Militärparaden
Die Militärparade mit ausländischen Staatsgästen zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli 2019 in Paris. © picture alliance / ANP / Bart Maat
Wozu dient der Aufmarsch der eigenen Armee?
06:51 Minuten
Zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli findet in Paris wieder eine große Militärparade statt. Das Präsentieren der vermeintlichen Stärke der eigenen Streitkräfte hat weltweit eine lange Tradition.
„Wir marschieren die Champs-Élysées, also nicht ganz vom Arc de Triomphe, weil die letzten Truppen sind ganz hinten und wir sind halt mehr nach vorne, aber ein großer Teil bis zum Place de la Concorde.“
Raphael Loder, einen Militärschüler, ist es eine Ehre der jährlichen Militärparade zum 14. Juli in Paris teilzunehmen. Schließlich gilt es, den Sturm auf die Bastille zu feiern.
„Aber ich glaube, was man an diesem Tag wirklich begehen kann. Das ist dieses wunderbare Motto, also Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit. Das ist im Grunde das europäische Motto.“
Seit vielen Jahren sind auch ausländische Truppen auf der Parade vertreten. 1994 waren zum ersten Mal auch Bundeswehrsoldaten dabei. Für Heiner Bröckermann, Leiter des Bereichs historische Bildung am Zentrum für Sozialwissenschaften und Militärgeschichte der Bundeswehr, zeigt das, wie modern die Parade ist.
„Auf der anderen Seite ist es natürlich ein französischer Nationalfeiertag.“
Und damit für die Menschen in Frankreich eine sehr französische Veranstaltung. Die Feier der Nation geht seit 1880 mit der Heeresschau Hand in Hand. Am 14. Juli gegen 10:00 Uhr ist es wieder soweit.
Neun Kunstflieger werden die Trikolore in den Pariser Himmel zeichnen, ihnen folgen mehr als 60 moderne Kampfjets und Dutzende Hubschrauber. Darunter marschieren über 6000 Männer und Frauen gefolgt von über 200 modernen Militärfahrzeugen.
„Man versucht, die Technik auch das Neueste einzubauen. Ich erinnere mich nur an diesen Menschen, der da allein flog, mit seinem Tornister, das war sehr beeindruckend dort.“
Verraten Militärparaden etwas über eine Armee?
Militärparaden, die die modernste Kriegstechnik auffahren, gibt es in vielen Ländern. Etwa zu National- und Gedenktagen in Belgien Chile und Bangladesch, aber auch in der Türkei, Russland und China. Eine gute Gelegenheit für ausländische Sicherheitsdienste sich über den Bestand der Armeen zu informieren?
„Das macht eigentlich nur Sinn, in dem System, wo es eben sonst nicht möglich ist, hinzuschauen. Und das sind halt Systeme wie Nordkorea, China und Russland.“
Die würden Ihre Waffen aber auch auf Verkaufsmessen präsentieren. Trotzdem sei eine Parade immer noch eine gute Gelegenheit, ausländische Beobachter zu beeindrucken.
Das war auch im Preußen des 18. Jahrhunderts das Ziel der Aufmärsche. Damals ist auch die bis heute übliche Form der Parade entstanden: Gleichschritt, militärischer Drill und Marschmusik in schneller und langsamer Variante.
„Und dieses Bild eines Uhrwerkes, wo Menschen quasi wie ein Uhrwerk funktionieren und eigentlich ihre Individualität aufgeben und dann in diesem Heereskörper wirken, das ist typisch 18. Jahrhundert.“
In Preußen, dem Kaiserreich und der Weimarer Republik waren Militärparaden eine feste Tradition. In Nazideutschland fanden sie regelmäßig an Hitlers Geburtstag statt. Auch bei den Reichsparteitagen der NSDAP marschierte die Reichswehr mit viel Getöse auf und ab und war somit fest in die Propaganda des Naziregimes integriert.
