Mischung aus Politthriller und Melodram
Eine New Yorker Kunsthistorikerin sitzt bänglich im Flugzeug auf dem Weg in die Ukraine. Sie hat keine Ahnung, was das für ein Land ist, in das sie reist. Sie weiß nur, dass ihr Mann Jeff dort spurlos verschwand, entführt wurde womöglich. Eigentlich wollte er sakrale Kunst in der Ukraine studieren. Ein unpolitischer Mann also. Wie konnte ausgerechnet er in irgendwelche Machenschaften geraten? Doch etwas muss dort geschehen sein, wovon seine Frau nichts weiß. Und sie ist fest entschlossen, ihren Mann zu finden und ihn nach Hause zu holen.
Und wie das so ist im Leben, jedenfalls im Leben im Roman: Auf dem Weg zu ihrem Mann entdeckt Elizabeth auch sich selbst. Sie, die mit Bildern lieber sprach als mit Menschen, die so kultiviert wie weltfremd durch ihr Leben gegangen war, mutiert innerhalb von wenigen Wochen zu einer tatkräftigen und gewitzten Person, die sich mutig, ja geradezu tollkühn in die gefährliche Suche wirft. Die sich in Gefängnisse schmuggelt und mit bestechlichen Informanten konspirative Treffen organisiert, die ihre Beschatter als ständige Begleiter furchtlos hinnimmt und heimlich nach Tschernobyl fährt, weil sie erfahren hat, dass immer mal wieder der Regierung unliebsame Zeitgenossen in die verstrahlte Zone abgeschoben werden. Sogar in das vom Krieg zerfetzte Tschetschenien reist sie, um dort eine Spur zu verfolgen.
Sie lernt ein Osteuropa kennen, das in einem Sumpf von Korruption und Tyrannei, von Mord und Unterdrückung und Armut versinkt. Erst müsse die Generation, die im Kommunismus aufgewachsen sei, aussterben, schreibt ihr eine oppositionelle Ukrainerin, bevor die Menschen frei werden könnten.
Maria Nurowska ist eine der bekanntesten und beliebtesten Schriftstellerinnen Polens, von der auch auf deutsch schon zahlreiche Romane erschienen sind. Sie scheut sich nicht, auch heikle Themen anzupacken, ist eine politisch engagierte Autorin, die sich für Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit einsetzt und ihr Anliegen kleidsam verpackt in einen überschaubaren und doch spannenden Plot, den sie so schwungvoll wie schlicht erzählt, direkt und bodenständig. Man wandert flott dahin an straff gezogenen Fäden, und die Geschichte kann - unbehelligt von subtilen Seelenregungen oder sprachlichen Schönheiten - zügig ihren Gang nehmen.
Poesie ist nicht Sache der Autorin. Gefühle bleiben oft im Klischee stecken. Nurowska ist keine große Literatin. Aber sie malt die Schrecken einer Scheindemokratie wie in der Ukraine mit furchtloser Präzision. Die Welt soll wissen, was dort in den Gefängnissen, in den Behörden, in der Regierung geschieht. Wie zerstört die Menschen sind durch die Last der Vergangenheit und die Aussichtslosigkeit der Gegenwart.
Ort der Handlung ist hauptsächlich Lemberg, heute Lwow. Eine unglückliche Stadt, wie einer ihrer Bewohner Elizabeth erzählt. Mal polnisch, mal ukrainisch. Im Zweiten Weltkrieg abwechselnd von der Sowjetunion und von den Deutschen besetzt. Durch Mord und Vertreibung geprägt. Zerrissen zwischen Patriotismen und gegenseitigem Hass.
Aber nun auch die Stadt, in der Elizabeth ihre Gefühle entdeckt. Mütterliche für den unvermutet aufgetauchten kleinen Sohn ihres Mannes, und begehrende für ihren ukrainischen Anwalt, den sie -welch ein Zufall- schon im Flugzeug von New York kennenlernte. Nach ein paar Monaten sucht sie ihren Mann nur noch, um ihm sagen zu können, dass sie sich von ihm trennen möchte.
Man muss das mögen, diese Mischung aus Politthriller und Melodram, unterhaltsam und informativ ist die Lektüre allemal.
Rezensiert von Gabriele von Arnim
Maria Nurowska: Dein Name geht dir voraus
Roman. Aus dem Polnischen von Paulina Schulz
dtv, München 2007
259 S., EUR 14.-
Sie lernt ein Osteuropa kennen, das in einem Sumpf von Korruption und Tyrannei, von Mord und Unterdrückung und Armut versinkt. Erst müsse die Generation, die im Kommunismus aufgewachsen sei, aussterben, schreibt ihr eine oppositionelle Ukrainerin, bevor die Menschen frei werden könnten.
Maria Nurowska ist eine der bekanntesten und beliebtesten Schriftstellerinnen Polens, von der auch auf deutsch schon zahlreiche Romane erschienen sind. Sie scheut sich nicht, auch heikle Themen anzupacken, ist eine politisch engagierte Autorin, die sich für Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit einsetzt und ihr Anliegen kleidsam verpackt in einen überschaubaren und doch spannenden Plot, den sie so schwungvoll wie schlicht erzählt, direkt und bodenständig. Man wandert flott dahin an straff gezogenen Fäden, und die Geschichte kann - unbehelligt von subtilen Seelenregungen oder sprachlichen Schönheiten - zügig ihren Gang nehmen.
Poesie ist nicht Sache der Autorin. Gefühle bleiben oft im Klischee stecken. Nurowska ist keine große Literatin. Aber sie malt die Schrecken einer Scheindemokratie wie in der Ukraine mit furchtloser Präzision. Die Welt soll wissen, was dort in den Gefängnissen, in den Behörden, in der Regierung geschieht. Wie zerstört die Menschen sind durch die Last der Vergangenheit und die Aussichtslosigkeit der Gegenwart.
Ort der Handlung ist hauptsächlich Lemberg, heute Lwow. Eine unglückliche Stadt, wie einer ihrer Bewohner Elizabeth erzählt. Mal polnisch, mal ukrainisch. Im Zweiten Weltkrieg abwechselnd von der Sowjetunion und von den Deutschen besetzt. Durch Mord und Vertreibung geprägt. Zerrissen zwischen Patriotismen und gegenseitigem Hass.
Aber nun auch die Stadt, in der Elizabeth ihre Gefühle entdeckt. Mütterliche für den unvermutet aufgetauchten kleinen Sohn ihres Mannes, und begehrende für ihren ukrainischen Anwalt, den sie -welch ein Zufall- schon im Flugzeug von New York kennenlernte. Nach ein paar Monaten sucht sie ihren Mann nur noch, um ihm sagen zu können, dass sie sich von ihm trennen möchte.
Man muss das mögen, diese Mischung aus Politthriller und Melodram, unterhaltsam und informativ ist die Lektüre allemal.
Rezensiert von Gabriele von Arnim
Maria Nurowska: Dein Name geht dir voraus
Roman. Aus dem Polnischen von Paulina Schulz
dtv, München 2007
259 S., EUR 14.-