Lavieren im Amateurverein
Bis zur Einführung des Mindestlohns wurde kontrovers über das Für und Wider diskutiert. Seit 100 Tagen ist er nun gültig und viele Schreckensszenarien haben sich nicht bewahrheitet. Die Fußballer in den unteren Ligen haben allerdings damit zu kämpfen.
"Eins, zwei, drei… Ja. So: Guten Tag, meine Damen und Herren. Guten Tag, liebe Fußballfreunde! Zum heutigen Meisterschaftsspiel der Berlin-Liga begrüßt Sie wie immer der SV Tasmania Berlin auf das recht Herzliche!..."
Ungefähr 100 Zuschauer haben den Weg ins Stadion von Tasmania gefunden. Der schlechteste Bundesligaverein aller Zeiten, der 1973 nach einem Konkurs neu gegründet wurde, ist tief gefallen. Für die Neuköllner geht es an diesem verregneten März-Sonntag um Punkte in der sechsten Liga. Aber selbst in unteren Ligen wie der Berliner-S-Bahn Liga kostet der Spielbetrieb Geld. Irgendwie muss Vereinschef Detlef Wilde 100.000 Euro zusammenkratzen. Viel Geld für so einen kleinen Verein, der von Sponsoren, den Beiträgen seiner 600 Mitglieder und Bandenwerbung lebt.
Wenn es richtig klemmt, schießt der selbstständige EDV-Berater auch eigenes Geld zu. Bei Tasmania spielen sechs Vertragsamateure, die nach den DFB-Regeln 250 Euro verdienen dürfen. Wenn der Mindestlohn, wie ursprünglich geplant, auch im Sport eingeführt worden wäre, hätte Detlef Wilde z.B. die Trainings- und Spielzeiten seiner Spieler genau aufschreiben müssen.
"Wir trainieren nur drei Mal die Woche hier bei Tasmania. Drei Mal die Woche Training und ein Spiel. Drei Mal anderthalb Stunden, das sind viereinhalb Stunden und zwei Stunden am Sonntag. Das sind sechseinhalb Stunden und das Ganze nicht mal vier, sondern 4,33 ist der Faktor, kommen wir genau auf 29 Stunden. Und das reicht."
Reduzierung des Trainingspensums
Wenn das Mindestlohngesetz strikt umgesetzt würde, wäre Tasmania-Boss Detlef Wilde also mit 125 Euro und 57 Cent trotzdem noch locker im Rahmen der 250 Euro-Reglung des DFB-Vertragsspielerstatuts geblieben. Leistungsorientiertere Klubs wie z.B. der Goslarer SC, der zwei Klassen höher in der Regionalliga Nord spielt, hätten allerdings schon mit sehr viel spitzerem Bleistift als die Tasmanen rechnen müssen. Um nicht gegen die arbeitsrechtlichen Vorgaben zu verstoßen, reduzierten die Niedersachsen im Januar ihr Trainingspensum drastisch, zumindest auf dem Papier.
Wilde: "Die haben fünf Mal die Woche trainiert, weil die Regionalliga spielen. Dann kriegen sie natürlich ein Problem, wenn sie jemand haben mit 250 Euro, der trainiert fünf Mal die Woche, das passt nicht mehr, wenn das mit dem Mindestlohn übereinstimmen sollte."
Viele Vereine im Amateursport fühlten sich von dem neuen Gesetz überfordert. Ein klärendes Gespräch zwischen Sportfunktionären und Arbeitsministerin Nahles brachte Klarheit. Nach dem Gipfeltreffen mit der SPD-Ministerin war der Mindestlohn im Sport Ende Februar vom Tisch. Andrea Nahles fasste damals zusammen:
"Das zeitliche und persönliche Engagement dieser Sportler zeigt eindeutig, dass nicht die finanzielle Gegenleistung, sondern die Förderung des Vereinszwecks und der Spaß am Sport im Vordergrund stehen. Für diese Vertragsspieler ist daher auch dann kein Mindestlohn zu zahlen, wenn sie mit einem Minijob ausgestattet sind."
Eine lukrative Verdienstmöglichkeit
Zu Andrea Nahles' Einschätzung passt aber nicht, dass für viele Amateure das Kicken, selbst in den unteren Ligen, eine lukrative Verdienstmöglichkeit ist. Nach Informationen des Fachmagazins "Reviersport" kommen Stammspieler der viertklassigen Regionalligen, von denen es fünf in Deutschland gibt, durch zusätzliche Zahlungen von Sponsoren im Schnitt auf 1500 bis 2500 Euro netto im Monat. Detlef Wilde, Tasmanias Vorsitzender, räumt ein, dass Sponsoren auch in seine Mannschaftskasse zahlen. Allerdings wisse er nicht, wie das Geld anschließend verteilt werde. Zvonimir Penava ist Tasmanias Mannschaftskapitän. Der 28-Jährige ist einer der sechs Vertragsspieler des Sechstligisten.
Autor: "Können Sie sagen, auf wie viel Geld Sie im Monat kommen?"
Zvonimir Penava: "Ähh… 250 Euro haben wir… Vertragsspieler."
Und was man sonst so hört, dass im Amateurbereich, selbst in unteren Klassen, eigentlich auch relativ viel Geld schon verdient wird, das stimmt dann demnach nicht?
"Das war vielleicht früher so gewesen. Aber bei mir jetzt in dem Fall stimmt das nicht."
Und dass auch Geld bezahlt wird von Sponsoren…
"Na, das weiß ich ja nicht. Das machen ja die Vereine. Aber ich habe ja da keinen Plan, was die Vereine von den Sponsoren kriegen. Ich kann für mich nur sagen, dass ich 250 verdiene und das auch so in dem Vertrag drinne steht und ich auch nicht mehr bekomme. Also…"
Ähnlich lavieren viele Amateurvereine bei Trainern, Betreuern und Platzwarten. Wären diese Mitarbeiter fest angestellt oder als Minijobber beschäftigt, gälte für sie automatisch der Mindestlohn. Werden sie dagegen von den Vereinen als Ehrenamtler deklariert, können z.B. Trainer mit einer Übungsleiter-Aufwands-Entschädigung bezahlt werden. Pro Jahr sind das 2400 Euro, steuer- und sozialversicherungsfrei. DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel gab den Vereinen nach dem Krisengespräch mit Arbeitsministerin Nahles eine klare Handlungsanweisung, um arbeitsrechtliche Probleme bei Kontrollen zu vermeiden.
"Die Botschaft an die Vereine: Ehrenamtliche Tätigkeit beim Übungsleiter, bei anderen Aufgaben im Verein, nicht als Minijob organisieren, sondern mit Aufwandsentschädigungen und Auslagenersatz abgelten."