Mit Alois Nebel in die Comic-Welt
Mit seinen Geschichten über Alois Nebel wurde der tschechische Comic-Zeichner Jaromír Švejdík bekannt. Seine Figur lebt in einem Bahnwärterhäuschen in den Sudeten-Hügeln. Derzeit findet in Prag das internationale "KomiksFEST" statt.
Noch bis zum 7. November findet in Prag das internationale und multimediale 'KomiksFEST' statt, und zwar schon zum vierten Mal. Mit Ausstellungen, Film- und Theatervorführungen und Diskussionen. Der Comic soll "aus seinem Underground-Dasein geholt" werden. Rot im Kalender angestrichen hat sich die Festival-Tage auch der tschechische Comic-Zeichner Jaromír Švejdík. Er weiß, was es heißt "Underground" zu sein. Christian Rühmkorf hat ihn zu Hause in Prag besucht.
"Das habe ich mir früher einfach nicht vorstellen können, dass mich das Arbeiten glücklich macht. Das tägliche Arbeiten am Detail und am Ende des Tages etwas geschafft zu haben. Ich hatte eben das Glück, dass ich dann doch irgendwann die Arbeit angefangen habe, die mir Spaß macht."
Jaromír Švejdík ist Musiker, vor allem aber Comic-Zeichner. Der leicht ergraute 46-Jährige wirkt aufgeräumt. Wie seine Prager Wohnung, die er mit seiner Lebensgefährtin teilt. Freier Raum, Weiß dominiert, das Parkett gewienert. Nichts liegt herum - nichts, was darauf hindeutet, dass hier ein Künstler wohnt.
"Prag ist die Realität, in der ich lebe, damit ich das Geld für die Rechnungen verdiene. Und Jeseník - das ist mein Unterbewusstsein, aus dem ich mein Leben lang schöpfen werde."
Jeseník - früher Freiwaldau - liegt vier lange Autostunden östlich von Prag. Die Kleinstadt schmiegt sich in die vernebelten Hügel des Altvatergebirges. Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebten hier vor allem Sudetendeutsche. Als sie vertrieben wurden, bezogen Tschechen die leer stehenden Häuser; darunter Jaromírs Eltern, deren Familien aus einem tschechisch besiedelten Teil Rumäniens gekommen waren. Jaromír ist sensibel, er spürt den Bruch in der Geschichte, als er in den kommunistischen 60er- und 70er-Jahren dort aufwächst.
"Der Ort und die ganze Gegend sind finster und geheimnisvoll. Wir wissen nicht viel über die Leute, die vor uns dort gelebt haben. Da entstehen dann geheimnisvolle Assoziationen. Da geraten Gedanken und Fantasie in Bewegung."
Der Landstrich inspiriert ihn. Musik und Zeichnen sind seine Ausdrucksformen.
"Ab der fünften Klasse hat mich das Zeichnen magisch angezogen. Ich habe mich heimlich in der Volksschule für den Zeichenkurs angemeldet. Meine Eltern haben erst nach einem halben Jahr gemerkt, dass sie nicht für Geigen- sondern für Zeichenunterricht zahlen."
Nach der Mittelschule greift Jaromír zur Gitarre und singt in einer Punkrock-Band über seine seltsame Heimat. Jeans und lange Haare - er eckt bei den Kommunisten an, ist "Underground". Arbeit ist ihm lästig. Die Palette der Jobs reicht vom Verkäufer über den Hausmeister bis hin zum Rattenfänger. Die zwei Jahre Militärdienst, gegen die er sich lange wehrt, machen ihn mürbe. Jaromír heiratet. 1989, als sein Sohn zur Welt kommt, gründet er eine neue Rockband und benennt sie nach dem totgeschwiegenen deutschen Sohn der Stadt, dem alten Wasser-Heiler Priessnitz. "Priessnitz" ist eine Provokation zur kommunistischen Zeit, gerade in dieser Gegend.
"Wäre 1989 nicht der politische Umbruch gekommen, dann wären wir wahrscheinlich emigriert. So hatte das alles keine Zukunft."
