Minderheitenrechte im Bundestag

Die Opposition dürfte es künftig schwerer haben

Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Baden-Württemberg), v.l. Monika Hermanns, Peter Huber, Andreas Voßkuhle, (Vorsitzender des Senats und Präsident des Gerichts), Herbert Landau, Peter Müller und Doris König
Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe © pa/dpa/Deck
Von Gudula Geuther |
Die Klage der Linken auf mehr Rechte für eine kleine Opposition im Bundestag ist vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen worden. Die Entscheidung sei aber mehr als nur ein einfaches Nein, kommentiert Gudula Geuther.
Es ist erstaunlich, dass es Gregor Gysi noch gelingt, sich dieses Urteil schönzureden. Die Richter haben der Opposition zwar warme Worte mitgegeben – gleichzeitig aber haben sie ihr Steine in den Weg gelegt. Und nur teilweise ist die Niederlage hausgemacht. Vorhersehbar war: Auch in Zukunft wird die Opposition nicht jedes Gesetz, das sie für verfassungswidrig hält, nach Karlsruhe tragen können – wenn sie nicht ein Viertel der Abgeordneten stellt, so steht es im Grundgesetz. Auch wenn das die Kleinen schmerzen mag – es ist völlig richtig, es geht gar nicht anders.

Normenkontrolle ist kein Kampfmittel

Es gibt keinen Anspruch darauf, das Bundesverfassungsgericht als Instrument der politischen Auseinandersetzung nutzen zu können – zumindest nicht in diesem parteipolitischen Sinn. Die abstrakte Normenkontrolle ist auch kein Kampfmittel der Opposition. Verfassungswidrige Gesetze werden trotzdem nach Karlsruhe gelangen, dafür gibt es Wege genug. Vor allem aber hat die Linkspartei tatsächlich von den Richtern verlangt, dass sie das Grundgesetz selbst, das das Quorum von einem Viertel vorgibt, für verfassungswidrig erklären. Das ist – sagen wir: kreativ. Kein Wunder, dass sie alleine klagen musste, die Grünen wollten das nicht mitmachen. Und wenn Gregor Gysi nun behauptet, die Richter hätten den Kleinen stattdessen einen neuen Weg zur Gesetzeskontrolle eröffnet, ist das schlicht nicht richtig.
Wenig überraschend ist auch, dass die Klage ansonsten keinen Erfolg hatte – und das, obwohl das Anliegen wichtig ist, der kleinen Opposition Mittel in die Hand zu geben, sich gegen die übergroße Koalition zu behaupten. Das Anliegen ist richtig, weil es nun einmal vor allem die Opposition ist, die die Regierung parlamentarisch kontrolliert. Und es bedarf einer sichtbaren Opposition, damit der Wähler weiß, dass es Alternativen gibt, damit die Politik nicht im Mehltau versinkt. Dabei geht es nicht nur ums Rederecht im Plenum, es geht um die schlichte Möglichkeit, mitzuarbeiten, die Arbeitsabläufe mitzugestalten; durch Ladungsrechte in Ausschüssen zum Beispiel – vom Untersuchungsausschuss, hier nun wirklich dem Kampfinstrument der Opposition, ganz zu schweigen.

Mehr als ein einfaches Nein

All das braucht eine lebendige Demokratie. Nur: Das war gar nicht mehr umstritten. Denn all das hatte die Große Koalition längst zugestanden. Die Linkspartei wollte mehr. Böse gesagt genügte es ihr nicht, in diesen demokratischen Abläufen mitarbeiten zu können – sie wollte mehr Rechte verbrieft bekommen als ihr nach ihrem Wahlergebnis zustanden.
Ein einfaches Nein aus Karlsruhe wäre also verständlich gewesen. Die Richter aber gehen weiter. Sie betonen die Gleichheit aller Abgeordneten. Und obwohl sie das hohe Lied der parlamentarischen Kontrolle singen, gewichten sie den Schutz der Oppositionsarbeit gegenüber dieser Gleichheit der Abgeordneten gering. Kommt es demnächst wieder zu einer Großen Koalition, müsste die auf die Kleinen viel weniger Rücksicht nehmen als sie es in dieser Legislaturperiode getan hat. Und nach dieser Urteilsbegründung werden es Linke und Grüne auch bis September nächsten Jahres schwerer haben. Das widerspricht vielem, das die Verfassungsrichter bisher vertreten haben. Ob der Gedanke an die AfD dahinter steht, wissen nur sie. Das würde es nicht besser machen.
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