Militär und Pazifisten diskutieren auf dem Katholikentag

Mit Waffen Frieden schaffen?

Eine Ehrenformation der deutschen Bundeswehr soll 2016 im Rahmen eines UN-Marineverbandes Waffenlieferungen an die radikal-islamische Hisbollah im Libanon verhindern.
Eine Ehrenformation der deutschen Bundeswehr soll 2016 im Rahmen eines UN-Marineverbandes Waffenlieferungen an die radikal-islamische Hisbollah im Libanon verhindern. © dpa / picture-alliance
Von Burkhard Schäfers |
Muss man militärisch eingreifen, wenn ein Völkermord droht? Oder ließen sich solche Konflikte durch bessere Präventionsarbeit und mehr Entwicklungshilfe vermeiden? Darüber stritten Pazifisten und Militärs auf dem Katholikentag.
Auf der Kirchenmeile, auf der sich bei Katholikentagen verschiedenste Organisationen präsentieren, steht das Info-Zelt der Gemeinschaft katholischer Soldaten nur 50 Schritte weg von der Friedensbewegung Pax Christi. In ihren Positionen sind Militär und Pazifisten weiter voneinander entfernt. In Münster aber debattieren sie miteinander. So hält der katholische Friedensaktivist Peter Bürger einem hochrangigen Vertreter der Bundeswehr entgegen:
"Violence doesn't work – Gewalt funktioniert nicht und verbreitet nur Tränen und Traurigkeit und Leid – aber nie eine Lösung."
Rüdiger Attermeyer, Vorsitzender der Gemeinschaft katholischer Soldaten, sieht das naturgemäß anders:
"In einer Welt, in der Gewalt noch immer vorhanden ist, halten wir 'dem Gewalttätigen in den Arm fallen', der Gewalt entgegen zu treten, für einen legitimen Ansatz. Und manche gewaltlosen Ideen, wie etwa Gandhi das propagiert hat, in völliger Gewaltlosigkeit, das halte ich für realitätsfremd."

Darf Frieden auch mit militärischen Mitteln gesucht werden?

Wie lautet sie also, die richtige Antwort eines Christen auf die Frage, ob Frieden auch mit militärischen Mitteln gesucht werden darf? Oberst Attermeyer diskutiert in Münster unter der provozierenden Überschrift "Soldaten als Friedensstifter".
"Wenn als äußerstes Mittel Waffen eingesetzt werden müssen, dann müssen diplomatische Bemühungen, langfristig gesehen Entwicklungshilfe zur Konflikteindämmung oder Konfliktvermeidung, die müssen erfolglos angewandt sein oder von vornherein nicht erfolgversprechend sein. Dann erst halten wir den Einsatz von Waffen überhaupt für legitim."

"Die Formen von Gewalt sind sehr viel vielfältiger geworden"

Natürlich wird Attermeyer immer wieder gefragt: Glauben und Soldat-Sein – wie geht das überhaupt zusammen? Sein Argument: In einer unfriedlichen Welt braucht es die ordnende Hand. Denn Krieg und Terror bedrohen das Leben vieler Menschen.
"Wir dachten mal – Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, der große Frieden wäre ausgebrochen – ich denke das war trügerisch. Wenn wir das summieren, sind die Formen von Gewalt sehr viel vielfältiger geworden."
Während die Betenden Friedenslieder singen, spricht Angela Merkel beim Katholikentag. Kurz nachdem US-Präsident Donald Trump den Ausstieg Amerikas aus dem Iran-Abkommen angekündigt hat – mit unabsehbaren Folgen für den Nahen und Mittleren Osten. Und die Bundeswehr steht, mandatiert vom Bundestag, weltweit in verschiedenen Auslandseinsätzen. Angela Merkel:
"Der Aspekt, der natürlich unter Christen eine große Rolle spielt, ist die Frage, welche Rolle hat in der Friedenssicherung das Militärische. Militärischer Einsatz ist die Ultima Ratio. Konfliktlösung heißt immer politische Anstrengung, Anstrengung zur Entwicklung, aber eben auch Herstellung von Sicherheit."

Merkel mutet ihrem Publikum Insiderfragen zu

Dies gehe nicht nur mit deutschen Soldaten, erklärt die Bundeskanzlerin. Deshalb unterstütze Deutschland zudem ausländische Truppen mit Geld und militärischem Fachwissen. Merkel mutet ihrem Publikum auch Insiderfragen der internationalen Sicherheitspolitik zu. Sie spricht über die Terrorbekämpfung in der Sahelzone.
"Ich habe intensive Gespräche mit Präsidenten afrikanischer Staaten geführt. Zum Beispiel mit dem nigrischen Präsidenten. Der sagt: Mein Land ist eines der ärmsten in Afrika. Ich habe kein Geld, um meine eigene Bevölkerung zu verteidigen. Aber ohne Sicherheit kann ich auch keine Entwicklung betreiben. Wir haben jetzt entschieden, diese terroristische Eingreiftruppe der fünf Staaten der Sahelzone zu unterstützen. Denn Soldaten, die nicht bezahlt werden, werden auch nicht gegen Terroristen kämpfen."

