75 Gramm für das Wohl des Herzens
Die elektrischen Impulse des Herzens können Ärzte messen, indem sie ein EKG machen. Forscher vom Fraunhofer-Institut entwickeln das EKG weiter: Smart Vital misst Herzschlag und Bewegung und überträgt die Daten direkt zum Hausarzt.
Wir sind im Show-Room des Fraunhofer Instituts für Photonische Mikrosysteme in Dresden. Ein dunkel gehaltener Raum mit beleuchteten Vitrinen. Die neusten Erfindungen aus dem Bereich der Mikroelektronik sind hier ausgestellt. Auch das Smart- Vital-3 EKG. Gleich links neben der Eingangstür ist es auf einen durchsichtigen Plastiktorso drapiert. Dr. Andreas Heinig, der Leiter des Projektes, nimmt es ab und bringt es an seinem Kollegen, dem Elektrotechniker Markus Pietsch an. Der macht seinen Oberkörper frei und fungiert ab sofort als Proband.
" ... dieses Gerät wird hier am Oberkörper angelegt ..."
Der Forscher schlingt einen circa drei Zentimeter dicken, weißen Plastikgurt um die Brust seines Kollegen. Daran hängt eine Plastikschale. Das ist die Vorrichtung für das handygroße EKG-Gerät.
"... dann klebe ich hier vier runde Pflaster auf. Dann werden die Elektrodenstecker angesteckt ..."
Nun klickt er die Elektrodenstecker mit einem Druckknopf auf die runden Pflaster. Zwei über der Brust von Markus Pietsch und zwei am Bauch.
"Ist es so bequem?"
"Ja ist sehr bequem"
Ein Fliegengewicht gegen ein EKG-Gerät
Die Drähte der vier Elektroden führen zu dem EKG-Gerät. 75 Gramm wiegt es. Und weil es so klein ist, haben die Wissenschaftler es Smart Vital genannt. Verglichen mit dem ersten Langzeit EKG-Gerät aus den 50-er-Jahren ist es ein Fliegengewicht. 45 Kilo wog die Erstausführung. Der Erfinder Norman Holder trug es in einer Art Rucksack 24 Stunden auf dem Rücken. Mit heutigen, kleinen AKG-Geräten dauern die Aufzeichnungen mindestens 24 Stunden bis zu mehreren Tagen.
Andreas Heinig: "Es ist so, dass Erscheinungen gesucht werden, die nur sehr selten vorkommen. Das heißt, es ist durchaus häufig der Fall, dass man nach den 24 Stunden noch nicht gesehen hat, was man sehen wollte. Dann bekommt der Patient das Gerät noch mal mit und muss es weitere 24 Stunden tragen, so lange bis der Arzt gesehen hat, was er sehen will."
Nun steckt der Doktoringenieur für Elektrotechnik das Mini EKG in die Plastikschale, die vor dem Brustbein seines Kollegen hängt, und schaltet es ein.
"So jetzt ist das erledigt. Jetzt im Moment läuft eine direkte Funkübertragung. Sie können hier sehen, das ist ihr EKG. Sie Signale sehen sehr schön aus."
Jedes Mal wenn das Herz schlägt, geht dem ein elektrischer Impuls voraus. Dieser Impuls wird nun auf der Haut von Markus Pietsch gemessen. Aber nicht nur das. Das Gerät der Fraunhofer Forscher hat zwei Funktionen dazu bekommen:
"Zum einen die Bewegungserkennung ..."
Laufen, rennen, stehen, schlafen, Treppen steigen. Alles wird genau dokumentiert. Die Auswertung werde so viel genauer.
" ... zum anderen die Funkübertragung."
EKG Daten über Bluethoot
Smart Vital wertet die Daten selbstständig aus und schickt auffällige Daten zum Arzt, per Mail oder als Sprachausgabe. Dafür bekommt der Patient einen so genannten Gateway, einen Mini PC, mit nach Hause. Elektroingenieur Andreas Weder kümmerte sich um die drahtlose Datenübertragung und hat die Software für den Gateway geschrieben.
Andreas Weder: "Also das Getway ist ungefähr zehn mal zehn Zentimeter groß, darauf startet ein ganz normales handelsübliches Windows XP, startet direkt von SD Karte und hat auf der Rückseite eine Bluetooth Empfänger."
Über Bluethooth empfängt er die kritischen EKG Daten und leitet sie per Internet weiter.
"Prinzipiell läuft das ganz autonom, man stellt es einfach in die Wohnung und es braucht deutlich weniger Strom als ein richtiger PC, weil ja nur so eine kleine Hardware dran ist."
Ist der Patient nicht zu Hause, kann sein Handy die Funktion des Gateways übernehmen und die Daten weiter schicken. Prof. Dietrich Pfeiffer, leitender Kardiologe an der Medizinischen Universitätsklinik in Leipzig, kann sich das gut in der Praxis vorstellen.
Dietrich Pfeiffer: "Wenn ich auf diese Weise mit so einem Gerät nur die Information heraus filtere, die ich brauche, die den Patienten vor Problemen, Komplikationen bewahrt und damit Zeit einspart, für viele Untersuchungen, auf dem Lande weite Fahrten, übers Internet kann man natürlich aus andern Ländern, anderen Kontinenten, solche Informationen übertragen, dann sparen alle Beteiligten Zeit. Der Patient, der Arzt auch und diese Zeit steht dann wieder anderen, wirklich Kranken zur Verfügung."
Und die Datenflut? Können Ärzte das bewältigen? Ein großes Thema!
"Das ist die Sorge vieler Ärzte, dass sie zugeschüttet werden mit unendlich vielen Informationen von denen die weitaus große Anzahl Normalbefunde sind und dann geht möglicherweise in so einem Wust von Normalinformation ein Schwerwiegender Befund verloren. Andererseits, wenn eine Filterstation vorher da ist, die diese Information vorauswertet und nur eindeutig krankhafte und schwerwiegende Befunde weiter gibt... also Entlastung für alle Beteiligten."
Die Testmessungen der Mitarbeiter vom Fraunhofer Institut sind inzwischen beendet
Pietsch: "Wie ist es denn mit ihrem EKG ergangen?"
Heinig: "Ja, es hat mich nicht behindert in meinem Tageablauf. Ich hoffe, dass die Daten auch alle drauf sind."
Transportable Notrufstation
Das EKG von Markus Pietsch hat während der letzten Stunden keine Daten gesendet. Das bedeutet, es gab keine Auffälligkeiten. Andreas Heinig nimmt Smart Vital aus der Plastikschale und schließt es über USB an den Computer an.
Anhand der EKG Kurve und der Bewegungsauflistung schätzt Andreas Heinig nun ein, ob sein Kollege ein Herzproblem hat.
"Hatten sie denn Beschwerden in dem Zeitraum"
"Ja, mehrfach war mir etwas komisch zumute ..."
Wäre so ein transportables Gerät nicht auch als Notrufstation geeignet, zum Beispiel im Falle eines Herzinfarktes?
Andreas Heinig: "Technisch wäre es möglich, aber es müsste dann eine bestimmte Service dahinter stehen, es muss garantiert sein, dass immer eine Funkverbindung besteht, was schon technisch nicht immer möglich ist. Also das geht von gesetzlicher Seite nicht."
Forscher Markus Pietsch kann nun ohne EKG weiter arbeiten. Nebenbei hat er erfahren, dass sein Herz einwandfrei funktioniert. Wenn ihm komisch war, dann wohl, weil er den Berg Arbeit auf seinem Schreibtisch gesehen hat.