Milva als Rachegöttin
Die Grand Dame der italienischen Musik tritt im Klassiker "Der Besuch der alten Dame" als Hauptdarstellerin auf. Mit erotischer Ausstrahlung spielt Milva in Friedrich Dürrenmatts Stück eine alternde Multimilliardärin. Als Gegenpol agiert Burgschauspieler Martin Schwab.
Es ist die erste große Sprechrolle der italienischen Sängerin Milva. Noch dazu in einer ihr fremden Sprache. Doch das Rollendebüt bei den Festspielen Reichenau ist Programm! Wenn Milva die rachsüchtige Multimilliardärin Claire Zachanassian in Friedrich Dürrenmatts "tragischer Komödie" "Der Besuch der alten Dame" spricht und spielt, wenn sie für eine Milliarde von der Kleinstadt Güllen die Tötung ihres Geliebten Alfred Ill wünscht, dann passt die Exotik der gedehnten Aussprache, die langsam ausgekosteten Phoneme zur Aura dieser Rachegöttin und ihrer unheimlichen Künstlichkeit.
Dass Claire Zachanassian nur mehr aus Prothesen besteht, wie es sich Dürrenmatt ausgedacht hat, ist allerdings nicht der Fall, im Gegenteil: Milva bewegt sich geschmeidig und recht jugendlich, Milvas langes rotes Haar ist meist mit einem schwarzen Zylinder bedeckt. "Milva la rossa" (die rote Milva), wie sie nicht nur wegen ihrer politischen Einstellung genannt wird.
Dass die "Alte Dame" ihr ungeheures Vermögen ihrer erotischen Ausstrahlung wegen und durch Prostitution erworben hat, scheint einsichtig. Wie Dürrenmatts Claire Zachanassian bringt Milva - seit einem Jahr Ritterin der französischen Ehrenlegion und erst kürzlich sowohl in Italien als auch in Deutschland mit dem Verdienstkreuz I. Klasse geehrt, der Flair der weiten Welt in die Kleinstadt.
Das Festspielpublikum scheint sich freilich bei ihrem Gegenspieler, dem Kaufmann Alfred Ill, viel behaglicher zu fühlen, der sehr menschelnd und gemütvoll von dem in Wien sehr beliebten Burgschauspieler Martin Schwab gegeben wird, kein Täter, sondern vor allem Opfer. Auch hier scheint die Besetzung Programm. Denn trotz solch dramaturgisch einleuchtender Besetzung darf man kein ausgeklügeltes Inszenierungskonzept in Reichenau erwarten, ja das Publikum scheint das Theater in dieser traditionsreichen Sommerfrische geradezu deshalb aufzusuchen, um vor Auswüchsen modernen Regietheaters sicher zu sein. Man ist oft schon mit Aufsagetheater zufrieden, wenn nur die Schauspieler prominent sind.
Alfred Kirchner bildet vor einem sparsamen Bühnenbild (ein Baugerüst von Indendant Peter Loidolt) eine solide Umsetzung, die allerdings das 50 Jahre alte Drama nicht entstauben kann, das ein wenig unentschlossen zwischen Griechentragödie und kabarettistischer Kleinbürgersatire schwankt und in dieser Ästhetik schon reichlich Patina angesetzt hat.
Die Problemlage in der Kleinstat Güllen hat sich inzwischen ja deutlich verschoben. Bei Dürrenmatt investiert 1958 die Bevölkerung hemmungslos auf Pump und nimmt dabei den Verrat moralischer Grundsätze in Kauf, weil klar ist, dass es dafür mit Reichtum und Wohlstand belohnt wird. Doch dass die Kredite der "Alten Dame" womöglich gar nicht gedeckt sind und nie gedeckt waren, kommt uns erst heute in den Sinn.
Dass Claire Zachanassian nur mehr aus Prothesen besteht, wie es sich Dürrenmatt ausgedacht hat, ist allerdings nicht der Fall, im Gegenteil: Milva bewegt sich geschmeidig und recht jugendlich, Milvas langes rotes Haar ist meist mit einem schwarzen Zylinder bedeckt. "Milva la rossa" (die rote Milva), wie sie nicht nur wegen ihrer politischen Einstellung genannt wird.
Dass die "Alte Dame" ihr ungeheures Vermögen ihrer erotischen Ausstrahlung wegen und durch Prostitution erworben hat, scheint einsichtig. Wie Dürrenmatts Claire Zachanassian bringt Milva - seit einem Jahr Ritterin der französischen Ehrenlegion und erst kürzlich sowohl in Italien als auch in Deutschland mit dem Verdienstkreuz I. Klasse geehrt, der Flair der weiten Welt in die Kleinstadt.
Das Festspielpublikum scheint sich freilich bei ihrem Gegenspieler, dem Kaufmann Alfred Ill, viel behaglicher zu fühlen, der sehr menschelnd und gemütvoll von dem in Wien sehr beliebten Burgschauspieler Martin Schwab gegeben wird, kein Täter, sondern vor allem Opfer. Auch hier scheint die Besetzung Programm. Denn trotz solch dramaturgisch einleuchtender Besetzung darf man kein ausgeklügeltes Inszenierungskonzept in Reichenau erwarten, ja das Publikum scheint das Theater in dieser traditionsreichen Sommerfrische geradezu deshalb aufzusuchen, um vor Auswüchsen modernen Regietheaters sicher zu sein. Man ist oft schon mit Aufsagetheater zufrieden, wenn nur die Schauspieler prominent sind.
Alfred Kirchner bildet vor einem sparsamen Bühnenbild (ein Baugerüst von Indendant Peter Loidolt) eine solide Umsetzung, die allerdings das 50 Jahre alte Drama nicht entstauben kann, das ein wenig unentschlossen zwischen Griechentragödie und kabarettistischer Kleinbürgersatire schwankt und in dieser Ästhetik schon reichlich Patina angesetzt hat.
Die Problemlage in der Kleinstat Güllen hat sich inzwischen ja deutlich verschoben. Bei Dürrenmatt investiert 1958 die Bevölkerung hemmungslos auf Pump und nimmt dabei den Verrat moralischer Grundsätze in Kauf, weil klar ist, dass es dafür mit Reichtum und Wohlstand belohnt wird. Doch dass die Kredite der "Alten Dame" womöglich gar nicht gedeckt sind und nie gedeckt waren, kommt uns erst heute in den Sinn.