Robert Menasse erhält Zuckmayer-Medaille
So umstritten war die höchste künstlerische Auszeichnung des Landes Rheinland-Pfalz noch nie: Mit Robert Menasse hat nun ein Europa-Verfechter die Carl-Zuckmayer-Medaille bekommen, der zuletzt schwer in die Kritik geraten war.
"Ich erwarte auf keinen Fall einen Eklat oder einen Theaterskandal." Mit dieser Äußerung behält der parteilose Soziologiestudent Felix Kress am Ende Recht. Kein Buhruf stört die festliche Atmosphäre im Mainzer Staatstheater. Nur am Eingang ruft ein einsamer Demonstrant dem österreichischen Schriftsteller mit Blick auf dessen Falschzitate ein höhnisches "Robert von Köpenick" entgegen.
Von der Zuckmayer-Figur sagt Menasse später selbst in seiner Rede, der Hauptmann täusche mit Hilfe einer Uniform eine Autorität vor, die er gar nicht habe. Robert Menasse mag einen Teil seiner Autorität, seines Rufs als Autor, promovierter Literaturwissenschaftler und studierter Historiker eingebüßt haben, vor allem mit der Fakten-Fälschung einer europapolitischen Rede in Auschwitz. Und der Umdeutung dieser Hallstein-Rede zum antinationalen Gründungsmythos der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als EU-Vorläufer.
Felix Kress, Fan des beredten Europa-Verfechters Menasse, aber meint trotzdem: "Ich finde es sehr wichtig, dass die Landesregierung zu Robert Menasse hält, auch im Zweifel. Es war ein Fehler, und so lange er diesen Fehler eingesteht, sich die Blöße gibt, ihn auch öffentlich einzugestehen – in dieser Mediengesellschaft ultrapeinlich – dann ist es vollkommen in Ordnung."
Kein leichter Weg
Es sei "kein leichter Weg bis zu diesem Festabend" gewesen, sagt Malu Dreyer, die sozialdemokratische Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz mit Blick auf die heftige öffentliche Kontroverse über den Preisträger: "Für mich ist klar: Für das Gelingen einer demokratischen Debatte ist es unerlässlich, Gewissheiten von Annahmen und Fakten von Meinungen zu trennen."
Dass Menasse den Fehler eingeräumt habe, nicht zwischen der künstlerischen Freiheit im Roman und den Regeln des politischen Diskurses unterschieden zu haben, sei aber anzuerkennen, findet Malu Dreyer. "Ich verstehe, dass verlorenes Vertrauen es vielleicht schwer macht, dem zu folgen. Aber ich bin überzeugt, dass sich Charakter und Kultur unserer demokratischen Gesellschaft auch darin erweisen, dass wir eine ehrliche Entschuldigung für Fehler im Handeln annehmen und sie nicht dazu zu benutzen, den Stab über die Person zu brechen."
Robert Menasse hatte in Dreyers Beisein zuvor abermals bekräftigt, künftig sorgsam auf die Trennung von Literatur und politischer Debatte zu achten. In seiner Rede gab der erst Gescholtene und jetzt Geehrte eine Kostprobe dieser Kunst des wortgewaltigen satirisch-ironischen Fabulierens, für die ihn seine Anhänger lieben. Menasse gibt Einblick in die quälende Prozedur des Redenschreibens. Welch ein Glück, dass dem dabei ermattet eingenickten Autor im Traum der alte Carl Zuckmayer höchst selbst erscheint – und die Causa Menasse schildert: "Luftikus steht wegen unkorrekten Zitierens schwer in der Kritik."
Nun in die Kategorie "guter Dichter"
Manche im Publikum schmunzeln, andere raunen genervt. Das sind diejenigen, die beim Rausgehen sagen werden, dass Menasse es sich zu leicht macht: "Er verdreht zwar den Sinn nicht, wenn er zitiert, er dreht niemandem das Wort im Mund um, wenn er ihm Worte in den Mund legt, aber wenn er zitiert, muss er doch wörtlich zitieren, sinngemäß allein ist kein Zitat. Es darf nicht sein, dass ihm der Pegasus noch mal durchgeht. Er hat es mir versprochen, und deshalb will ich ihn jetzt in die Kategorie 'guter Dichter, jetzt mit noch besserer Rezeptur' einreihen."
Lachen und Beifall für diese Menasse-typische selbstironische Kaskade. Der Österreicher hat Glück: Das Publikum aus Mainz und Umgebung hat Verständnis für überbordende Fantasie: "Gut, man weiß, dass Carl Zuckmayer auch einiges abgeschrieben hat. Aber die Frage ist, wie ernsthaft er künftig damit auch umgeht." Robert Menasse wohlgemerkt, der seinen Preis als Ansporn verstehen sollte, "dass er künftig so was nicht mehr macht, dass er künftig gucken sollte, dass er besser mit der Wahrheit umgeht."