Der Versuch, in der neuen Freiheit eine Galerie im kleinen Ort Jeseník zu betreiben, scheitert. Jaromír Švejdík geht nach Prag, hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, gibt Konzerte mit "Priessnitz". Dann der Zufall: Als er Mitte der 90er-Jahre für die neue CD ein Cover zeichnet, entdeckt ein Filmproduzent seine Fertigkeiten. Jaromír soll Storyboards für Reklame-Spots und Kinofilme zeichnen, Skizzen einzelner Szenen zur Planung am Set:
"Ich musste unendlich viel zeichnen. Das war für mich wie eine zweite Schule. Das Problem war nur irgendwann: Storyboards landen alle im Papierkorb, wenn die Szene abgedreht ist. Aber ich dachte, ich könnte ja mal langsam ein paar Spuren hinterlassen."
1999 ist es an der Zeit. Aus Jaromír Švejdík wird "Jaromír99". Unter diesem Pseudonym entwickelt er zusammen mit dem Roman-Autor Jaroslav Rudiš seine erste ernstzunehmende Comic-Figur. Wie die Band hat sie einen deutschen Namen: Alois Nebel. Mit scharf gezogenen Schwarz-Weiß-Konturen zeichnet Jaromír99 einen nachdenklichen Helden. Alois Nebel ist ein schrulliger Fahrdienstleiter in einem kleinen Bahnwärterhäuschen in den verlassenen Sudeten-Hügeln. Als Kind von den Gräueltaten der Vertreibung traumatisiert, sieht er im Nebel die Züge der Zeit vorbeirauschen. Realität und Halluzination vermischen sich.
Alois Nebel ist ein Erfolg. Wöchentlich erscheinen Comic-Strips in wichtigen Zeitschriften. Und inzwischen sind sogar schon drei Bücher mit Alois-Nebel-Geschichten erschienen.
"Wenn der Comic gut ist, dann versinkt man darin und landet in einer anderen Welt. Auch wenn die Zeichnungen sehr realistisch sind. Das ist genau das, was mir daran Spaß macht."
Und harte Arbeit ist es auch. Aber die weiß Jaromír99 ja inzwischen zu schätzen. 6.30 Uhr steht er auf, die "5 Tibeter" helfen gegen die Rückenschmerzen vom Sitzen, fünf Kilometer zu Fuß ins Studio bringen frische Luft und acht Stunden Zeichnen die Zufriedenheit. Und wenn alles klappt, dann kommt in gut einem Jahr Bahnwärter Alois Nebel sogar in die Kinos. Und in zehn Jahren?
"Da hoffe ich, dass ich ausschließlich von Comics leben kann."
"Das habe ich mir früher einfach nicht vorstellen können, dass mich das Arbeiten glücklich macht. Das tägliche Arbeiten am Detail und am Ende des Tages etwas geschafft zu haben. Ich hatte eben das Glück, dass ich dann doch irgendwann die Arbeit angefangen habe, die mir Spaß macht."
Jaromír Švejdík ist Musiker, vor allem aber Comic-Zeichner. Der leicht ergraute 46-Jährige wirkt aufgeräumt. Wie seine Prager Wohnung, die er mit seiner Lebensgefährtin teilt. Freier Raum, Weiß dominiert, das Parkett gewienert. Nichts liegt herum - nichts, was darauf hindeutet, dass hier ein Künstler wohnt.
"Prag ist die Realität, in der ich lebe, damit ich das Geld für die Rechnungen verdiene. Und Jeseník - das ist mein Unterbewusstsein, aus dem ich mein Leben lang schöpfen werde."
Jeseník - früher Freiwaldau - liegt vier lange Autostunden östlich von Prag. Die Kleinstadt schmiegt sich in die vernebelten Hügel des Altvatergebirges. Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebten hier vor allem Sudetendeutsche. Als sie vertrieben wurden, bezogen Tschechen die leer stehenden Häuser; darunter Jaromírs Eltern, deren Familien aus einem tschechisch besiedelten Teil Rumäniens gekommen waren. Jaromír ist sensibel, er spürt den Bruch in der Geschichte, als er in den kommunistischen 60er- und 70er-Jahren dort aufwächst.
