Milchbauern vor dem Ruin

Von Almuth Knigge |
14 Cent pro Liter Milch reichen nicht zum Überleben. Um dem Bankrott zu entgehen, lassen die Bauern ihre Kühe wieder älter werden. Andere sind unter dem Kostendruck gezwungen, die Tiere zu verkaufen.
Die Schwalben sind da und der Raps fängt an zu blühen – in ein paar Tagen färbt sich die Landschaft in Mecklenburg-Vorpommern golden. Mittendrin – wie von den Impressionisten hingetupft, ein paar alte Gehöfte - so stellt man sich ländliches Idyll vor. Doch davon ist nicht mehr viel zu spüren. Die Landwirtschaft im Nordosten ist hochindustrialisiert - und rationalisiert. Die Bauern stehen unter Kostendruck – vor allem durch den Milchpreis.

"Auf meiner Milchabrechnung stehen 24 Cent Grundpreis, und wenn ich Mecklenburg-Vorpommern nehme, dann schwankt das bis zu 19 Cent runter und das ist ein Preis, womit keiner leben kann."

Damit geht es dem Präsidenten des Bauernverbandes im Nordosten, Rainer Tietböhl, noch vergleichsweise gut. Verluste aus dem Milchbetrieb kann er, noch, durch den Marktfruchtbetrieb ausgleichen. Dieter Voss konnte das nicht mehr:

"Letztes Jahr im Mai, da waren wir irgendwo bei 40 Cent pro Kilo Milch und Anfang des Jahres hat sich das so zugespitzt, dass wir nur noch 18,5 Cent bekommen, aber die Milch kann ich produzieren für 28 Cent."

Das heißt konkret - mehrere hundert Euro Verlust pro Tag.

"Diese Verluste kann ich nicht ewig vor mir herschieben, ich muss ja mal die Aussicht haben, dass auch wieder höhere Preise kommen, und die sind im Moment nicht da, und da haben wir uns entschlossen, schweren Herzens, die Kühe zu verkaufen."

Dieter Voss musste die Notbremse ziehen. Ganz aufgeben kam aber nicht in Frage. Schließlich ist der Bauernhof seit über 800 Jahren in Familienbesitz. Den früheren Kuhstall hat er zu einem Hofcafé umgebaut.

"Ich muss den Stall noch zehn Jahre bezahlen, und dazu brauch ich die Einnahmen. Der ganze Stall ist seinerzeit mal kalkuliert mit 60 Pfennig Milchpreis, darauf ist die Finanzierung ausgerichtet, und wenn ich nur 18 Cent bekomme, erreiche ich den Preis nicht."

Um der Bankrottwelle auf dem Milchmarkt zu begegnen, ziehen die Bauern die Kostenschraube noch weiter an: Sie lassen ihre Kühe wieder älter werden und bessern damit die Geschäftszahlen auf. Bislang standen die Tiere in Mecklenburg-Vorpommern im Schnitt 4,3 Jahre auf dem Hof. Wirtschaftlicher wäre es, die Tiere elf Jahre zu halten, aber das sind nicht die einzigen Maßnahmen, befürchtet Rainer Tietböhl, mit denen auf die Krise reagiert wird:

"Es werden alle unnötigen Kosten einfach nicht mehr gemacht, man muss überlegen, ob man sich selbst noch Lohn zahlt, dann muss man überlegen, ob man Kredittilgung aussetzt, und viele Landwirte sind auch dabei, dass sie keine Versicherung mehr zahlen, sie werden ans Finanzamt nicht mehr bezahlen, Futterrechnungen, Handwerker, also das ist ein Ball, der anfängt zu rollen jetzt."
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