Mira Magén: "Zuversicht"
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
dtv, München 2018
432 Seiten, 24 Euro
Von Bewährungsproben und neuen Lebensperspektiven
Navas Mann und Sohn sterben bei einem Autounfall. Die Witwe zieht einen Schlussstrich unter ihr bisheriges Leben und sucht Zuflucht an einem ungewöhnlichen Ort. "Zuversicht" ist ein Roman über Schicksal, Scheitern und neue Lebensperspektiven.
Mira Magéns Vorrat an Geschichten ist unerschöpflich, ihre Kunst als Erzählerin uneinholbar, wenn es darum geht, die Fähigkeit des Menschen zu beschreiben, sich seiner Kräfte zu besinnen und immer weiter zu leben. In ihrem Roman "Zuversicht" sucht eine 39 Jahre alte Witwe Zuflucht – an einem ungewöhnlichen Ort.
"Friedhof, Irrenanstalt oder betreutes Wohnen": diese drei Optionen, meint die 39 Jahre alte Nava, seien alles, was ihr bleibt, nachdem ihr Mann und der kleine Sohn bei einem Autounfall tödlich verunglückt waren. Sie verschließt ihre Wohnung, auf dass kein einziges Molekül vom Atem der Verstorbenen darin verloren gehe, löst ihr Büro für Innenarchitektur auf, um als Kassiererin im Supermarkt zu jobben und um die Katastrophe kreisende Gedanken anzuhalten und zieht ins Altenheim.
Ein untrügliches Gespür für Dramen
Es ist lange her, dass die in Jerusalem lebende Schriftstellerin als Psychologin in einem Krankenhaus Patienten sah. Wie sehr sie das ganze Spektrum menschlicher Reaktionsweisen auf Schicksalsschläge fasziniert, spiegelt ihre Literatur deutlich. Mira Magén hat ein untrügliches Gespür für Dramen, beutet den Stoff aber niemals sentimental aus. Die Gemütslage ihrer Figuren changiert zwischen sensibler Selbstbeobachtung und offensiver Selbstbehauptung. Sie hadern, suchen Zuflucht in der Spiritualität, werden sich selbst immer fremder, bis der Drang nach Freiheit und Liebe zum Leben sich durchsetzt und neuen Handlungsspielraum gibt. Für diese Suchbewegungen und inneren Prozesse findet Magén den richtigen Ton. Leidenspornografie verabscheut sie.
Ihre Sprache ist metaphernstark und anspielungsreich, die Dialoge sind bisweilen von einer schneidenden Schlagfertigkeit. Die innere Zwiesprache mit Gott, der oft "wie eine Voodoo-Puppe" benutzt wird für das Abladen von "Tonnen Bitterkeit und Wut", kann bei einer Autorin, die ultraorthodox erzogen wurde und mit dieser strengen Form der Religionsausübung brach, nicht fehlen.
Um zu schildern, wie die plötzlich verwitwete, ihres Kindes beraubte Nava sich allmählich ihrer selbst erhaltenden Kräfte besinnt, erfindet Magén Figuren, die sich entschieden von der Protagonistin absetzen: die bewusst mitleidlos auftretende Schwägerin, die sich "durch die Welt bewegt, als wäre sie ihre private Küche" zum Beispiel; oder die vergnügungssüchtige, alleinerziehende Kassiererin; der schweigsame Politologe, der als Tischler arbeitet, nachdem er seine Schwester im Endstadium ihrer unheilbaren Krankheit durch eine höhere Morphiumdosis getötet hatte und auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen worden war. Und Senioren, die die junge Mitbewohnerin Nava unverhohlen fragen: "Schämen Sie sich nicht, das Leben zu verachten? Das Leben hat Ihnen etwas weggenommen, na und? Es gibt hier Menschen, die in Lagern waren, Menschen, die 1948 gekämpft haben, wem in diesem Land wurde nicht etwas weggenommen? Wem?"
Aufstehen, fallen, aufstehen
Zuversicht birgt kein Versprechen. Sie drückt eine gelassene, dem Leben vertrauende Haltung aus. Der Parcours, den Magéns Romanheldin absolviert, ist ein gewundener, überraschungsreicher. Geleitet von Instinkten, glücklichen Zufällen und erotischen Eskapaden findet Nava in ein selbstbestimmtes Leben zurück. Mira Magéns Stärke besteht darin, von Bewährungsproben zu erzählen, die neue Lebensperspektiven eröffnen. Kitschfrei. Ihre Charaktere sind am Ende vom Hochmut der Einzigartigkeit kuriert und akzeptieren, dass "der Mensch aufsteht und fällt, aufsteht und fällt".