"Mir fehlt der Glaube, wenn die CDU so was proklamiert"
Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) glaubt nicht daran, dass die Regierungskoalition die abgeschalteten Kernkraftwerke nicht wieder ans Netz nimmt. Den Kernkraftbefürwortern wirft er vor, mit Unwahrheiten über die Folge der Abschaltung von Atomkraftwerken gearbeitet zu haben.
Christopher Ricke: Wir bleiben beim Thema Atom, beim Atomausstieg, beim diskutierten Atomausstieg in Deutschland, und ich frage mal: Wer ist die größte Anti-Atom-Partei? Ganz einfach, das ist die CDU, weil es die größte Partei ist. Wir haben schließlich nur noch Anti-Atom-Parteien in Deutschland, das ist kein Scherz, und das mit der CDU kann man auch erklären, Generalsekretär Hermann Gröhe tut das, der sagt: Schon vor Jahren haben wir gesagt, dass die Atomkraft nur eine Brückentechnologie ist, dass am Ausstieg kein Zweifel bestehe, dass erneuerbare Energien die Zukunft seien. Und was sagt Gröhe noch? Eigentlich ist die SPD an allem schuld: Die Atomkraft ist ein Kind der sozialliberalen Fortschrittseuphorie unter Helmut Schmidt. Das alles kann man in einem Interview mit Hermann Gröhe nachlesen. Ich sprach nun mit einem ehemaligen Sozialdemokraten, der heute ein Spitzengrüner ist, der die Grüne mitgegründet hat, im Bundestag sitzt – mit Christian Ströbele. Herr Ströbele, schuld ist die sozialliberale Fortschrittseuphorie. Deckt sich das mit Ihrer Erinnerung?
Hans-Christian Ströbele: Ja, an diesem Vorwurf ist was dran. Wissen Sie, wenn ich so im Bundestag sitze und die Reden höre, dann schüttelt es mich manchmal und ich denke, ob da nun ein SPD-Grande vorne redet oder einer von der CDU oder FDP – man hat immer so den Eindruck, die waren schon immer an der Spitze der Bewegung, nur haben wir sie da nie gesehen. Also natürlich war es richtig, dass die Sozialdemokraten damals, etwa als wir gegen Brokdorf demonstriert haben, oder als wir in Kalkar demonstriert haben, die Gegner waren oder die Regierung führten, die unsere Gegner waren. Wir haben da einiges auf die Mütze bekommen, aber ich erinnere mich an 16 Jahre Helmut Kohl, da ging es auch ganz wacker auch in Wackersdorf zu und gegen die Anti-AKW-Bewegung, und gegen die Demonstranten, und das war manchmal sehr schmerzhaft.
Ricke: Unter Helmut Kohl war ja Klaus Töpfer Bundesumweltminister, der sitzt heute dem Atomweisen-Rat vor, und er hat damals, kurz nach Tschernobyl, gesagt, es sei seine Aufgabe, auf eine Zukunft ohne Kernkraft hinzuwirken. Also doch die Atomkraftgegner in der CDU?
Ströbele: Nein. Also man kann ja zu Helmut Kohl alles Mögliche sagen, aber dass er nun Atomkraftgegner war, das würde man in seiner Politik jedenfalls der 16 Jahre nicht finden. Und er hat sich ja jetzt, kurz vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, noch mal eingemischt und auch noch mal versucht, die CDU zur Ordnung zu rufen und zu sagen, also hier, liebe Parteifreunde, so geht es nicht, ihr müsst das weiter verteidigen, was ihr schon immer gesagt habt. Und übrigens auch die andere Seite – nicht nur war die Frage, wer ist gegen die Atomkraft, sondern auch, wer ist für die regenerativen Energiequellen, und wer glaubt an sie? Also wenn ich mich da an Äußerungen erinnere, über das sei doch alles nur Fantasie und das würde sich doch im Bereich von 1 oder 2 Prozent bewegen der Energiemenge, die man braucht, die man da überhaupt nur produzieren kann, jedenfalls in Deutschland, im Süden mag es ja anders sein – das hat sich total verändert, und offenbar innerhalb von Tagen.
