Den Jugendlichen Normalität und Stabilität geben
Nach dem Angriff eines 17-jährigen Afghanen auf Fahrgäste in einem Regionalzug bei Würzburg ist eine Diskussion über die Lage minderjähriger Flüchtlinge entbrannt. Hätte sich der Angriff verhinder lassen? Flüchtlingsexperte Niels Espenhorst glaubt: eher nicht.
Der Angreifer, der nach ersten Erkenntnissen als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen sein soll, war mit einer Axt auf Fahrgäste in einem Regionalzug nach Würzburg losgegangen und verletzte einige Personen schwer. Er soll zunächst in einer Einrichtung und dann in einer Pflegefamilie gelebt haben. Bei der Festnahme wurde er von Polizisten erschossen.
Radikalisierung ist nicht nur ein Problem von Flüchtlingen
"In der Regel sollte es eine sozialpädagogische Begleitung und Betreuung geben", sagte der Referent im Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge , Niels Espenhorst, im Deutschlandradio Kultur. In der Schule und in anderen Institutionen sollte jemand darauf achten, wie sich die Jugendlichen entwickeln.
"Ich denke, die Radikalisierung ist kein Problem von Flüchtlingen, sondern wir haben auch Radikalisierung von Menschen, die hier geboren sind und hier integriert sind." Das Problem der Radikalisierung müsse gesamtgesellschaftlich betrachtet werden und nicht als flüchtlingsspezifisches Problem. Wenn ein Jugendlicher nach Deutschland komme, dauere es oft bis zu acht Monaten, bis ein Jugendlicher irgendwo ankomme, wo er dauerhaft bleiben könne, sagte Espenhorst.
Diese Vorfälle lassen sich nicht vermeiden
"Die traurige Nachricht ist, dass wir solche Vorfälle nicht grundsätzlich ausschließen können", sagte der Flüchtlingsexperte über den Überfall im Regionalzug. Es gebe eine neue Form der Radikalisierung, bei der schon der Kontakt mit entsprechendem Material im Internet ausreiche. Der persönliche Kontakt zu jemanden, der zu solchen Taten anleite, sei nicht mehr das Entscheidende. "Insofern ist das Einzige, was wir machen können und machen sollten, den Jugendlichen Normalität zu geben und Stabilität", sagte Espenhorst. "Das heißt, ihnen eine Perspektive für ihr Leben zu öffnen, dass sie nicht frustriert werden und dass sie nicht einen Anlass haben, sich dem Terror zuzuwenden." Aber völlig verhindern lasse sich das nicht.
Derzeit sollen in Deutschland rund 70.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben, die von der Jugendhilfe betreut werden.