"Kampfeinheiten haben bestimmte Stammeskulturen"
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Sind falsche Loyalitäten ein Problem beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr? Kampftruppen hätten ein bestimmtes "Mindset", sagt der Militärhistoriker Sönke Neitzel. Solche Soldaten suchten Vorbilder, die gekämpft haben – auch in der Wehrmacht.
Vor dem Landgericht Leipzig muss sich jetzt ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) verantworten. In seinem Garten waren Waffen, mehrere tausend Stück Munition und Sprengstoff gefunden worden.
Dem 45-jährigen Oberstabsfeldwebel wird vorgeworfen, gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz verstoßen zu haben. Außerdem besaß der Mann zahlreiche Schriften mit rechtsextremen Inhalten, darunter ein SS-Liederbuch.
Die Bundeswehr habe zwar in 65 Jahren schon einige Waffen und Munition durch Diebstahl verloren, sagt der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel: "Aber Sprengstoff mit den Zündern, das ist meines Wissens der erste Fall." Im Umfeld der Bundeswehr gebe es natürlich Waffennarren und -sammler, aber entwendeter Sprengstoff sei eine besondere und ganz neue Qualität.
Der Krieg als Handwerk
Der Historiker verlangt Ehrlichkeit im Umgang mit den Aufgaben des KSK: "Wenn wir Kampftruppen haben wollen: Die haben ein bestimmtes Mindset." Die soziale Praxis von Kampfsoldaten sei nun mal zu kämpfen, so Neitzel. Er verweist auf die "Stammeskulturen der Kampfeinheiten" - die gebe es sowohl in Armeen wie der Wehrmacht als auch in solchen wie der Bundeswehr: "Da kann man schon Parallelen sehen. Der Krieg ist eben auch ein Handwerk."
Für Soldaten gebe es einen Bedarf an Vorbildern, die als traditionswürdig angesehen würden, betont Neitzel. Das könnten nach wie vor auch einzelne Wehrmachtssoldaten sein, obwohl das eigentlich nicht gestattet sei: "Dann ist das Vorbild eben nicht der Sandsack schleppende Pionier beim Elbhochwasser, sondern ein Soldat, der auch gekämpft hat." Gerade bei den Panzertruppen lande man sehr schnell bei der Wehrmacht, denn "das war das letzte Mal, dass die Panzertruppe wirklich gekämpft hat".
Die Führungskultur als "Kopfgeburt"
Das erst 1996 aufgebaute KSK habe allerdings keinen Vorläufer in der Wehrmacht: Es sei "ein ganz eigener Haufen" mit einer eigenen Kultur und Einsätzen. Die KSK-Soldaten bezögen sich eher auf Spezialkräfte der britischen und amerikanischen Armee.
Die Führungskultur bei der Bundeswehr, das Konzept der "Inneren Führung", sieht Neitzel kritisch: Es sei eine "ziemliche Kopfgeburt", die bei jüngeren Soldaten und niedrigen Dienstgraden weniger verbreitet sei als bei den älteren Stabsoffizieren.
Das bedeute nicht, dass die Bundeswehr undemokratisch sei, sagt der Historiker: Doch viele Konzepte der Bundeswehr, wie der "Staatsbürger in Uniform", seien nur ein Label, die die deutsche Armee wie eine Monstranz vor sich hertrage.
(cre)