Ricke: Schauen wir aus der Vergangenheit in die Gegenwart und in die nähere Zukunft, da ist ja schon festzustellen, dass jetzt unter Schwarz-Gelb Atomkraftwerke abgeschaltet sind, die nach dem rot-grünen Ausstiegsplan noch am Netz wären. Ist es nicht an der Zeit, jetzt doch mal, auch bei den Grünen, politische Reflexe zu überprüfen und der CDU zu helfen, das umzusetzen, was die meisten jetzt wollen, den Ausstieg?
Ströbele: Also ich helfe jedem gerne und auch jeder Partei, die tatsächlich mit mir den ganz schnellen, am besten den sofortigen Ausstieg umsetzen wollen. Nur: Mir fehlt der Glaube, wenn die CDU so was proklamiert, und das haben wir ja kurz vor der Wahl noch erlebt. Richtig ist natürlich, dass die Grünen, auch damals unter der rot-grünen Koalition, nicht das durchgesetzt haben, was eigentlich unser Programm war und was wir wollten, was eigentlich alle wollten. Aber wir hatten einen großen Koalitionspartner, wir hatten einen Basta-Kanzler, und dann ist das rausgekommen, was rausgekommen ist. Das war nicht alles das Gelbe, was wir gerne gehabt hätten.
Ricke: Wir haben Jahrzehnte der Diskussion über die Atomkraft hinter uns, Jahrzehnte, in denen auch sehr emotional diskutiert wurde. Vielleicht ist ja jetzt die Zeit, sachlich miteinander umzugehen, und dann könnte Ihre Partei auch etwas Schärfe aus der Debatte nehmen und sich konstruktiv beteiligen. Wie könnten Sie denn zum Beispiel auf die Union zugehen?
Ströbele: Ja, wir müssen Taten sehen. Dass sie jetzt ein Moratorium verkündet haben – sie haben ja nicht gesagt, wir schalten diese Dinger ab, die gefährlichen kommen erst mal raus aus der Diskussion, sondern die haben ausdrücklich immer wieder gesagt, Moratorium, und alle von uns befürchten, dass das weitergeht, und da sind ja nicht nur die Grünen, die das befürchten müssen. Das heißt, wir haben ja jetzt einen Gesetzentwurf eingebracht, da könnte man sich ja sehr schnell drauf verständigen, auch wenn ich so Töne aus der FDP höre und wenn ich die mal einen Augenblick ernst nehme, könnte man sich doch schnell drauf verständigen, dass man sagt, diese acht Teufelswerke, die es da gibt, die sind passé, die sind Vergangenheit, und die kommen auch nicht wieder ans Netz. Und dann muss man weiter darüber reden: Wie kann man die Erneuerbaren möglichst so stärken, dass es sehr, sehr viel schneller geht, vor allen Dingen, wie kann man Energiesparprogramme durchführen und dann sehen, dass man in den nächsten Jahren aus allen rauskommt, aus den restlichen? Ich meine, wir sehen ja, dass es geht. Wissen Sie, vor nicht allzu langer Zeit, es ist ein paar Monate erst her, da wurde noch gesagt, wenn wir überhaupt noch eins jetzt stilllegen, dann geht schon das Licht aus. Mein Schalter funktioniert immer noch und das Licht geht an. Also man sieht da auch immer, da ist auch mit Unwahrheiten gearbeitet worden, was geht und was nicht geht. Da ist einfach was behauptet worden, was nicht stimmt.
Ricke: Herr Ströbele, es gibt die schöne demokratische Tradition, in sehr schwierigen gesellschaftlichen Themen – und nehmen wir die Atomkraft mal als schwieriges Thema –, dass man sich da aus den Fraktionen löst, dass man fraktionsübergreifend zusammenarbeitet. Wäre so etwas auch für die Atomdebatte denkbar, und was könnten Sie da anstoßen?
