Mehr zum Stück "Lenin" an der Berliner Schaubühne finden Sie auf der Homepage.
"L'art pour l'art der schlimmsten Art"
In "Lenin" lässt der Schweizer Theatermacher Milo Rau den greisen Lenin wieder aufstehen – gespielt von einer Frau. Unser Kritiker Peter Claus hat die Premiere an der Schaubühne Berlin gesehen: "Artistisch auf höchstem Niveau, aber tatsächlich nichts erzählend."
Lenin kurz vor seinem Tod: In einer Datsche bei Moskau kämpft der Anführer der Revolution gegen den körperlichen und geistigen Verfall und für den Erhalt seiner Macht im Zentralkomitee, während im Hintergrund schon sein Nachfolger Stalin lauert. Das ist der Stoff von Milo Raus "Lenin", das am Donnerstagabend in der Berliner Schaubühne Premiere feierte.
Gespielt wird Lenin von einer Frau, der Schweizer Schauspielerin Ursina Lardi. "Das ist eine spannende Idee, denn zunächst sehen wir Ursina Lardi als sie selbst", sagte unser Kritiker Peter Claus in unserer Sendung "Fazit". "Auf der Bühne ist rechts auch ein kleiner Maskentisch, wir sehen, wie sie verwandelt wird im Laufe des Abends – auch andere Schauspieler – wie sie dann diesen Spitzbart bekommt, die Glatze bekommt." Was Ursina Lardi mache, sei "hochartistisch", meint Claus. "Wir sehen Lenin – sie – vollkommen nackend beim Morgenbad, wir sehen sie mit Fieberthermometer im Po, wir sehen sie kotzend über der Kloschüssel, sabbernd – denn Lenin bekommt ja einen Schlaganfall nach dem anderen."
"Großes Kino" - aber wo bleiben die Inhalte?
Zuzusehen, wie Ursina Lardi zum Mann, zum gebrechlichen und schließlich zum sterbenden Mann verwandelt werde, sei "großes Kino", meint Claus. Doch er vermisst in dem Stück schlicht die Inhalte: "Ein Soldat sagt einmal einen interessanten Satz: Die Revolution hat uns nichts gebracht, die Leute sind nur noch dreckiger und gemeiner geworden. Aber warum ist das eigentlich so? Was hat denn die Führer dieser sogenannten Revolution dazu gebracht, bürgerlicher als bürgerlich, spießiger als spießig zu werden und nur noch zu blutgierigen, machtgierigen Hunden zu werden? Das wird uns nicht erzählt."
"Froh, dass Lenin endlich tot war"
Insofern sei das Stück letztlich "nicht als l'art pour l'art schlimmster Art", kritisiert Claus.
"Ich war sehr erinnert an den schrecklich kitschigen Film 'Der Untergang' über die letzten Tage von Adolf Hitler, wo wir schon Ähnliches gesehen haben und uns hinterher gefragt haben: Was bringt uns das? Und mit dieser Frage bin ich heute auch aus der Schaubühne gegangen und habe keine Antwort gefunden", so unser Kritiker. "Ich war nach zwei Stunden nur noch froh, dass Lenin endlich tot war und diese Langeweile auf der Bühne zu Ende." (uko)