Warnschuss gegen Spekulanten
In Frankfurt am Main gibt es in einigen Stadtteilen schon seit längerem einen Milieuschutz. Jetzt wurde das Gesetz erstmals auch angewendet. Die Stadt stoppte einen Spekulanten, indem sie ihr Vorkaufsrecht nutze - und hofft nun auf eine abschreckende Wirkung.
Frankfurt-Bockenheim, ein quirliges Multi-Kultiviertel im Westen der Stadt. Türkische Gemüseläden reihen sich hier an Schnellrestaurants, Szenecafés und alternative Hinterhof-Theater. Auch viele Studierende wohnen gerne hier, da ein Teil der Frankfurter Goethe-Uni im Stadtteil liegt und die Mieten vergleichsweise günstig sind.
Weil das bis zu einem gewissen Grad so bleiben soll, hat die Stadt das Viertel unter den sogenannten Milieuschutz gestellt:
"Ich habe selbst in einer Seitenstraße als Kind mal gewohnt und kenne auch viele Leute, die in Bockenheim wohnen. Das war ein sehr klassisches Milieu. Wir können ja auch nicht sagen, wir erklären zu jedem Stadtteil eine Milieuschutz-Satzung. Sondern da muss wissenschaftlich nachgewiesen werden, da gibt es auch noch so ein Milieu. Da hat noch nicht eine so starke Verdrängung stattgefunden, dass da kein Milieu mehr zu schützen ist."
Beschreibt Manuel Stock die Ausgangslage: Der Fraktionsvorsitzender der Grünen, die gemeinsam mit SPD und CDU die Stadtregierung bilden, hält es für richtig, in solch ausgewiesenen Gebieten auch mal direkt einzugreifen und etwa vom Vorkaufsrecht der Stadt Gebrauch zu machen. Dann wenn etwa die Vertreibung studentischer Wohngemeinschaften durch einen Luxus-Sanierer droht:
"Das ist eine sehr schwierige Herangehensweise, das muss dann auch wirklich gerichtsfest sein, das ist ja das entscheidende. Es nützt ja keinem Mieter was, wenn wir hier Placebo-Politik machen. Und in Bockenheim ist das noch der Fall. Und da haben wir gesagt: Okay, da müssen wir als Stadt dann auch dafür sorgen, dass dann auch im Rahmen unserer Möglichkeiten dieses Milieu so erhalten bleibt, das auch beispielsweise Studierende in Bockenheim eine Wohnung leisten können."
"Ein Signal in die Stadt hinein"
Konkret stoppte die Stadt im Viertel einen Spekulanten, der ein altes Mehrfamilienhaus kaufen und aus großen Altbauwohnungen viele kleine Luxusappartements machen wollte. Das zu verhindern war möglich, weil in Stadtteilen mit Milieuschutzsatzung private Hauskäufer, die ihre neu erworbenen Objekte umbauen wollen, grundsätzlich die Baupläne den Behörden vorlegen müssen. Diese prüfen dann, ob es sich um eine geplante Luxus-Modernisierung handelt. Wenn das der Fall ist, kann die Stadt ihr Vorkaufsrecht nutzen.
Städte wie München haben mit diesem Instrument öffentlicher Wohnungspolitik schon gute Erfahrungen gemacht, weiß Sieghard Pawlik, Wohnungspolitiker der SPD im Frankfurter Lokalparlament. Die hessische Metropole hat zwar in der Vergangenheit bereits einige Milieuschutzsatzungen erlassen: Das Vorkaufsrecht für Häuser, die von Luxussanierung bedroht waren, wurde aber bisher noch nicht angewendet, kritisiert Sieghard Pawlik:
"Frankfurt macht zum ersten Mal von dem Vorkaufsrecht Gebrauch. Es ist eine handwerkliche Möglichkeit, gegen Wohnungsspekulation und explodierende Mieten vorzugehen. Und das ist das Bemerkenswerte, dass die Stadt Frankfurt jetzt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht hat. Es ist nicht nur eine Hilfe für die betroffenen Mieterinnen und Mieter, sondern ist ein Signal in die Stadt hinein, dass die Stadt bereit ist, sich als Schutzmacht für ihre Bewohnerinnen und Bewohner, für ihre Mieterinnen und Mieter und damit gegen Wohnungs-Spekulation und damit gegen spekulativ steigende Mieten zu stellen."
Für die bisherigen Mieter ändert sich nichts
Im konkreten Fall wollte ein privater Investor ein rund 100 Jahre altes Haus mit elf Wohneinheiten und kleiner Gaststätte im Erdgeschoss kaufen und die Wohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln. Diesen Plan musste er den Behörden vorlegen. Die wiederum von dem Investor eine Erklärung verlangten, dass er auf die Umwandlung der Mietwohnungen in Eigentumswohnungen sowie auf Luxusmodernisierung verzichte.
Diese Verzichts-Erklärung wollte der Investor jedoch nicht abgeben. Deshalb kauft die Stadt das Haus jetzt selbst vom ursprünglichen Besitzer – für rund zwei Millionen Euro. Der Preis ergab sich aus dem von einem unabhängigen Gutachter ermittelten Verkehrswert des Gebäudes, der Lage, Bausubstanz und bisherige Mieteinnahmen berücksichtigt. Für die bisherigen Mieter ändert sich damit nichts, die Stadt wird lediglich zum neuen Vermieter.
Diese erstmalige Anwendung des Vorkaufsrechts in Frankfurt soll Spekulanten abschrecken. Daraus machen die Politiker der schwarz-rot-grünen Regierungskoalition kein Geheimnis. Auch die CDU-Politiker in der Stadtregierung nicht. Und das trotz des Protestes des Hauseigentümer-Verbandes "Haus und Grund" sowie der oppositionellen FDP. Deren Argumentation: Eine Milieuschutzsatzung sei ein "populistischer und dirigistischer Markteingriff, der Investitionen in Wohnraum" erschwere.
"An neue Mieter zu sehr viel höheren Mieten"
Nils Kößler, wohnungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion sieht das anders. Er will wie seine Fraktion auch weitere Gebiete der Stadt unter Milieuschutz stellen – etwa das Ostend in der Nähe des Hochhaus-Neubaus der Europäischen Zentralbank:
"Wir haben den Effekt der sogenannten Gentrifizierung. Das heißt eine Verdrängung der angestammten Bevölkerung durch in größerem Maße stattfindende Luxussanierungen. Das ist eine Entwicklung, dass in größerem Ausmaß Gebäude und Wohnungen umstrukturiert werden, saniert werden und dann zu sehr viel höheren Mieten an neue Mieter vergeben werden. Und das hat dann in diesen besonders angestammten Wohnbereichen zur Folge, dass die frühere Mieterschaft in einem nachweisbaren Ausmaß auch verdrängt wird aus den Stadtteilen Und diesem Verdrängungseffekt soll entgegengewirkt werden unter anderem gegen die sogenannte Milieuschutz-Satzung."