Mindestlohn

"Die Deutschen haben ein Gefühl von Fairness"

Eine Friseurin frisiert eine ältere Kundin.
Auch Friseurinnen sollen ab 1.1.2015 den Mindestlohn von 8,50 Euro verdienen. © dpa / picture alliance / Carsten Rehder
Moderation: Thorsten Jabs |
Der Soziologe Gerhard Bosch glaubt, dass die Verbraucher höhere Preise zum Beispiel beim Friseur akzeptieren werden. Die Gesamteffekte des Mindestlohns von 8,50 Euro seien positiv, auch wenn einzelne Unternehmen vom Markt verschwinden würden.
Der Mindestlohn von 8,50 Euro in Deutschland wird nach Ansicht des Soziologen Gerhard Bosch unter dem Strich keine Arbeitsplätze kosten. Durch die Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar 2015 werde ein Nachfrageimpuls von 20 Milliarden Euro über zwei Jahre in Bewegung gesetzt, sagte Bosch im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Alle Warnungen vor dem Verlust von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen seien "keine seriösen Prognosen, sondern reine Modellrechnungen", kritisierte der Professor am Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen.
"Wir können uns auf die internationale Forschung und auf die deutsche Mindestlohn-Forschung verlassen in der Vergangenheit – und die zeigen, dass ein mäßig angesetzter Mindestlohn keine Beschäftigung vernichtet. Und der Mindestlohn von 8,50 Euro in Deutschland ist nicht übermäßig hoch im Vergleich mit anderen Ländern", sagte Bosch. Es könne aber sein, "dass in einzelnen Regionen, vor allem in Ostdeutschland, wo die Löhne sehr sehr niedrig sind, einzelne Arbeitsplätze verloren gehen."
Der Mindestlohn schützt nicht jeden Arbeitsplatz
Branchenbezogene Evaluationen von sechs verschiedenen Instituten zum Mindestlohn in Ostdeutschland hätten ergeben, dass "im Baugewerbe, in der Reinigung, in der Pflege keine Arbeitsplätze verloren gegangen sind". Allerdings hätten zum Beispiel im ostdeutschen Dachdeckergewerbe einzelne Betriebe schließen müssen − "das sind dann Betriebe, deren Geschäftsmodell auf sehr niedrigen Löhnen basiert, aber es ist kein Arbeitsplatz in der Branche verloren gegangen, weil die Kunden dann zu anderen Unternehmen, die effizienter gearbeitet haben, gewandert sind." Man müsse ganz klar sagen: "Der Mindestlohn schützt nicht jeden Arbeitsplatz, sondern die Unternehmen, die sich nicht darauf einstellen, können vom Markt verschwinden."
Ein positiver Effekt sei, dass die Lohnsumme alleine durch den Mindestlohn um 14 Milliarden Euro erhöht werde. Dazu kämen Sozialabgaben, was ein Gesamtpaket von 20 Milliarden ergebe, wodurch neue Arbeitsplätze geschaffen würden. "Das heißt, dass der Gesamteffekt bei ungefähr Null oder bei ganz wenig Plus oder ganz wenig Minus liegen wird. Das zeigt jedenfalls die internationale Mindestlohn-Forschung. Deshalb bin ich überhaupt nicht besorgt."
Kunden reagieren kaum auf kleine Preiserhöhungen
Zur Frage, was passiere, wenn höhere Lohnkosten an die Kunden weitergegeben würden, sagte Gerhard Bosch: "Die Kunden reagieren auf marginale und kleinere Preiserhöhungen im Wesentlichen nicht sehr stark. Die Frage ist, wie ist das im Dienstleistungsgewerbe, wo die Arbeitsintensität sehr hoch ist, wie bei den Friseuren. Werden die Kunden dann massenhaft abwandern? Ich glaube, die deutsche Bevölkerung hat auch ein Gefühl von Fairness. Die wissen, dass Leute im Dienstleistungsbereich auch angemessen bezahlt werden müssen, und werden auch dann diese Dienstleistungen weiter kaufen, vor allem dann, wenn sie auch mehr in der Tasche haben."
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