Mit dem Mönch am Meer

Caspar David Friedrichs Bildwelt in 3D erleben

04:22 Minuten
Eine Museumsmitarbeiterin trägt in der Alten Nationalgalerie eine 3D-Brille, mit der das Kunstwerk "Mönch am Meer" des Malers Caspar David Friedrich virtuell erlebbar wird.
Nach 200 Jahren in Einsamkeit kann Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer" nun per VR-Brille besucht werden. © Jörg Carstensen / dpa
Von Christiane Habermalz |
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Einen unwiderstehlichen Sog haben schon Generationen von Betrachtern vor Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer" gespürt. In Berlin lässt sich das Gemälde nun sogar betreten. Unsere Autorin besucht den einsamen Mönch in seinem Lebensraum am Meer.
Eigentlich ist der Mönch am Meer sehr einsam. So hat Caspar David Friedrich ihn 1810 in seinem berühmten Gemälde zurückgelassen. Alleine steht er am Strand vor einem düsteren, aufgewühlten Ozean, nur ein paar Möwen zeichnen sich vor dem bleiernen, schwarzen Wasser ab. Nach oben öffnet sich ein unendlicher Himmel.

Mit 3D-Brille in der Alten Nationalgalerie

Eine radikale Bildkomposition, die den Menschen ausgeliefert in der Unermesslichkeit der Natur zeigt. Jetzt aber bekommt der Mönch Gesellschaft. Erst einmal von mir. Ralph Gleis, der Leiter der Alten Nationalgalerie, setzt mir ein Headset mit 3D-Brille auf.
"Halten Sie mal vorne die Brille so ein bisschen fest, geht das? Dann fahre ich hier hinten runter und arretiere das mal so. So, und dann kann es gleich losgehen."
Ich befinde mich in einem runden Raum, es braucht einen Moment, bis ich mich orientiere. Um mich herum: überall Strand. Möwen kreischen. Ich drehe hektisch den Kopf, bis ich verstanden habe, dass ich mit den Blicken einer weißen Möwe folgen muss. Und auf einmal steht er neben mir: der Mönch. Sein Gewand flattert im Wind, er steht und schaut aufs Meer.
- "Kann ich mit dem reden?"
- "Nein!"

Autobiografische Kommentare des Malers

Dafür redet jetzt wer anders. Es ist der Künstler selbst, wie ich erfahre. Rezitiert werden autobiografische Kommentare:
"Tief sind deine Fußspuren am öden sandigen Strand. Doch ein leiser Wind weht darüber hinweg, und deine Spur verschwindet."
Und noch etwas sehe ich: Das Meer ist nicht leer. Da zeichnen sich im grauen Dunst drei Segelschiffe ab. Doch bald ist der Spuk vorbei. Schwarze Pinselstriche löschen die Schiffe eins nach dem anderen aus, bis wir zwei alleine vor einem schwarzen Meer stehen, der Mönch und ich.
Die Schiffe, erklärt mir Gleis, sind bei der Restaurierung durch Röntgenstrahlen sichtbar gemacht geworden, es ist eine Vorstudie des Malers, eine frühe Malschicht, in die ich eintauche.

Im Gemälde angelegte Entwicklung?

Gleis erzählt: "Und das zeigt noch mal die Radikalität, und erklärt vielleicht auch, was die Zeitgenossen an diesem Werk so besonders fanden. Kleist schrieb ja, es sei, 'als ob einem die Augenlider weggeschnitten' werden. Und bis heute empfinden das Künstler so stark und fast abstrakt, dieses Bild. Und dieser Schritt den können wir jetzt noch mal nacherleben."
Der "Mönch am Meer" und "Abtei im Eichwald" von Caspar David Friedrich aus dem Besitz der Alten Nationalgalerie.
Das Erlebnis des Originals (vorne) kann die VR-Erfahrung bei aller Eindrücklichkeit dann doch nicht ersetzen.© imago / Wolf P. Prange
Am Ende hebe ich meinen virtuellen Blick noch einmal in den unendlichen Himmel. Und auf einmal bricht die Museumsdecke, und ich kann in den Raum darüber sehen: Dort hängt das Original von Caspar David Friedrich. Das Original? Nun ja.
Ich lege den Kopfhörer ab, lasse Meer und Mönch zurück. Mir ist ein wenig schwindelig. Ein Experiment, räumt Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie, ein. Aber eine logische, technische Weiterentwicklung, die für ihn in dem Gemälde schon angelegt war:
"Das ist ja quasi ein Panorama, was er schon geschaffen hat. Also die Vorstellung eines Dioramas. Also auch schon im dreidimensionalen Raum zu denken und zu fühlen."

Eine Spielerei, aber beeindruckend

Aber darf man das, dem Maler quasi voyeuristisch über die Schulter schauen, frühere Versionen ans Licht zu zerren? Darüber sei lange diskutiert worden. Das Original bleibe natürlich das Original, und man wolle dem Besucher nur zusätzliche Horizonte eröffnen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Eine Spielerei, denke ich. Aber beeindruckend. Und mache mich auf, um mir noch einmal das richtige Bild anzusehen. Wenn ich genau hinsehe, meine ich, Masten im Dunst zu sehen. Aber das ist wohl nur in meinem Kopf. Ganz virtuell.
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