Müssen Staaten bei Völkermorden intervenieren?

Das echte Leben spielt also eine Rolle in den Katholikentags-Debatten über Waffengewalt. Eine der schärferen Kontroversen entspinnt sich bei der Diskussion um militärische Einsätze unter der Überschrift "Responsibility to protect": Haben Staaten eine Verantwortung, bei Völkermorden zu intervenieren? Sprich: Menschen auf fremdem Staatsgebiet zu schützen und damit in die Autonomie dieser Länder einzugreifen? Der katholische Pazifist Peter Bürger findet, schon die Frage setze den falschen Fokus.
"Ich ärgere mich, weil das ständig die Strategie ist, dass man die Ultima Ratio zum Hauptthema macht. Und wir dann nicht darüber sprechen müssen, dass die Ungleichgewichte der Budgets so wahnsinnig ist. Die Weltgesellschaft erlaubt es sich, 1700 Milliarden jährlich in den Kriegsapparat reinzustecken. Aber für die Instrumente, die nötig sind, präventiv – um Genozide zu verhindern, steht de facto kein Haushalt zur Verfügung."

Muss genausoviel Geld für Entwicklungshilfe ausgeben werden wie fürs Militär?

Der Pax-Christi-Mann fordert von den politisch Handelnden einen "radikalen Paradigmenwechsel zum Frieden": Die Ausgaben für Militär und Entwicklungshilfe müssten gleich hoch sein. Denn: Peter Bürger hält jüngere internationale Krisen-Interventionen rückblickend betrachtet für gescheitert.
"Wenn man drei Jahrzehnte dieser vorgeblich menschenfreundlichen Kriegseinsätze sich anschaut, dass das, was man vorgeblich erreichen will, am Ende nicht erreicht wird. Also ich stimme nicht zu den Brüdern aus dem katholischen Militärgefüge, die Kosovo und Afghanistan für gelungene Beispiele halten. Mit den Summen, die da reingesteckt wurden, hätten wir den Welthunger wirklich aufheben können."

Wenn die Bundeswehr im Kindergarten Nachwuchs rekrutiert

Das würde wohl auch Kathrin Vogler von der Linkspartei unterschreiben. Auf dem Katholikentag Plus, einer Veranstaltung amtskirchenkritischer Initiativen außerhalb des offiziellen Programms, spricht die Bundestagsabgeordnete über Aktionen der Bundeswehr in Schulen und Kindertagesstätten. Um sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren, organisiert die Bundeswehr Kinderfreizeiten, Kasernenführungen und lädt Kinder zum Besuch auf Truppenübungsplätzen ein.
"Da ist bei der Kindertageseinrichtung Benjamin Blümchen bei zwei- bis sechsjährigen Kindern als Programm Kindertag, Spiele, Laternenumzug. Oder bei der Kita Märchenland haben sie ein Programm gemacht mit Kindern bis sechs Jahren: Leben im Felde. Intensiv wird schon in diesem sehr frühen Stadium versucht, Kindern die Normalität des Soldatenlebens zu vermitteln."

Braucht es eine neue Friedensbewegung?

In Münster wird ernsthaft gerungen: Um die richtige Balance zwischen notwendiger Sicherheit und übertriebener Aufrüstung. Es geht um deutsche Waffenexporte, Spiralen von Gewalt und Gegengewalt, um Syrien. Der Münsteraner Bischof Felix Genn fordert eine neue Friedensbewegung.
"Ich bin in den 60er-Jahren Jugendlicher gewesen, damals gab es Massendemonstrationen gegen den Vietnam-Krieg, gegen Biafra-Krieg. Wo ist die Demonstration gegen den Syrienkrieg?"
Schon zur Eröffnung des Katholikentags demonstrierten Kurden aus Syrien mit Plakaten "Suche Frieden in Afrin" – und machten so deutlich, wie drängend die Frage ist.
"Wir werden mit unseren Möglichkeiten alles versuchen, die Menschen die hier in Münster zu Besuch sind, dahingehend zu sensibilisieren, dass sie aktiv den Frieden finden sollen und sich aktiv mit uns für den Frieden einsetzen sollen. Sodass die Politiker oben keine Kriegsaktionen durchführen, wie zum Beispiel Waffenexporte."
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