Minderjährige Einwanderer in den USA

Kinder ohne Eltern vor Gericht

Kinder protestieren am 13. August 2014 in Los Angeles gegen die Einwanderungspolitik der USA. Nach Angaben der Behörden kamen allein in diesem Jahr bislang rund 57.000 Kinder ohne Begleitung erwachsener Verwandter aus Mittelamerika in die USA, wo sie hoffen Armut und Gewalt entfliehen zu können.
Kinder protestieren am 13. August 2014 in Los Angeles gegen die Einwanderungspolitik der USA. © AFP PHOTO / Mark Ralston
Von Kerstin Zilm |
Mehr als 70.000 Kinder und Jugendliche aus Mittelamerika überquerten im letzten Jahr illegal die Grenze in die USA. Nach traumatischen Reisen landen sie in US-Auffanglagern. Die Organisation "Guardian Angels" hilft ihnen mit Rechts- und Sozialberatung.
Im Konferenzraum einer Kirche von Los Angeles senken sechs Frauen ihre Köpfe zum Gebet. Sie nennen sich "Guardian Angels", helfen Kindern, die ohne Papiere allein in die USA gekommen sind und lernen hier Grundlagen des Immigrationsrechts.
Anwältin Sabrina Damast erklärt: Die Kinder können auf Sonderstatus wegen Vernachlässigung der Eltern klagen oder Asyl beantragen, zum Beispiel wenn sie vor Bandenkriminalität flüchten. Die US-Regierung zieht ihre Verfahren beschleunigt durch.
"Sie haben drei Wochen Zeit, einen Anwalt zu finden, statt drei Monate wie Erwachsene; 30 Tage, um einen Einwanderungsantrag zu stellen anstatt sechs Monate. Wir machen uns Sorgen, weil die Regierung die Kinder zur Priorität im Strafvollzug erklärt hat und sie behandelt, als wären sie eine Gefahr für die Sicherheit des Landes."
Mehr als 70.000 Kinder und Jugendliche aus Mittelamerika überquerten im letzten Jahr illegal die Grenze in die USA. Nach traumatischen Reisen landen sie in US-Auffanglagern. Von dort geht es weiter zu Verwandten, in Notunterkünfte oder Waisenhäuser und vor Gericht.
Kostenlose Rechts- und Sozialhilfe
Die Guardian Angels begleiten Gerichtsprozesse in Los Angeles. Sie dokumentieren für eine Anwaltsvereinigung, was im Gerichtssaal geschieht. Sie verteilen Kontaktinformationen für kostenlose Rechts- und Sozialhilfe. Sie beten. Buchhalterin Tracy und Soziologiestudentin Martha gehen mindestens einmal die Woche ins Gericht.
"Ich wollte aus meinem christlichen Glauben heraus einfach jemandem helfen. Ich hab im Fernsehen gesehen, wie sie gegen die Kinder demonstrierten. Ich muss etwas tun. Das hier ist Amerika! Das Land ihrer Träume!"
"Es macht mich richtig wütend, dass sie das alles durchmachen müssen, dann hier nicht willkommen sind und zurück geschickt werden. Zu sehen, was im Gericht passiert, ist ziemlich schlimm."
Verstörte Kinder, überforderte Einwanderungsanwälte
Die Atmosphäre im Gerichtssaal ist angespannt: Verstörte Kinder kommen in Begleitung von ängstlichen Verwandten, die oft selbst ohne Papiere im Land sind und kaum Englisch sprechen. Überforderte Einwanderungsanwälte müssen sich in Familienrecht einarbeiten. Überlastete Richter bearbeiten in einer Stunde zehn Fälle.
Im Flur verteilen die Guardian Angels ihre Zettel mit Telefonnummern. Ein junger Mann weint. Gerade hat er erfahren: Eine wichtige Frist ist verstrichen. Seinem kleinen Bruder droht die Abschiebung.
"Ich bin sehr aufgewühlt. Die Gangs in Guatemala werden ihn wieder verfolgen und ich habe so viel gearbeitet. 15 Stunden jeden Tag, um den Anwalt zu bezahlen. Es ist so schwer! Die Gangs werden ihn holen. Sie sagen, er gehört ihnen."
Die meisten haben Angst, über ihre Situation zu sprechen. Guardian Angel Martha holt ihr Smartphone aus der Tasche und zeigt ein Interview eines hispanischen Senders. Ein typischer Fall, sagt sie. Christian, zwölf Jahre, aus El Salvador, flüchtete mit seinem Onkel. Unterwegs haben sie sich aus den Augen verloren.
"Ich hatte Angst, weil ich niemanden kannte. Ich habe mit anderen Kindern zusammengehalten, wir haben viel gebetet. Sieben Tage waren wir nach der Grenze im Auffanglager. Dann haben sie uns in eine Notunterkunft gebracht."
Christian lebt nun bei Verwandten, die er vorher nie gesehen hat. Er sagt: Es ist besser als in El Salvador. Er wurde auf dem Weg zur Schule mit einem Messer angegriffen. Deshalb schickte ihn die Familie in die USA.Kann er das nachweisen, hat er eine Chance auf Asyl erklärt Martha.
"Ich wünschte, ich könnte mehr tun. Ich wünschte, die Gerichte wären freundlicher. Aber meine Mittel sind begrenzt. Also tu ich, was ich tun kann, und das ist, Hilfe für sie zu finden."
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