Ute Welty hat vorab mit Milo über das Weltparlament gesprochen. Hören Sie hier das Gespräch in voller Länge:
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"Kein Schmusekurs der Wohlgesinnten"
In der Berliner Schaubühne tagt an diesem Wochenende das "Weltparlament" - einberufen vom Schweizer Theatermacher Milo Rau. Unter den 60 ausgewählten Abgeordneten sind echte Politiker und Aktivisten für Menschenrechte. Die Veranstaltung gipfelt in einem "Sturm" auf den Berliner Reichstag.
Unter den 60 ausgewählten Abgeordneten sind echte Politiker wie etwa Linken-Chefin Katja Kipping, der türkische Schriftsteller Can Dündar und zahlreiche Aktivisten für Menschenrechte und gegen Kapitalismus und Ausbeutung. Die dreitägige Veranstaltung wird im Live-Stream übertragen. Am 7. November gipfelt die Aktion in einem "Sturm" auf den Berliner Reichstag. Exakt 100 Jahre nach dem Sturm auf den Winterpalast.
Milo Rau ist dafür bekannt politische Ereignisse als Reenactments auf die Bühne zu bringen. Nun als Weltparlament, in dem über Weltmarkt, Völkerrecht und ökologische Entwicklungen diskutiert wird. Arno Orzessek hat die ersten zwei Tage begleitet. In der vollbesetzten Schaubühne war neben den "Abgeordneten" ein überwiegend junges Publikum. Die Abgeordneten selbst kamen hauptsächlich aus Europa und Afrika. Unter strenger Regie folgten Debatten und Abstimmungen auf kurze Vorträge. Mit den ausgewählten Diskutanten hatte Milo Rau versucht, alle Problemzonen in der Welt abzudecken:
"Also, der kongolesische Jurist Prince Kihangi, der hat die umweltverheerende Rohstoffausbeute der internationalen Konzerne in seinem Heimatland erklärt, die sehr junge Khadja Bedati agierte gegen die marokkanische Besatzungsmacht in der West-Sahara – ein Thema, das man hier kaum kennt. Melvin Purzuelo, der referierte über die Schäden durch Palmölgewinnung in Sumatra, in Indonesien…. Es war nicht nur der Schmusekurs der Wohlgesinnten, den man dort zu hören bekam. "
Der Ausgangspunkt für sein Parlament waren die Vereinten Nationen
"Dass das Parlament wie es jetzt in der Schaubühne agiert, sehr experimentell zu verstehen ist, also gleichsam als modellhafter Testlauf dieser großen Utopie politisch verfasste Weltgesellschaft, das zeigt sich natürlich schon daran, dass Rau selbst die Teilnehmer bestimmt hat."
Durch die Ernsthaftigkeit, mit der das Weltparlament auftritt, konnte die gut durchgeplante Inszenierung als den künstlerischen Aspekt der politischen Aktion gesehen werden. Wobei die Politik jedoch ganz klar im Vordergrund stand für Arno Orzessek:
"Die Abgeordneten haben die Fiktion als solches angenommen und sie haben darin realistisch reagiert, und nicht künstlerisch und sie haben sich um die großen Themen, um Krieg, um Weltwirtschaft, um Migration, um kulturelle und natürliche Gemeingüter in tausendfaltigen, thematischen Abspaltungen gekümmert."
Dennoch habe Milo Rau es geschafft, mit seinem Weltparlament eine große Utopie erfolgreich zu inszenieren.