"Beweise gibt es nicht"
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Gegen den französischen Philosophen Michel Foucault gibt es Vorwürfe wegen Kindesmissbrauchs. Lässt sich das auch aus seinem Werk herauslesen? Foucault habe die antike "Knabenliebe" keineswegs verklärt, sagt der Kulturjournalist René Aguigah.
Der französische Autor Guy Sorman erhebt schwere Vorwürfe gegen Michel Foucault. Der 1984 verstorbene Philosoph und Historiker soll in Tunesien kleinen Jungen Geld für Sex angeboten und sie vergewaltigt haben.
Was ist dran an diesen Vorwürfen? René Aguigah, Kulturjournalist bei Deutschlandfunk Kultur, hat sich intensiv mit Foucault beschäftigt und meint: "Beweise gibt es nicht." Auch Sorman habe diese nicht erbringen können.
Zwar habe Foucault zwei Jahre lang in einem tunesischen Dorf gewohnt und dort auch Kontakte zu Dorfbewohnern gehabt. Diese seien befragt worden. "Doch einer dieser Zeitzeugen sagt geradeheraus, Foucault sei kein Pädophiler gewesen." Er sei vielmehr mit über 18-Jährigen zusammen gewesen. Aussage stehe demnach gegen Aussage.
Foucault habe sich mit der Antike beschäftigt und unterschiedliche Lebensweisen und Machtverhältnisse untersucht, sagt Aguigah. Doch habe er keineswegs mit einem verklärenden Blick auf die im antiken Griechenland praktizierte und tolerierte "Knabenliebe" geschaut. "Ganz im Gegenteil – diese Vorstellung hat er weit von sich gewiesen."
Foucault sei "kein blinder Vertreter von allumfassender sexueller Abweichung gewesen, sondern eher jemand, der in seiner Geschichte der Sexualität danach gefragt hat, was für Effekte sexuelle Freiheit und sexuelle Revolution auf die Gesellschaft haben."
Kontroverse um Islamo-gauchisme
Was die von dem Konservativen Guy Sorman geäußerten Vorwürfe anbelange, so fügten diese sich in die Kontroverse um den sogenannten "Islamo-gauchisme" in Frankreich ein: Die politische Rechte behaupte, dass eine Mixtur aus Islamismus und Linksextremismus das Hochschulmilieu unterwandert habe, erläutert Aguigah.
Er habe jedoch "die Hoffnung, dass man den Vorwürfen auf seriöse Weise nachgeht, und dass man auch damit klarkommt, dass sich die Wahrheit unter Umständen nicht ermitteln lässt".
Aguigah wünscht sich zudem, dass Foucaults Werk weiter gelesen werde, ohne es zu verfälschen, "in einer Weise der kurzschlüssigen Aufeinanderbeziehung zwischen Leben und Werk".
(mkn)