Missionar der olympischen Idee

Von Eduard Hoffmann |
Der US-Amerikaner Avery Brundage führte als IOC-Präsident von 1952 bis 1972 zwanzig Jahre die olympischen Geschäfte mit strenger Hand. Unbeirrt setzte er sich für den olympischen Gedanken ein und versuchte den Sport frei zu halten von Politik und Kommerz.
"The games must go on!”"

Die Spiele müssen weiter gehen! Dieser Satz des scheidenden IOC-Präsidenten Avery Brundage ging 1972 um die Welt. Gerade waren 17 Menschen bei den Olympischen Spielen in München ums Leben gekommen, als palästinensische Terroristen versucht hatten, israelische Sportler als Geiseln zu nehmen. Am Ende seiner 20-jährigen Präsidentschaft im Internationalen Olympischen Komitee sah der eigenwillige Amerikaner einmal mehr die olympische Bewegung in den Grundfesten bedroht. Ein Abbruch war für den damals 84-Jährigen undenkbar.

""Die Olympischen Spiele dürfen nicht für politische oder kommerzielle Zwecke missbraucht werden."

Die Spiele von München gingen weiter und der knorrige Baumillionär gilt bis heute als einer der umstrittensten IOC-Präsidenten. Avery Brundage wurde am 28. September 1887 in Detroit geboren und wuchs in Chicago auf. Nach dem Ingenieurstudium gründete er eine Baufirma.
Der reckenhafte Athlet war ein hervorragender Sportler. 1912 belegte er bei den Olympischen Spielen im Fünfkampf den fünften Platz. Die Begegnung mit den Sportlern aus aller Welt hinterließ bleibende Erinnerungen.

"Fair Play und Kameradschaft beherrschten die Szene. Die überragenden Möglichkeiten der olympischen Bewegung traten sichtbar zutage. Könnten die gleichen Prinzipien auf die anderen Lebensgebiete übertragen werden, was für eine gesunde, glücklichere und friedvollere Welt hätten wir."

Brundage war elektrisiert vom aristokratisch geprägten olympischen Geist des Baron de Coubertin, der 1894 die modernen Spiele begründet hatte. Der von Krisen und Kriegen zerrütteten Welt wollte Brundage eine ideale olympische Sportwelt entgegensetzen:

"Fair play, good sportsmanship and no discrimination, an opportunity for all and amateurism ... "

Reiner Amateursport sollte es sein, an dem jeder teilnehmen kann, mit fairem Sportsgeist, ohne jede Diskriminierung.

In den 20er-Jahren wird Brundage zum mächtigsten Funktionär im amerikanischen Amateursport. Mit allen Mitteln setzt er die Teilnahme einer US-amerikanischen Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1936 durch - trotz des heftigen Widerstandes im eigenen Land und im amerikanischen Amateursportverband gegen die Rassenpolitik und Judenverfolgung der Nationalsozialisten. Im Jahr von Hitlers Propagandaspielen rückt Avery Brundage ins Internationale Olympische Komitee auf. 1952 wird er zum Präsidenten gewählt.

Unbeugsam vertritt er einen überkommenen puristischen Amateurbegriff, der den Olympiateilnehmern nicht die geringste finanzielle Förderung erlaubt. Prominentestes Opfer wird der österreichische Skiläufer Karl Schranz. Kurz vor den Winterspielen 1972 in Sapporo verbietet ihm Brundage die Teilnahme: Er sei kein Amateur. Das ist zu dieser Zeit allerdings kaum noch ein Olympionike. Doch die zunehmende Kommerzialisierung und die wachsende Verquickung von Sport und Politik vermag der olympische Bewahrer nicht aufzuhalten. Ein knappes Jahrzehnt allerdings kann er eine gesamtdeutsche Olympiamannschaft durchsetzen.

"Wir betrachten es als großen Erfolg des Sports, dass an sechs Olympischen Spielen eine gesamtdeutsche Mannschaft teilgenommen hat. Zutiefst bedauern wir, dass die politisch Verantwortlichen unserem Beispiel nicht gefolgt sind."

Bis 1964 starten die Sportler der DDR und der Bundesrepublik gemeinsam. Ab 1968 gibt es getrennte Olympiateams.

1973 heiratet Avery Brundage zum zweiten Mal. Mit der deutschen Prinzessin Marianne von Reuss lebt der bedeutende Sammler asiatischer Kunst bis zu seinem Tod am 8. Mai 1975 in Garmisch Partenkirchen. Unerschütterlich glaubt Brundage zeit seines Lebens an den Erfolg der Olympischen Spiele.

"Richtig geleitet, wird die olympische Bewegung wachsen und an Bedeutung gewinnen. Ihre Ideale gelten immer und ewig."
Mehr zum Thema