Mit dem Putzlappen auf die Bühne

"Theater für Tarif" - so heißt ein Theaterstück, mit dem neun Reinigungskräfte aus ganz Deutschland auf die Zustände in ihrer Branche aufmerksam machen. Sie haben genug davon, als "billige Putze" und ohne Anerkennung den Dreck anderer weg zu machen.
Atmo: Klavier spielt, ständig fällt etwas um, Leute husten.

"Fertig? Nee, noch nicht. / Darf ich mich jetzt zurückziehen? / Sach ma! / Du musst eigentlich auf die andere Seite, ich spreche dir in den Rücken. / Oh, Mann." (resigniert)"

Niemand auf dieser Bühne ist Theater-Profi, im Gegenteil. Nach der chaotischen Generalprobe herrscht eine gewisse Ratlosigkeit. Währenddessen füllt sich der Saal, er hat 50er-Jahre-Charme, die Wände sind mit Holz vertäfelt. Rechts vor der Bühne hängt ein alter Zettel mit der Nummer des Hausmeisters, für Notfälle. Doch dafür ist es jetzt zu spät.

Und auf einmal ist die Konzentration da. Martina Krebs wischt im weißen Putzmantel über die Bühne. Gabi Knue im Blazer kommt energisch und mit falschem Lächeln auf sie zugestürmt.

""Ja, also Frau… Frau… Frau… Wir haben ja demnächst eine Weihnachtsfeier. / Das ist schön, ich war noch nie bei dieser Weihnachtsfeier. / Wir brauchen eine Toilettenfrau! Das kriegen sie hin, oder? / Ach wissen Sie… / Ach das ist nicht mein Problem, sehen sie zu, wie Sie es hinkriegen. Und was ich noch sagen wollte: Das Sie mir ja nicht auffallen Frau… Frau… Ach ist doch auch egal."

Knue und Krebs sind beide aus Niedersachsen nach Berlin gekommen. Beide sind in der Gewerkschaft IG Bau, die auch die Reinigungskräfte in Deutschland vertritt. Und beide haben sich das, was sie da spielen, nicht ausgedacht. Es ist Gabi Knue so tatsächlich passiert.

Gabi Knue: "Ich kam mir wie ein Mensch zweiter Klasse vor. Aber ich war so verdattert, dass ich es angenommen habe. Im Nachhinein habe ich mir gesagt: Wie konntest du nur?"

Zeigen, wie es wirklich ist. Dafür sind sie hier. Neun Frauen insgesamt, alle Altersklassen, alle aus verschiedenen Ecken Deutschlands. Alle mit haarsträubenden Geschichten, die sie gesammelt und geprobt haben. Erlebnissen aus ihrem Alltag als Reinigungskraft. Oder, wie es auch Gabi Knue und Martina Krebs oft zu hören kriegen: als Putze.

Gabi Gnue / Martina Krebs: "Ich habe mir angewöhnt, wenn schon 'Putze' dann 'Putzi-Mausi'. (Beide lachen) Man gewöhnt sich an einiges. Man kann das nur mit Humor nehmen."

Das Thema ist ernst, die Arbeitsbedingungen und der Lohn oft miserabel. Aber das hier soll kein Drama sein, sondern Spaß machen. Also irren alle neun zur passenden Musik auf der Bühne umher, suchen nach Putzmitteln, schrubben den Boden, kehren über das Parkett - und lassen sich immer und immer wieder zusammenstauchen.

Telefon klingelt: "Ja, hallo? / Sie kommen sofort her! / Ich kann… / Sie sind im 14 Uhr da!"

Peter Riedel ist der einzige Mann in der Gruppe. Er ist eigentlich Gewerkschaftssekretär, jetzt geifert er als schlecht gelaunter Chef im schlecht sitzenden schwarzen Anzug, bohrt seinen Zeigefinger fast in das Gesicht der zierlichen Corinna Huschwar.

"Sie sie blind? / Was meinen Sie? / Stehen sie unter Medikamenten? Sind die blind? / Ja super. Danke. Ich steh ja auch am Ende der Reinigungsmittelkette."

Zwischen den Szenen diskutiert das Publikum. "Genau so ist es" ruft ein Mann immer wieder. Rund 70 Leute sind da, der Saal ist nicht ganz voll, es sind hauptsächlich Kollegen von der Gewerkschaft vor Ort in Berlin. Mit denen will sich Huschwar austauschen.

"Dass die Leute merken, das ist auch das, was wir erleben, wo es uns die Bestätigung gibt, das ist nicht nur bei uns so, das ist super, das befreit einen, ja. Dass sie vielleicht auch merken, die Reinigungskräfte selber, das sie keine Angst haben müssen, sondern sagen können, wie sie sich fühlen. Und die Arbeitgeber sollen merken, bei uns läuft da irgendwas schief."

Um für die gut 500.000 Reinigungskräfte in Deutschland das Bild etwas gerader zu rücken, laufen momentan Tarifverhandlungen. Und Hushwar tingelt wie mit einem Wandertheater durch Deutschland. Sie wollen motivieren, sagt Peter Riedel, der den Anzug gegen einen lila Kapuzenpullover getauscht hat. Darauf steht in knallgelben Buchstaben: "Sauberkeit hat ihren Preis."

"Wir wollen ein Signal setzen sich zu bewegen. Wir wollen die Kollegen motivieren, die Gas geben in den Unternehmen und dort die Diskussion organisieren. Sie sollen mit den Kollegen über das Stück reden, aber auch über ihr eigenes Leben. Es ist ja was anderes, als wenn wir Brandreden halten oder eine Realität darstellen. Das Gefühl der Menschen wird dadurch viel besser angesprochen, insbesondere das Herz."

"Theater für Tarif" nennen sie das. Und so ist die letzte Szene dann auch eine Mischung aus Berufsalltag, Comedy und Aufruf.

"Ne Leiter, Mädel, ne Leiter. Nä, nä, nä, nä, nä. Wollt ihr fertig werden oder nicht?"

Eine Spinnwebe hängt an der Decke. Die richtige Ausrüstung gibt es nicht. Also muss Gabi Knue klettern.

"Gabi Geh auf den Tisch. Und wenn ich dann runterfalle, was dann? Gibt einen Fettfleck, mehr nicht."

Während das Publikum noch lacht, stellt sich Knue kerzengerade auf dem Tisch und schaut direkt nach vorne.

"Also nee. Jetzt reicht's. Wir putzen Deutschland. Und das gerne. Wir fordern jetzt 9,70 Euro die Stunde!"


Mehr im Internet:
Theater für Tarif - Projekt der IG Bau