Minimalistisches Spiel

Von Hartmut Krug |
Alles scheint noch ein wenig unfertig zu sein, bei den Proben für eine Beckett-Aufführung in den Sophiensälen. Doch der unwirkliche und zugleich heruntergekommen nüchterne alte Saal schafft die richtige Atmosphäre für Becketts Texte, die fragmentarische Erfahrungen und beschädigte Leben und Wahrnehmungen zeigen.
Konzentriert und entspannt zugleich geht es bei der Fotoprobe des Beckett-Projektes an den Berliner Sophiensälen zu. Zunächst müssen die Bühnentechniker noch einmal ran, denn die elektronische Schrifttafel im Rücken der Zuschauer hängt zu hoch. Und die Schriftgröße darauf ist für die Schauspieler, die Becketts kompliziert bruchstückhafte Texte hier zur Sicherheit wie auf einem Teleprompter immer vor Augen haben sollen, zu klein.

Auch das mit den Live-Aufnahmen der Schauspieler, die auf die Seitenwände projiziert werden sollen, funktioniert noch nicht richtig. Doch Regisseur Oliver Sturm bleibt ruhig und greift nicht mehr ein. Es geht ihm und den Schauspielern erst einmal um eine Konzentration auf Becketts Texte. Wenn die Probe endlich mit längerer Verspätung losgeht, sucht sich der von Christoph Marthalers Inszenierungen bekannte Schauspieler Graham Valentine noch zu ordnen und zu orientieren, wenn er in den Saal und auf sein Podium tritt. Das, was noch Probe ist, fließt zugleich in das suchende und sich vergewissernde Spiel in Becketts Text "Bing" ein:

"Ein Mann sucht sich ein Bild zu machen, von einem nackten Körper, von Strukturen, von Bedeutungen. Und je präziser er zu werden versucht, desto manischer werden die Wiederholungen und Variationen. Ein unsichtbarer Einredner, eine anonyme Stimme von außen, treibt ihn an oder korrigiert ihn."

Der unwirkliche und zugleich heruntergekommen nüchterne alte Saal mit seinen schäbig schwarzen oder nackten Wänden und seiner von abblätternden Putzbrocken geprägten Decke schafft die richtige Atmosphäre für Becketts Texte, die fragmentarische Erfahrungen und beschädigte Leben und Wahrnehmungen zeigen. Bühnenbildner Till Exit hat keine großen Veränderungen oder Gestaltungen des Raumes vornehmen müssen. Ein paar Raumteiler an der Seite, einige versteckte Stühle, Licht, Ton, Geräusche, Schatten und Raumwirkungen bestimmen das minimalistische Spiel. Ein Lichtschein fällt auf eine Holzplatte, die quer durch den Raum gelegt ist. "Tritte" heißt der Einakter, in dem die Schauspielerin Judith Engel auf dem Brett hin und her marschiert. Hin und her.

Das kunstvoll als unfertig Konstruierte von Becketts Texten bestimmt die Probe, die nie wie eine solche wirkt. Auch und erst recht nicht, wenn, nachdem mehrere Schauspieler, teils zum falschen Zeitpunkt, wie sie entschuldigend anmerken, über die Bühne geeilt sind und Traugott Buhre an zwei Stöcken auf die Bühne stakst.

"Losigkeit" heißt der Text, in dem von einer Trümmerlandschaft erzählt wird. Wie alle drei Texte dieses Beckett-Projektes, das heute Abend zur Premiere kommt.