„Ich bin jetzt über 60 Jahre alt, und man sollte denken, dass nach gut 50 Jahren alles verheilt und nicht mehr weiter schlimm ist. Aber das ist es nicht. Ich war damals ungefähr zehn Jahre alt und bin einem Schwimmverein beigetreten. Es begann damit, dass mich eines Tages ein Betreuer ansprach: Ich sollte mich mit ihm treffen, um alles mit ihm zu besprechen. Beim ersten Treffen war noch alles in Ordnung. Beim zweiten Treffen sollte ich die Badehosen anprobieren, die man bei der Meisterschaft tragen sollte …“
Plattform "Geschichten, die zählen"
Kein Ort für Voyeure, aber einer für die Anerkennung und den Respekt gegenüber den Opfern: Das will die Plattform "Geschichten, die zählen" sein. © picture-alliance / Presse-Bild-Poss / Uta Poss
Missbrauchsopfern eine Stimme geben
07:13 Minuten
Die Plattform "Geschichten, die zählen" versammelt Erfahrungsberichte von Opfern sexuellen Kindesmissbrauchs. Man habe einen Ort schaffen wollen, an dem die Opfer im Mittelpunkt stünden - "und mal nicht die Täter", sagt Opferaktivist Matthias Katsch.
Tausende Opferberichte wie diesen hat die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in den letzten Jahren gesammelt. 100 davon sind nun auf dem Internetportal "Geschichten, die zählen" nachzulesen.
Die Opfer und nicht Täter in den Mittelpunkt stellen
Mit dem Projekt habe man einen Ort schaffen wollen, an dem die Opfer und ihre Geschichten im Mittelpunkt stehen, "und mal nicht die Täter und die Taten", unterstreicht Matthias Katsch, Mitglied der Aufarbeitungskommission und selbst Missbrauchsbetroffener.
Bei der Veröffentlichung der Opferberichte gehe es nicht um Voyeurismus oder darum, sich im Leid zu suhlen, "sondern tatsächlich klar zu machen, wie banal oder wie ‚normal‘ diese Gewalterfahrung für viele Kinder und Jugendliche ist.“
Und es gehe darum, die Kraft zu zeigen, die diese Opfer aufgebracht haben, um trotz des Schrecklichen, das ihnen widerfahren ist, weiterleben zu können.
Kein Ort für Voyeure
Die Gefahr, dass die Plattform Täter anziehe, hält Katsch für gering. „Täter haben es ja für sich geschafft, die Opfer als Opfer auszublenden, und hier stehen tatsächlich die Opfer im Mittelpunkt", sagt er.
"Deshalb glaube ich, dass die Seite weder für Voyeuristen noch für Täter ein geeigneter Ort ist.“
(uko)