Ströbele: Bei der Atomdebatte sind ja, jedenfalls wenn man die Zeitungen liest, die Auffassungen gar nicht mehr so auseinander, wie das bei den anderen Debatten war. Und da werden natürlich in den Ausschüssen, aber auch im Plenum Diskussionen stattfinden, und da müssen wir mal sehen, wie die sich verhalten oder ob sie sagen, na ja, jetzt schalten wir sie erst mal wieder an und dann gucken wir mal. Das darf auf keinen Fall sein, sondern man muss Taten sehen. Niemand hat was dagegen, dass die Union sagt oder die FDP, so wie es jetzt einer von ihnen verkündet, ein Führender: Ja, wir finden das auch, die sollen nicht wieder ans Netz gehen. Das wäre doch schon mal eine Tatsache, die sehr vertrauensbildend wirken würde.
Ricke: Sehe ich schon die kleine Koalition Christian Lindner von der FDP und Christian Ströbele von den Bündnisgrünen?
Ströbele: Ja, wenn er das ernst meint und wenn er das durchsetzt in seiner Fraktion, dann kann ich ihm helfen.
Ricke: Vielen Dank, Herr Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen!
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Hans-Christian Ströbele: Ja, an diesem Vorwurf ist was dran. Wissen Sie, wenn ich so im Bundestag sitze und die Reden höre, dann schüttelt es mich manchmal und ich denke, ob da nun ein SPD-Grande vorne redet oder einer von der CDU oder FDP – man hat immer so den Eindruck, die waren schon immer an der Spitze der Bewegung, nur haben wir sie da nie gesehen. Also natürlich war es richtig, dass die Sozialdemokraten damals, etwa als wir gegen Brokdorf demonstriert haben, oder als wir in Kalkar demonstriert haben, die Gegner waren oder die Regierung führten, die unsere Gegner waren. Wir haben da einiges auf die Mütze bekommen, aber ich erinnere mich an 16 Jahre Helmut Kohl, da ging es auch ganz wacker auch in Wackersdorf zu und gegen die Anti-AKW-Bewegung, und gegen die Demonstranten, und das war manchmal sehr schmerzhaft.
Ricke: Unter Helmut Kohl war ja Klaus Töpfer Bundesumweltminister, der sitzt heute dem Atomweisen-Rat vor, und er hat damals, kurz nach Tschernobyl, gesagt, es sei seine Aufgabe, auf eine Zukunft ohne Kernkraft hinzuwirken. Also doch die Atomkraftgegner in der CDU?
Ströbele: Nein. Also man kann ja zu Helmut Kohl alles Mögliche sagen, aber dass er nun Atomkraftgegner war, das würde man in seiner Politik jedenfalls der 16 Jahre nicht finden. Und er hat sich ja jetzt, kurz vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, noch mal eingemischt und auch noch mal versucht, die CDU zur Ordnung zu rufen und zu sagen, also hier, liebe Parteifreunde, so geht es nicht, ihr müsst das weiter verteidigen, was ihr schon immer gesagt habt. Und übrigens auch die andere Seite – nicht nur war die Frage, wer ist gegen die Atomkraft, sondern auch, wer ist für die regenerativen Energiequellen, und wer glaubt an sie? Also wenn ich mich da an Äußerungen erinnere, über das sei doch alles nur Fantasie und das würde sich doch im Bereich von 1 oder 2 Prozent bewegen der Energiemenge, die man braucht, die man da überhaupt nur produzieren kann, jedenfalls in Deutschland, im Süden mag es ja anders sein – das hat sich total verändert, und offenbar innerhalb von Tagen.
Ricke: Schauen wir aus der Vergangenheit in die Gegenwart und in die nähere Zukunft, da ist ja schon festzustellen, dass jetzt unter Schwarz-Gelb Atomkraftwerke abgeschaltet sind, die nach dem rot-grünen Ausstiegsplan noch am Netz wären. Ist es nicht an der Zeit, jetzt doch mal, auch bei den Grünen, politische Reflexe zu überprüfen und der CDU zu helfen, das umzusetzen, was die meisten jetzt wollen, den Ausstieg?