Nach dem Krieg beschließen die Siegermächte auf der Potsdamer Konferenz 1945 die Auflösung der deutschen Streitkräfte. Damit wird auch die Tradition der Paraden unterbrochen. Die 1955 gegründete Bundeswehr griff sie nie wieder auf.
„Dinge, die so Brauchtum und Tradition sind, die sind ja oft einfach nur da. Und wenn es eine Unterbrechung gibt, ... besinnt man sich und führt dann bewusst neu Dinge ein. Und in der Bundesrepublik Deutschland ist es nie dazu gekommen, dass man sich bewusst wieder für Militärparaden entschieden hat“, sagt Militärhistoriker der Bundeswehr Heiner Bröckermann.
Der Große Zapfenstreich in Deutschland
Die Parade-Tradition bleibt zumindest in Teilen bei verschiedenen Zeremonien erhalten, etwa dem Großen Zapfenstreich. Auch sind Bundeswehrtruppen in der deutsch-französischen Brigade des Eurokorps mehrmals auf der französischen Militärparade mitgelaufen. In der ehemaligen BRD paradierten nur die Alliierten regelmäßig. Anders auf der anderen Seite der Mauer:
„2360 Mann sind hier in Blei gegossen und so sah die Parade im Original aus. Es sind immer zwei Marschblöcke. Militärakademie, Landstreitkräfte, Luftstreitkräfte, Grenztruppen, Volksmarine“, sagt Horst Nörenberg und zeigt auf ein Miniaturmodell einer DDR-Militärparade in seinem Privatmuseum für Militärgeschichte in Großbeeren.
Der ehemalige NVA-Oberst lief auf einer Parade am 7. Oktober mit. Die Vorbereitung dauerte Monate, in der Nacht vor der Parade probte die gesamte Formation ein letztes Mal auf einer abgesperrten Autobahn:
„Am nächsten Tag 10 Uhr Glockenschlag, so heißt es ja hier. Und dann begann die Parade mit der Meldung des Kommandierenden an den Minister. Und dann begann die Fußtruppen und hinterherkam dann die einzelnen Technikabteilungen, motorisierte Schützen, Panzer, Artillerie und so weiter und so fort.“
Neben der Parade zum Jahrestag der DDR fand zeitweise auch eine zum Tag der Arbeit statt, Militärhistoriker und Oberstleutnant Bröckermann:
„Die Militärparaden in der DDR haben ihren Ursprung in dem Bedürfnis, an die deutsche Tradition der Militärgeschichte anzuknüpfen, eine in Anführungszeichen normale Armee zu zeigen. Und gleichzeitig ist es auch ein Zeichen, die Verbundenheit zur Führung der SED zu beweisen.“
Nörenberg sieht das nicht so. Für den früheren Berufssoldaten sind die Militärparaden der NVA immer noch vor allem Demonstrationen des Friedenswillens des Landes, das er geschworen hat zu verteidigen.
„Das war das, was ich auch ganz persönlich für mich immer in den Vordergrund gestellt habe. Ich bin Soldat geworden, damit es keinen Krieg gibt.“
Der aktuelle Krieg gegen die Ukraine schwingt auch auf den Militärparaden dieser Tage mit. Putin konnte auf der Militärparade am 9. Mai seine Propaganda verbreiten. Bei der Parade in Paris werden die Fußtruppen von acht osteuropäischen Ländern, darunter Polen und Litauen, angeführt. In Deutschland wird es trotz 100 Milliarden für die eigene Armee wohl auch in Zukunft keine regelmäßige Groß-Parade geben. Man hat eben einen anderen Weg der Repräsentation gewählt, sagt Militärhistoriker Bröckermann:
„Die die Repräsentation der Bundeswehr ist typisch bei diesen Tagen der offenen Tür, wo man die Bundeswehr in den Kasernen erlebt und als Bürger sich das ansehen kann, wofür man auch sein Geld bezahlt.“