Wer zündelt im Karpatenvorland?
Rund 150.000 ethnische Ungarn leben im ukrainischen Karpatenvorland. In jüngster Zeit kam es dort zu Anschlägen auf ungarische Kultureinrichtungen. Das führt zu Spekulationen und belastet die Beziehungen zwischen der Ukraine und Ungarn.
Die Geschichte klingt absurd: Zwei junge Männer aus Polen begeben sich in die Westukraine. Dort, in der kleinen Stadt Uschhorod, mieten sie sich im Hostel ein, um wenig später einen Anschlag zu verüben – auf ein ungarisches Kulturzentrum. Absurd, und doch ereignete sich diese Geschichte Anfang Februar. Adrian M. und Tomasz S. wurden kurze Zeit nach ihrer Tat in Polen festgenommen. Sie wollten das Kulturzentrum mit Molotow-Cocktails in Brand setzen.
Wenige Wochen später der nächste, nun professionellere Anschlag. Diesmal waren es Ukrainer: Das Kulturzentrum brannte aus, ein Büro wurde komplett verwüstet.
Vorfälle im Wochentakt
Josif Borto, Vize-Vorsitzender des Ungarischen Kulturvereins im ukrainischen Karpatenvorland, zeigte sich erschüttert:
"Wir würden gerne wissen, wer so etwas in Auftrag gibt. Wer will im Karpatenvorland, wo Frieden herrscht zwischen den verschiedenen Nationalitäten, die Stimmung aufheizen?"
Im ukrainischen Karpatenvorland leben rund 150.000 ethnische Ungarn. Bis vor kurzem kamen sie in der landesweiten Berichterstattung kaum vor. Doch nun kommt es beinahe im Wochentakt zu Vorfällen, zuletzt wurden Pkw mit ungarischen Nummernschildern zerkratzt.
Nach Ansicht der ukrainischen Regierung jedoch haben die Vorfälle nichts mit dem ungarisch-ukrainischen Verhältnis zu tun. Der Konflikt werde von außen ins Karpatenvorland getragen, meint Hennadij Moskal, Verwaltungsleiter des Bezirks:
"Beim russischen Geheimdienst gibt es dafür eine spezielle Abteilung. Sie soll in anderen Ländern Unfrieden stiften, in Georgien und Moldawien etwa, vor allem aber in der Ukraine. Sie wollen die Situation in der Westukraine destabilisieren – an der Grenze zur EU. Damit die Ukraine niemals in die EU eintreten kann und Brüssel am besten wieder die Visumpflicht für Ukrainer einführt."
Spannungen wegen Schulpolitik
Die ukrainisch-ungarischen Beziehungen eignen sich dafür gut, denn das Verhältnis zwischen den beiden Ländern ist angespannt. Budapest kritisiert die ukrainische Bildungsreform, die den Schulen von Minderheiten weniger Autonomie gibt.
Die These der ukrainischen Regierung lautet also: Russland nutze diese Spannungen und stifte im Karpatenvorland Straftaten an. Zumindest im Fall der polnischen Brandstifter gibt es dafür Indizien. Bezirksverwaltungsleiter Hennadij Moskal:
"Sie gehören einer rechtsradikalen Organisation an – Falanga heißt sie – und sie hat Verbindungen zu ultrarechten Organisationen in Russland. Angehörige dieser Falanga haben auch im Donezbecken gekämpft – auf der Seite der prorussischen Separatisten, gegen die Ukraine."
Bei den zwei festgenommenen Ukrainern, die den zweiten Anschlag auf das Kulturzentrum verübten, gibt es bislang jedoch keine Hinweise auf eine Verbindung zu Russland. Der Verdacht der ukrainischen Regierung: Sie seien mit Geld geködert worden. Ihre Kontaktperson stamme aus der eng mit Russland verbundenen Region Transnistrien, die sich Anfang der 1990er Jahre von der Republik Moldau abspaltete.
Auch Kritik am einseitigen Verweis auf Moskau
In der Ukraine gibt es auch Kritik daran, die Verantwortung in Moskau zu suchen. Schließlich machen auch immer wieder ukrainische Nationalisten im Karpatenvorland auf sich aufmerksam. Vor kurzem prügelten sie auf Teilnehmerinnen an einer Demonstration für Frauenrechte ein.
Ewhen Balytsyj von der ukrainische Partei "Oppositioneller Block" sagt:
"Wir können doch nicht unseren Mangel an Professionalität immer mit der Hand Moskaus entschuldigen. Vielleicht war der russische Geheimdienst hier aktiv, das schließe ich nicht aus. Aber wenn, dann konnte er das doch nur, weil wir ein schwacher Staat sind."
Fest steht zumindest: Die Täter haben es geschafft, die Beziehungen zwischen der Ukraine und Ungarn weiter zu verschlechtern. Budapest droht derzeit damit, den Nato-Ukraine-Gipfel im Sommer zu verhindern.