Das Zauberwort heißt rechter Winkel
Haltung, das ist auch eine orthopädische Kategorie. Schließlich ist Rückenleiden eine der Volkskrankheiten schlechthin. Matthias Dell hat sich deswegen in eine professionelle Vorsorgeuntersuchung begeben. Ob es ihn aufgerichtet hat?
Wir sitzen nicht nur zu viel, sondern auch noch falsch. Eine Vorsorgeuntersuchung am Arbeitsplatz soll helfen, schlaffe Mitarbeiter wieder aufzurichten und das Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitsplatz wieder ins Lot bringen. Da haben wir vermutlich alle Schulungsbedarf. So auch Kollege Matthias Dell, der seinen Platz und seine Haltung hat analysieren lassen.
Balthasar: Mir ist so eine Untersuchung hier im Funkhaus noch nicht untergekommen. Wie bist du da rangekommen?
Dell: Ich habe den TÜV Rheinland angerufen, und von dessen Berliner Dependance kam dann die Arbeitsmedizinerin Wiete Schramm zu uns in Funkhaus, an den Platz, wo ich eine Woche, zwei Wochen im Monat arbeite, um zu schauen, ob das alles so seine Richtigkeit hat. Das ganze nennt sich dann offiziell:
Schramm: "Die arbeitsmedizinische Vorsorge bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten…"
Dell: Da bekommt man auch gleich schon einen Eindruck von der spezifischen Schönheit der Sprache, die da zum Einsatz kommt – so geordnet, sensibel und wohl formuliert, wie Frau Schramm freundlich mit mir gesprochen hat, da fühlt man sich gleich aufgehoben.
Balthasar: Und vor der netten Frau Schramm hast du dich dann möglichst korrekt vor den Schreibtisch gesetzt. Das ist ja gar nicht so leicht. Was macht denn die richtige Haltung aus?
Bloß keine Gefäße klemmen
Dell: Das Zauberwort sind 90 Grad, der rechte Winkel. Das hat sich beim Hinsetzen relativ schnell herausgestellt.
Schramm: Das Wichtige ist, dass Oberschenkel und Unterschenkel einen rechten Winkel bilden können.
Dell: Ist das bei mir der Fall, nicht ganz?
Schramm: Na ja, es könnte ein My runter.
Dell: Wobei das hier ein bisschen klemmt…
Schramm: Ja, ich seh das schon, ja.
Dell: So hab ich‘s ein bisschen runter gestellt.
Schramm: Jetzt ist ein bisschen zu viel.
Dell: Das liegt eben daran, dass…
Schramm: Der Stuhl ist nicht ganz so optimal, dass man die Höhe richtig einstellen kann. Wichtig ist auch, dass der Winkel nicht zu klein ist, dass praktisch die Gefäße auch eingeklemmt sind. Also es sollte schon der rechte Winkel sein.
Balthasar: Sie sagt, die Stühle sind nicht optimal? Wenn ich mir das hier so anschaue, das sind doch alles richtige Bürostühle mit tausend Schräubchen.
Höhenverstellbar ist das A und O
Dell: Sind’s auch. Der war nur kaputt. Da war diese Höhenverstellung nicht mehr so einfach zu regulieren. Und man hat auch gemerkt, dass Frau Schramm das schon sehr stark registriert aber in ihrer ganzen Freundlichkeit das sehr sehr freundlich formuliert und es war sehr lustig, dass wir am Ende dann als wir uns verabschiedet haben, sie mir auf den Weg mitgab, ich müsse diesen Stuhl unbedingt austauschen, das sei eine ganz schöne Möhre. Und da hab ich dann gesagt: Warum haben Sie das denn nicht on air gesagt? Und dann meinte sie, so würde sie nicht reden.
Balthasar: Aber wir wissen’s jetzt.
Dell: Wir wissen’s jetzt und der Stuhl ist also das größte Problem an diesem meinem Arbeitsplatz. Was da auch ein Problem ist, ist der Tisch, weil der nicht so höhenverstellbar ist, dass man den einfach hochdrehen kann, wie es hier im Funkhaus auch Tische gibt, wo man das einfach machen kann, um dann im Stehen zu arbeiten. Bildschirme waren dagegen okay, weil verstellbar und mit schmalem Rand, Tastatur war auch okay, weil grau mit schwarzen Buchstaben drauf, was für die Augen gut ist, als Kontrast. Und das führte dann zu einer Gesamtbewertung, die Frau Schramm wie folgt durchgeführt hat:
Schramm: Also ich würde Ihnen so von diesem ganzen Bild hier eine drei geben.
Dell: Also befriedigend.
Schramm: Ja befriedigend, aber wir können hier noch vieles tun, das ist nicht ganz so schlimm. Aber Sie merken, es ist doch eine gute Sache, wenn Sie mal dazu beraten werden und wenn man in das Gespräch auch miteinander geht.
