Skepsis gegenüber Russlands Rückzug
Das ukrainische Parlament hat am Dienstag beschlossen, NATO-Truppen für gemeinsame Übungen ins Land zu lassen. In Kiew geraten rechtsradikale Widerständler derweil zunehmend außer Kontrolle.
Kein Grund zur Freude sondern eher Anlass zu besonderer Vorsicht seien die Meldungen über einen angeblichen Rückzug russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine, sagte heute ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kiew:
"Nicht weit von der Grenze befinden sich Soldaten, die die Ukraine sehr schnell erreichen können. Wir sollten stehen wie eine Wand und ein Eindringen fremder Truppen in unser Land nicht zulassen. Noch gibt es keinen Anlass, ruhig zu schlafen."
Die Sorge vor einem russischen Einmarsch im Osten und Süden besteht nach wie vor. Weswegen die Werchowna Rada, das Parlament, heute beschloss, NATO-Truppen für gemeinsame Übungen ins Land zu lassen. Acht große Manöver der Luft-, See- und anderer Streitkräfte sind von Mai bis Oktober dieses Jahres geplant, sie sollen unter anderem mit polnischen, amerikanischen, moldawischen beziehungsweise rumänischen Einheiten veranstaltet werden.
70 Millionen Griwna, umgerechnet 14 Millionen Euro, haben die Ukrainer für ihre seit Jahren unterfinanzierte Armee in den vergangenen drei Wochen gespendet. Die kann weiterhin nicht mit einer üppigen Versorgung aus dem Staatshaushalt rechnen, denn Russland hat angekündigt, den Gaspreis um ein Drittel auf 385 Dollar pro 1000 Kubikmeter anzuheben.
Schusswechsel im Zentrum von Kiew
Der Übergangspräsident Alexander Turtschinow hat heute in das Parlament, dessen Präsident er ebenfalls ist, eine Gesetzesinitiative eingebracht, umgehend diejenigen zu entwaffnen, die unerlaubt Gewehre oder Pistolen besitzen.
"Gestern gab es im Zentrum von Kiew am Abend eine Schießerei, drei Personen sind verletzt worden. Ganz gleich, wer zu welcher politischen Kraft gehört, wer in welche Kirche geht, ganz gleich, wer für welche politischen Losungen steht: Das ukrainische Volk will Ordnung. Die Werchowna Rada fordert die sofortige Entwaffnung von Formationen, die gesetzeswidrig Waffen tragen. Ganz gleich, ob sie im Zentrum, im Osten oder Westen des Landes agieren: Wer nicht zur Armee, Nationalgarde oder anderen rechtmäßig bewaffneten Organen gehört, wird als Saboteur betrachtet, der gegen die Ukraine arbeitet."
In einem Restaurant auf dem Kretschatik nicht weit vom Maidan entfernt hat ein Angehöriger des nationalistischen Rechten Sektors auf Aktivisten des sogenannten Selbstschutzes des Maidan geschossen und neben zwei anderen Personen den Vize-Präsidenten der Kiewer Stadtverwaltung verletzt. Erst in der vergangenen Woche stürmte der Rechte Sektor das Parlament und forderte den Rücktritt des Innenministers Arsen Awakow. Grund ist die angebliche Ermordung eines der führenden Aktivisten, Oleksander Musytschko, bei dessen Festnahme.
Der Rechte Sektor gerät zunehmend außer Kontrolle, er übt Selbstjustiz und verbreitet mit seinem martialischen Auftreten der Mitglieder in Kiew und anderen ukrainischen Städten in der Bevölkerung Angst und Schrecken.