Mikrokredit-Projekt in Hamburg

Vom Flüchtling zum Unternehmer

Ein syrischer Flüchtling schneidet einem Deutschen die Haare.
Friseure aus dem arabischen Raum beherrschen häufig nur Männerhaarschnitte. Durch eine Ausbildung in Deutschland können sie auch die weiblichen lernen. © picture alliance / dpa / Caroline Seidel
Von Axel Schröder · 11.05.2016
Eine Anstellung für Flüchtlinge ist gut. Noch besser ist es, wenn sie Existenzgründer werden, denn so entstehen meist weitere Arbeitsplätze. Hamburg will solche Unternehmensgründungen mit Mikrokrediten unterstützen. Ein paar Hürden sind dafür aber zu überwinden.
Die Idee der Hamburger Mikrokredite ist ein rot-grünes Projekt: Anjes Tjarks, Fraktionschef der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft und Hansjörg Schmidt von der SPD hatten sich Anfang des Jahres zusammengesetzt und sich gefragt: Wie kann der Unternehmergeist von Flüchtlingen gestärkt werden?
"Wenn sie jemanden abhängig beschäftigen, dann ist das eine Person. Wenn sie jemandem die Existenzgründung ermöglichen, dann wird der vielleicht irgendwann drei, vier weitere Personen beschäftigen. Das heißt, das ist ein guter Hebel, um am Ende Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, und wir wollen das möglich machen. Und letztlich ist es so, dass es nicht besonders kostenintensiv ist. Das heißt, es ist leicht skalierbar und nach oben offen."
Ganz ohne zusätzliche Qualifikation seien diese Existenzgründungen wohl aber nur in den seltensten Fällen möglich. Aber wer in Syrien ein Restaurants geführt habe, der könne das auch in Deutschland schaffen, so Hansjörg Schmidt.
"Dem muss man natürlich ein bisschen Bürokratie und unsere Anforderungen im Bereich im Bereich Hygiene und so was erklären. Und dann kriegen das aber auch hin!"
Im Schnitt würden durch eine Unternehmensgründung fünf Arbeitsplätze entstehen, so Hansjörg Schmidt. Voraussetzung für die Bewilligung eines Mikrokredits sei ein gesicherter Aufenthaltsstatus. Menschen aus sicheren Herkunftsländern, die nach Prüfung ihres Asylantrags aller Voraussicht nach Deutschland wieder verlassen müssen, kommen dafür nicht in Frage. Zudem muss ein überzeugender Businessplan vorgelegt werden, der dann von den Beratern der Hamburger Investitions- und Förderbank geprüft wird - nach den gleichen Kriterien, die auch für deutsche Existenzgründer gelten.

Fähigkeiten von Flüchtlingen schon in der Erstaufnahme klären

Die Suche nach potentiellen Unternehmern unter den Flüchtlingen wird erleichtert durch die Ergebnisse des so genannten W.I.R.-Programms. W.I.R. steht für "Work and Integration for Refugees". Die Idee: Schon in den Erstaufnahmeunterkünften werden Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive zu ihren Fähigkeiten befragt. Marcel Schweitzer von Hamburger Behörde für Arbeit und Soziales:
"Wir schauen: Wie ist die Lebensperspektive? Welche Möglichkeiten hat dieser Mensch in Deutschland, in Hamburg? Welche Fähigkeiten bringt er mit? Wo müssen wir ansetzen, damit er auf dem Arbeitsmarkt in Hamburg auch Fuß fassen kann?"
Beim Hamburger W.I.R.-Programm arbeitet ein 40-köpfiges Team aus ganz verschiedenen Institutionen zusammen: Eingebunden sind die Arbeits- und Sozialbehörde, die Agentur für Arbeit, das Jobcenter, Vertreter der Flüchtlingshilfe und die Handels- und Handwerkskammer der Stadt. Auf diese Weise können Perspektiven für Flüchtlinge frühzeitig erarbeitet werden. Denn andernfalls geht - bis zum Abschluss des Asylverfahrens - viel Zeit verloren. Viel Zeit, die die Menschen sonst untätig in den Erstaufnahmeunterkünften verbringen müssten.

Zum Männerhaarschnitt noch weibliche Schnitte lernen

1500 Flüchtlingen wurden bisher nach ihren Qualifikationen befragt, um so auch herauszufinden, wo noch Weiterbildungsbedarf besteht. Unabdingbar seien diese persönlichen Befragungen, so Marcel Schweitzer, denn ausländische Berufsausbildungen und Abschlüsse seien oft einfach nicht den deutschen vergleichbar:
"Zum Beispiel, dass Friseure aus dem arabischen Raum eben nur männliche Haarschnitte machen können. Oder, wenn man Haare färbt, färbt man sie im arabischen Raum eher auffällig. In Europa sind gefärbte Haare aber eher dann gewünscht, wenn sie natürlich sind. Das ist sehr, sehr spannend zu sehen. Und das findet man nur dann heraus, wenn man sich mit den Menschen in der Lebenslagenberatung so intensiv auseinandersetzt, dass sie so etwas auch erzählen. Und wir haben dann die Möglichkeit zum Beispiel bei einem männlichen Friseur, ihm durch die Handwerksausbildung noch weibliche Haarschnitte beizubringen."
Damit er dann, wenn er ein Bleiberecht in Deutschland bekommt, seinen eigenen Friseursalon eröffnen kann. Anjes Tjarks und Hansjörg Schmidt, die Initiatoren des Hamburger Mikrokredit-Modells für Flüchtlinge gehen von einer maximalen Fördersumme von rund 20.000 Euro pro Unternehmensgründung aus. Die Ausfallrisiken würden deshalb überschaubar bleiben.
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