Auch mal zum Hampel vor den Kollegen machen
Dell: Ja, Kommunikation ist ja sowieso immer wichtig, und das ist auch bei dem Punkt, den sie mir empfohlen hat, nämlich ab und zu ein paar gymnastische Übungen zu machen, wo ich dann eingewendet habe, ist dann nicht vielleicht der Gewinn durch die gymnastischen Übungen geringer als dieses Gefühl der Scham, dass ich mich vor meiner Kollegin da so ein bisschen zum Hampel mache.
Schramm: Ich finde immer, man sollte das mit den Kollegen auch besprechen. Und sagen: Wir haben hier so viel zu machen, ist das jetzt nicht eine gute Sache, dass wir einfach fit bleiben. Und wenn man das anspricht, glaube ich, ist dieses Gefühl nicht ganz so groß.
Dell: Also auch da ist es wie häufig im Leben: Kommunikation hilft.
Schramm: Hilft auf jeden Fall. Kommunikation das ist immer eine ganz entscheidende Sache.
Balthasar: Also ich würde sagen, Bürogymnastik, das ist schon mal für Fortgeschrittene. Hast du sie denn auch gefragt, ob es nicht so ein paar ganz einfache Tipps gibt, die man auch ohne Vorsorge gleich umsetzen kann, wo man dann aber schon wirklich viel tut für seine Haltung?
Die Top 3 No Go's
Dell: Ich hab sie gefragt: Was sind die drei wichtigsten Sachen, denen sie immer wieder begegnet.
Schramm: Auf jeden Fall eine schlechte statische Haltung, ein nicht ausgeglichenes Sehen, also eine fehlende Brille und ein unaufgeräumter Arbeitsplatz.
Dell: Wie würden Sie dann meinen hier bewerten, der ist ja schon ein bisschen durcheinander, es liegen Zeitungen rum, es liegen Papiere rum, ein Stift, persönliche Dinge, eine leere Kaffeetasse?
Schramm: Ja, ja, so eine drei und vielleicht würd ich sogar ein kleines Minus hintendran machen.
Balthasar: Also alles nicht so richtig 100%ig optimal hier im Funkhaus von Deutschlandfunk Kultur. Gibt es denn auch Pluspunkte? Hat sie auch etwas lobend erwähnt?
Häufiger raus ins Grüne
Dell: Ja, auf jeden Fall. Weil das Funkhaus steht ja in Berlin Schöneberg neben einem Park, da war Frau Schramm regelrecht aus dem Häuschen.
Schramm: Also ich bin hier auch begeistert, ich finde es sehr sehr schön, weil man einfach mal ins Grüne schauen kann. Das ist sehr gut. Was ich noch als Tipp gebe, ist die Frage, dass man die Pausen aktiv gestaltet. Dass man in der Pause nicht einfach hier am Arbeitsplatz sitzt und schnell ein Sandwich isst…
Dell: Ja, wir gehen meistens in die Kantine, gesammelt, aber da sitzt man dann auch wieder.
Schramm: Aber machen Sie einfach mal, Sie haben hier das Grün vorm Haus, so ein paar Schritte rauszugehen, das ist eine gute Sache, einfach mal sich zu bewegen, das würde ich sehr empfehlen.
Balthasar: Einen Mittagsspaziergang im Park empfiehlt die Arbeitsmedizinerin Wiete Schramm. Ich habe das noch nie gemacht. Du, Matthias?
Dell: Doch durchaus, weil eine Kollegin das manchmal macht und ich dann auch mal mitgegangen bin. Es ist zwar komisch, weil man denkt, man verliert Zeit, aber es tut auch gut.
Unfallrisiko Sitzball
Balthasar: Ja, jede Menge Tipps. Was hast du denn für dich persönlich aus deiner privaten Vorsorgeuntersuchung mitgenommen, Matthias?
Dell: Na, bei Haltung am Arbeitsplatz denkt man sofort an den Sitzball, auf dem Leute sitzen, die entweder schon mal Rückenprobleme hatten, oder sie vermeiden wollen. Und das habe ich dann Frau Schramm auch gefragt und da war sie zu meinem Erstaunen sehr skeptisch.
Schramm: Bei dem Sitzball, das ist eine Frage, bewerte ich nicht so positiv, es sind auch schon Unfälle damit passiert… Wird aber als Sitzmöbel direkt für den Büroarbeitsplatz ist das nicht zu empfehlen.
Dell: Und Unfälle sind dann: Man rutscht ab und fällt runter.
Schramm: Jaja, ist nicht gut.
Balthasar: Matthias, deine Haltungsschulung die liegt ja schon ein paar Tage zurück, wie sieht’s aus? Hältst du dich noch gerade oder bist du schon wieder zusammengesackt?
Dell: Also ich denke schon öfter dran, deswegen war es schon ganz hilfreich.
Balthasar: Okay, dann behalte das mal. Wie man am Arbeitsplatz die richtige Haltung einnimmt, das hat Matthias Dell für die Echtzeit gelernt. Matthias, danke, dass du da warst.
Dell: Bittesehr.