Mimi Fariña

Mehr als die Schwester von Joan Baez

07:39 Minuten
Schwarz-Weiß-Bild von Mimi Fariña auf der Bühne mit einer Gitarre in der Hand.
Mimi Fariña mochte Europa. 1976 trat sie beim Montreux Jazz Festival auf. © picture alliance / Keystone / Str
Von Harald Mönkedieck |
Audio herunterladen
Mimi Fariña war die jüngere Schwester von Joan Baez. Fariña starb vor 20 Jahren an Krebs. Während Baez als Folk-Ikone in die Musikgeschichte eingeht, hinterließ Fariña eine Stiftung, die bis heute Menschen Hoffnung gibt, und die weithin unbekannt ist.
In Deutschland stand Mimi Fariña nur sporadisch auf der Bühne. Aber mit ihrer älteren Schwester, der Folk-Ikone Joan Baez, trat sie zum Beispiel 1979 in Berkeley auf. Dort sangen beide auch das von Mimi vertonte Gedicht, das ihrer gemeinnützigen Organisation den Namen gab: "Bread and Roses Presents".

Lied der Hoffnung

Bei einem historischen Streik von Textilarbeiterinnen in Massachusetts wurde der Slogan "Gebt uns Brot, aber auch Rosen" einst zur Parole, dann zu einem Lied der Hoffnung.
Menschen durch Livemusik Hoffnung zu geben, wurde Mitte der 70er-Jahre zur Leitlinie im Berufsleben von Mimi Fariña. Und so organisierte sie Konzerte und Jamsessions in Gefängnissen, Krankenhäusern und Altenheimen. Mitte der 80er-Jahre äußerte sie sich im Interview über ihre Motivation, die durch negative Erfahrungen in der Musikindustrie entstand.
"Ursprünglich entstand die Idee dazu vor allem durch den Mangel an Mitmenschlichkeit in Hollywood. Dann stieg mein Interesse an den Menschen, die in diesen Einrichtungen leben, und ich wollte herausfinden, ob Musik und Unterhaltung ihnen gefallen würden. Heute bin ich der Meinung, dass das so ist."

Die Schwester war ein Star

Mimi Fariña war die jüngste der drei Baez-Schwestern. Auch sie spielte Gitarre und sang. Als ihre Schwester schon ein Star war, ging die vier Jahre jüngere Mimi nach Paris und studierte Ballett. Sie lernte den ehrgeizigen, lebenshungrigen Autor und Songwriter Richard Fariña kennen und heiratete ihn 1963 im Alter von 18 Jahren.
Mimi und Richard gründeten ein Duo und spielten beim Newport Folk Festival. 1965 veröffentlichten sie gemeinsam zwei Alben. Darauf hört man eine weibliche Folk-Stimme, wie sie für die Zeit typisch war: etwas verhalten und noch auf der Suche.
Die Fariñas waren auf Erfolgskurs. Doch zwei Tage nach der Veröffentlichung seines ersten Romans, am 21. Geburtstag von Mimi, kommt Richard bei einem Motorradunfall ums Leben. Die gemeinsamen Aufnahmen wurden zum musikalischen Vermächtnis.

Sympathie für Europa

Mimi Fariña entwickelte nach dem tragischen Verlust eine innere Distanz zur kommerziell orientierten US-Kultur. Sie machte eine Zeit politisches Kabarett, fühlte sich aber mehr nach Europa und seiner älteren Kultur hingezogen.
"Ich bin eine Weile nicht in Europa gewesen und vermisse es, dort zu sein. Ich empfinde eine Verbindung, fühle mich dort wohl und mag die Art dort."
1988 und 1990 kam Mimi Fariña für zwei Klubtourneen nach Deutschland, begleitet von Rockveteran Lowell Levinger alias "Banana". Von der ersten Reise ist ein Livemitschnitt als Benefiz-CD für "Bread And Roses" erschienen. Darauf zu hören ist eine immer noch natürliche und ungeschulte Folk-Stimme. Der Albumtitel: "Live in Germany".

Ein Song braucht Relevanz

Obwohl Mimi Fariñas eigene Bühnenarbeit später nicht im Vordergrund ihres Wirkens stand, beharrte sie auf gewissen Grundsätzen. Ein Song braucht eine Relevanz. Die Worte sollen mehr als nur unterhalten, sie sollen Brücken bauen.
"Es sind hochwertige Songs, die das Leben betreffen – mit einem gesellschaftlichen Bewusstsein. In der Kunst schätze ich Botschaften, die nur so abgebildet werden können. Wenn man zum Beispiel Bluesmusik in das Gefängnis von San Quentin bringt, dort eine Jamsession hat, eine Interaktion zwischen den Menschen von drinnen und draußen stattfindet, dann entsteht eine neue Sprache. Das gefällt auch den Wärtern dort. Auf einmal sind alle gleich. Ohne Barrieren. Alle sprechen die gleiche Sprache. Das ist für mich ein anschauliches Beispiel dafür, wie Musik kommunizieren kann."

"Die Leistung wird bleiben"

So wirkte Mimi Fariña auf ihre Art weiter. Ihr tragischer Tod bewegte viele, die sie kannten, vor allem in der kalifornischen Bay Area. Mit wenigen Angestellten und vielen Freiwilligen hat ihre Organisation Bread & Roses jeden Monat bei Dutzenden Projekten Erstaunliches geleistet.
2024 wird Bread & Roses 50 Jahre alt. Dann wird man sich auch wieder an die Frau erinnern, die auch Rock-Kritikerpapst Dave Marsh als besondere Persönlichkeit in Erinnerung bleiben wird.
"Für mich fand Mimi erst mit Bread & Roses zu sich. Diese Leistung wird bleiben, so lange wie es diese Organisation gibt."
Mehr zum Thema