschuppen, Staubkörnern oder völlig frei durch den Raum. Bis zu eine Millionen dieser biologischen Partikel verlässt jede Stunden den Menschen. Wissenschaftler der Universität von Oregon haben die so entstehenden Mikrobenwolken nun genauer untersucht.
Bakterien sind von Person zu Person verschieden
Sie setzten drei Probanden leicht bekleidet in einen Raum und untersuchten dann, welche Bakterien-Arten den Raum bevölkerten. Schnell stieg die Zahl der Coryne- und Propioni-Bakterien. Das sind typische Hautbewohner. Aber auch Streptokokken aus der Mundschleimhaut kamen in steigender Zahl vor, wahrscheinlich aus der Atemluft der Probanden. Insgesamt fanden die Forscher tausend Bakterien-Spezies. Im nächsten Schritt zeigten sie, dass sich die Zusammensetzung der Wolke von Person zu Person unterscheidet. Für den Kölner Mikrobiologen Harald Seifert ist das keine Überraschung.
"Man muss dazu sagen, dass es auch Unterschiede gibt zwischen Neugeborenen, jungen Kindern, älteren Kindern, Erwachsenen und älteren Menschen. Es gibt geschlechtsspezifische Unterschiede, also zwischen Männern und Frauen. Es gibt individuelle Unterschiede. Das heißt: Sie und ich haben sicherlich eine völlig andere Zusammensetzung auf der Haut."
Da liegt die Idee nahe, diese Technik auch zur Aufklärung von Kriminalfällen zu nutzen. Indem man die Spuren der Wolke in der Umgebungsluft eines geschlossenen Raumes nachweist, könnte man herausfinden, ob sich eine bestimmte Person kürzlich in diesem Raum aufgehalten hat.
Ob das möglich ist, lässt sich jedoch nach einem Experiment mit nur drei Versuchspersonen nicht sagen. Bekannt ist, dass es eine Art mikrobiologischen Fingerabdruck jedes Menschen gibt.
"Das geht tatsächlich so weit, dass man sagen kann, dass jeder Mensch eine spezifische Zusammensetzung seiner Hautflora hat. Die ist aber wiederum vollkommen abhängig vom Ort. Auf den Fingerspitzen findet man natürlich eine vollkommen andere Zusammensetzung als auf der Wange oder der Nasenspitze."
In der Mikrobenwolke kommen die Bakterien aus unterschiedlichen Biotopen der Haut zusammen – und dann auch noch die Bewohner des Mundes und der Schleimhäute. Zusammen ergibt das ein großes Durcheinander.
Außerdem können Bakterien zwischen zwei Individuen ausgetauscht werden – bei jedem Körperkontakt. Niederländische Forscher haben in einem Knutschexperiment herausgefunden, dass bei einem Zehn-Sekunden-Kuss etwa 80 Millionen Bakterien ausgetauscht werden. Das heißt aber auch: Mit jedem Kuss und jeder Berührung werden die Mikrobenwolken eines Paares immer ähnlicher.