Indirektes Bekenntnis zum Vorbild?
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US-Rapperin Missy Elliott hat den "MTV Video Vanguard Music Award" erhalten. Dass er den Namen Michael Jackson trägt, wurde zuvor kontrovers diskutiert und am Abend vom Musiksender verschwiegen. So nannte allein die Preisträgerin den Namen Jackson.
Seit 1984 verleiht der Musiksender MTV den Video Vanguard Music Award – einen Preis für herausragende Leistungen im Bereich Musikvideo. Seit 1991 ist dieser Preis nach Michael Jackson benannt, der zweifellos nicht nur in der Popmusik, sondern auch im Bereich Musikvideo Bahnbrechendes geleistet hat.
Michael Jackson ist allerdings seit der Dokumentation "Leaving Neverland" und den darin gegen ihn erhobenen Vorwürfen des Kindesmissbrauchs höchst umstritten, entsprechend gab es Diskussionen darüber, ob Musikerin Missy Elliott, die diesjährige Preisträgerin, die Auszeichnung überhaupt annimmt: Der Eklat ist ausgeblieben, die Preisverleihung fand wie geplant statt, Elliott nahm den Preis an. Dirk Schneider hat die Preisverleihung im amerikanischen Newark verfolgt.
Carsten Beyer: Das Musikfernsehen ist so gut wie tot, welche Rolle spielen Musikvideos heute noch?
Dirk Schneider: Musikvideos sind quicklebendig, sie sind immer noch eine wichtige Kunstform. Natürlich schaut sie kaum noch jemand auf MTV, den Musiksender Viva gibt es ja ohnehin nicht mehr – aber warum auch? Sie sind im Internet ja jederzeit auf Abruf verfügbar. Natürlich ist Missy Elliott ein Kind der MTV-Zeit, sie hat ja auch seit 2005 keine Alben mehr veröffentlicht, aber dass der Preis an sie geht – es ist ja immer die Würdigung auch eines Lebenswerks – das ist absolut verdient. Sicher hat das aber auch etwas damit zu tun, dass Missy Elliott vergangene Woche das erste Mal seit 14 Jahren wieder neue Musik veröffentlicht hat, auf ihrer EP "Iconology". Da gibt es sicher einen Zusammenhang.
Der schwierige Umgang mit Michael Jacksons Erbe
Beyer: Es wurde ja spekuliert, ob Missy Elliott den Preis annehmen oder ob sie sich bei der Zeremonie kritisch zu Michael Jackson äußern würde. Aber das hat sie nicht getan.
Schneider: Genau, Missy Elliott hat eine bewegte Dankesrede gehalten und viele Namen genannt von Menschen, die sie bei ihrer Karriere unterstützt haben. Zu Michael Jackson und den schwierigen Umgang mit seinem Erbe hat sie sich auch sonst nicht geäußert. Das ist schade. Sie hat immer wieder betont, wie wichtig ihr Michael Jackson als Vorbild war und ist – von daher wäre das natürlich äußerst interessant gewesen, was sie eigentlich zu der Causa zu sagen hat und zum Umgang mit diesem musikalischen Erbe.
Beyer: Gab es denn von Seiten des Musiksenders MTV Äußerungen, wie man zu der Benennung des Preises nach Michael Jackson steht, ob man ihn vielleicht umbenennen möchte?
Dank für den "Michael Jackson Video Vanguard Award"
Schneider: Meines Wissens hat sich MTV dazu nicht geäußert. Interessant ist aber, dass es einen Trailer gab, der die Preisverleihung ankündigt, und darin wurde der Name Michael Jackson nicht erwähnt, es war nur noch die Rede vom Video Vanguard Award. Ich war also einfach davon ausgegangen, dass MTV den Namen Michael Jackson unter den Tisch fallen lässt, um einerseits niemanden vor den Kopf zu stoßen, der Michael Jackson als Täter sieht, und um andererseits aber auch die Fans von Michael Jackson nicht zu vergraulen, in dem man das zu offen thematisiert.
Umso interessanter war dann aber doch die Dankesrede von Missy Elliott heute Nacht. Missy Elliott bedankt sich für den "Michael Jackson Video Vanguard Award" und ist damit die einzige, die den Namen des umstrittenen Künstlers ausspricht.
Vielleicht ist das ihre Message zu sagen, ich halte zu Michael Jackson, ich glaube nicht an die Vorwürfe oder sie sind mir egal, ich kann den Menschen und seine Kunst trennen – vielleicht zeigt das aber auch einfach nur, dass Missy Elliott sich über die ganze Sache gar keine Gedanken macht, da können wir leider nur spekulieren.
Beyer: War die Preisverleihung darüber hinaus interessant?
Schneider: Das ist natürlich ein großes Fernsehereignis, eine große Gala mit vielen Stars. Ich habe mir Zusammenschnitte angeguckt: Die für mich interessanteste Künstlerin war nicht da, Billie Eilish. Die 18-jährige Amerikanerin, die gleich mehrere Preise gewonnen hat, ist gerade auf Tour in Russland.
Das Video zu "You Need To Calm Down" von Taylor Swift wurde zum Video des Jahres gewählt, Ariana Grande zur Künstlerin des Jahres. Und, um noch einmal zu Missy Elliott zurückzukommen, sie hat ein Medley ihrer größten Hits performt.
Das werde ich mir später auf YouTube anschauen.