Ströbele: Also ich helfe jedem gerne und auch jeder Partei, die tatsächlich mit mir den ganz schnellen, am besten den sofortigen Ausstieg umsetzen wollen. Nur: Mir fehlt der Glaube, wenn die CDU so was proklamiert, und das haben wir ja kurz vor der Wahl noch erlebt. Richtig ist natürlich, dass die Grünen, auch damals unter der rot-grünen Koalition, nicht das durchgesetzt haben, was eigentlich unser Programm war und was wir wollten, was eigentlich alle wollten. Aber wir hatten einen großen Koalitionspartner, wir hatten einen Basta-Kanzler, und dann ist das rausgekommen, was rausgekommen ist. Das war nicht alles das Gelbe, was wir gerne gehabt hätten.
Ricke: Wir haben Jahrzehnte der Diskussion über die Atomkraft hinter uns, Jahrzehnte, in denen auch sehr emotional diskutiert wurde. Vielleicht ist ja jetzt die Zeit, sachlich miteinander umzugehen, und dann könnte Ihre Partei auch etwas Schärfe aus der Debatte nehmen und sich konstruktiv beteiligen. Wie könnten Sie denn zum Beispiel auf die Union zugehen?
Ströbele: Ja, wir müssen Taten sehen. Dass sie jetzt ein Moratorium verkündet haben – sie haben ja nicht gesagt, wir schalten diese Dinger ab, die gefährlichen kommen erst mal raus aus der Diskussion, sondern die haben ausdrücklich immer wieder gesagt, Moratorium, und alle von uns befürchten, dass das weitergeht, und da sind ja nicht nur die Grünen, die das befürchten müssen. Das heißt, wir haben ja jetzt einen Gesetzentwurf eingebracht, da könnte man sich ja sehr schnell drauf verständigen, auch wenn ich so Töne aus der FDP höre und wenn ich die mal einen Augenblick ernst nehme, könnte man sich doch schnell drauf verständigen, dass man sagt, diese acht Teufelswerke, die es da gibt, die sind passé, die sind Vergangenheit, und die kommen auch nicht wieder ans Netz. Und dann muss man weiter darüber reden: Wie kann man die Erneuerbaren möglichst so stärken, dass es sehr, sehr viel schneller geht, vor allen Dingen, wie kann man Energiesparprogramme durchführen und dann sehen, dass man in den nächsten Jahren aus allen rauskommt, aus den restlichen? Ich meine, wir sehen ja, dass es geht. Wissen Sie, vor nicht allzu langer Zeit, es ist ein paar Monate erst her, da wurde noch gesagt, wenn wir überhaupt noch eins jetzt stilllegen, dann geht schon das Licht aus. Mein Schalter funktioniert immer noch und das Licht geht an. Also man sieht da auch immer, da ist auch mit Unwahrheiten gearbeitet worden, was geht und was nicht geht. Da ist einfach was behauptet worden, was nicht stimmt.
Ricke: Herr Ströbele, es gibt die schöne demokratische Tradition, in sehr schwierigen gesellschaftlichen Themen – und nehmen wir die Atomkraft mal als schwieriges Thema –, dass man sich da aus den Fraktionen löst, dass man fraktionsübergreifend zusammenarbeitet. Wäre so etwas auch für die Atomdebatte denkbar, und was könnten Sie da anstoßen?
Ströbele: Bei der Atomdebatte sind ja, jedenfalls wenn man die Zeitungen liest, die Auffassungen gar nicht mehr so auseinander, wie das bei den anderen Debatten war. Und da werden natürlich in den Ausschüssen, aber auch im Plenum Diskussionen stattfinden, und da müssen wir mal sehen, wie die sich verhalten oder ob sie sagen, na ja, jetzt schalten wir sie erst mal wieder an und dann gucken wir mal. Das darf auf keinen Fall sein, sondern man muss Taten sehen. Niemand hat was dagegen, dass die Union sagt oder die FDP, so wie es jetzt einer von ihnen verkündet, ein Führender: Ja, wir finden das auch, die sollen nicht wieder ans Netz gehen. Das wäre doch schon mal eine Tatsache, die sehr vertrauensbildend wirken würde.
Ricke: Sehe ich schon die kleine Koalition Christian Lindner von der FDP und Christian Ströbele von den Bündnisgrünen?
Ströbele: Ja, wenn er das ernst meint und wenn er das durchsetzt in seiner Fraktion, dann kann ich ihm helfen.
Ricke: Vielen Dank, Herr Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen!
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