"Der Ort und die ganze Gegend sind finster und geheimnisvoll. Wir wissen nicht viel über die Leute, die vor uns dort gelebt haben. Da entstehen dann geheimnisvolle Assoziationen. Da geraten Gedanken und Fantasie in Bewegung."
Der Landstrich inspiriert ihn. Musik und Zeichnen sind seine Ausdrucksformen.
"Ab der fünften Klasse hat mich das Zeichnen magisch angezogen. Ich habe mich heimlich in der Volksschule für den Zeichenkurs angemeldet. Meine Eltern haben erst nach einem halben Jahr gemerkt, dass sie nicht für Geigen- sondern für Zeichenunterricht zahlen."
Nach der Mittelschule greift Jaromír zur Gitarre und singt in einer Punkrock-Band über seine seltsame Heimat. Jeans und lange Haare - er eckt bei den Kommunisten an, ist "Underground". Arbeit ist ihm lästig. Die Palette der Jobs reicht vom Verkäufer über den Hausmeister bis hin zum Rattenfänger. Die zwei Jahre Militärdienst, gegen die er sich lange wehrt, machen ihn mürbe. Jaromír heiratet. 1989, als sein Sohn zur Welt kommt, gründet er eine neue Rockband und benennt sie nach dem totgeschwiegenen deutschen Sohn der Stadt, dem alten Wasser-Heiler Priessnitz. "Priessnitz" ist eine Provokation zur kommunistischen Zeit, gerade in dieser Gegend.
"Wäre 1989 nicht der politische Umbruch gekommen, dann wären wir wahrscheinlich emigriert. So hatte das alles keine Zukunft."
Der Versuch, in der neuen Freiheit eine Galerie im kleinen Ort Jeseník zu betreiben, scheitert. Jaromír Švejdík geht nach Prag, hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, gibt Konzerte mit "Priessnitz". Dann der Zufall: Als er Mitte der 90er-Jahre für die neue CD ein Cover zeichnet, entdeckt ein Filmproduzent seine Fertigkeiten. Jaromír soll Storyboards für Reklame-Spots und Kinofilme zeichnen, Skizzen einzelner Szenen zur Planung am Set:
"Ich musste unendlich viel zeichnen. Das war für mich wie eine zweite Schule. Das Problem war nur irgendwann: Storyboards landen alle im Papierkorb, wenn die Szene abgedreht ist. Aber ich dachte, ich könnte ja mal langsam ein paar Spuren hinterlassen."
1999 ist es an der Zeit. Aus Jaromír Švejdík wird "Jaromír99". Unter diesem Pseudonym entwickelt er zusammen mit dem Roman-Autor Jaroslav Rudiš seine erste ernstzunehmende Comic-Figur. Wie die Band hat sie einen deutschen Namen: Alois Nebel. Mit scharf gezogenen Schwarz-Weiß-Konturen zeichnet Jaromír99 einen nachdenklichen Helden. Alois Nebel ist ein schrulliger Fahrdienstleiter in einem kleinen Bahnwärterhäuschen in den verlassenen Sudeten-Hügeln. Als Kind von den Gräueltaten der Vertreibung traumatisiert, sieht er im Nebel die Züge der Zeit vorbeirauschen. Realität und Halluzination vermischen sich.
Alois Nebel ist ein Erfolg. Wöchentlich erscheinen Comic-Strips in wichtigen Zeitschriften. Und inzwischen sind sogar schon drei Bücher mit Alois-Nebel-Geschichten erschienen.
"Wenn der Comic gut ist, dann versinkt man darin und landet in einer anderen Welt. Auch wenn die Zeichnungen sehr realistisch sind. Das ist genau das, was mir daran Spaß macht."
Und harte Arbeit ist es auch. Aber die weiß Jaromír99 ja inzwischen zu schätzen. 6.30 Uhr steht er auf, die "5 Tibeter" helfen gegen die Rückenschmerzen vom Sitzen, fünf Kilometer zu Fuß ins Studio bringen frische Luft und acht Stunden Zeichnen die Zufriedenheit. Und wenn alles klappt, dann kommt in gut einem Jahr Bahnwärter Alois Nebel sogar in die Kinos. Und in zehn Jahren?
"Da hoffe ich, dass ich ausschließlich von Comics leben kann."