Mit dem Revolver auf dem Schreibtisch
Auf seinem Schreibtisch liege immer eine geladene Pistole. Und wenn er einen Roman fertig habe, denke er oft "Jetzt muss ich mir die Kugel geben", sagt der amerikanische Erfolgsautor T.C. Boyle - aber dann warte zum Glück schon das nächste Projekt.
Joachim Scholl: Jetzt sind es 14 ausgewachsene Romane, sechs Sammlungen mit Kurzgeschichten, die das Werkverzeichnis des US-Amerikaners T.C. Boyle zieren. Er ist ungeheuer produktiv und konstant erfolgreich. Auch in Deutschland hat der Schriftsteller eine treue, riesige Fangemeinde, die in Scharen auch zu seinen Lesungen pilgern, und dazu ist jetzt wieder Gelegenheit: T.C.Boyle ist in Deutschland auf Lesereise. Willkommen, Mr. Boyle, welcome back to Germany, ein neuer Roman im Gepäck, "San Miguel" heißt er – was können Sie denn Ihren Lesern diesmal versprechen?
T.C. Boyle: Die Leser können ein umwälzendes Ereignis im Leben erwarten. Viel Freude, aber auch viel Leid, wie es eben von Romanen erwartet wird. Dieses Buch kam mir in den Sinn, als ich das vorige Buch schrieb, "Wenn das Schlachten vorbei ist", das ja bereits auf diesen Channel Islands spielte. Auch mein jüngstes Buch, "San Miguel", spielt auf einer Art Channel Islands, aber es beruht auf einer historischen Begebenheit.
Scholl: Es hat nur ein Jahr gedauert vom letzten zu diesem Roman, Sie hatten "San Miguel" schon im Visier, als Sie "Wenn das Schlachten vorbei ist" geschrieben haben. Es geht hier um die Channel Islands, eine kleine Inselkette mit vier Inseln – Anacapa und Santa Cruz haben wir schon kennengelernt, jetzt sind wir eben auf "San Miguel". Sie erzählen dort in drei großen Abschnitten von drei Frauen, die jeweils zu unterschiedlichen Zeiten ab 1888 auf dieser Insel in der Abgeschiedenheit gelebt haben, und Sie haben dazu Originalquellen, Bücher, Erinnerungen dieser Frauen benutzt. Was hat Sie an diesen Schicksalen so fasziniert, dass Sie sich sagten, daraus mache ich einen Channel-Islands-Roman?
Boyle: Also mir gefiel vor allem die Idee, dass ich über diese Channel Islands, diese Inseln vor der kalifornischen Küste, vor Santa Barbara, schreiben könnte. Es ist sogar ein Nationalpark vor der kalifornischen Küste, aber wenige Menschen kommen dorthin. Es ist der schlechtest besuchte Nationalpark, weil man durch eine aufgewühlte, raue See dorthin gelangt. Was mich an der Geschichte oder an dem Ort so angezogen hat, ist eben die Tatsache, dass zwei Familien dort lebten – die eine in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts, die anderen in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts, beide Alleinbesitzer der Inseln –, und mich faszinierten auch die Parallelen zwischen diesen beiden Familiengeschichten.
In beiden Fällen tritt eine Frau aus ihrem städtischen Lebensumfeld heraus, überzeugt durch ihren Ehemann, dort in der rauen Insellandschaft, fernab der Zivilisation, ein Lebensmodell zu finden, um durch Schafzucht sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Beide Frauen sind mit Kriegsveteranen, die auch kriegsversehrt sind, verheiratet. Der eine kommt aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, der andere aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Wie interessant, dachte ich mir, das ist doch spannend, wie kann man das Ganze dramatisch aufbereiten und darstellen.
Scholl: Und wie haben Sie das denn gemacht, T.C. Boyle, wie nah sind Sie an den Dokumenten geblieben, wie weit haben Sie sich als Schriftsteller davon entfernt?
Boyle: Nun, es gibt keine Regeln für einen Romanschriftsteller. Er ist nicht gezwungen, irgendetwas getreulich wiederzugeben, er ist kein Sklave der Geschichte, alles ist möglich. Aber wie schon in den vorherigen Romanen, etwa in dem Roman "Die Frauen" über Frank Lloyd Wright und "Dr. Sex" über den Dr. Kinsey, war ich eben durch die historische Begebenheit sehr fasziniert. Ich wollte das dem Leser so erzählen, dass er neugierig und gespannt wird auf das, was damals geschehen ist. Ich habe mich also sehr eng an die überlieferten Tagebücher von Marantha Waters gehalten beziehungsweise an die Memoiren von Elise Lester.
T.C. Boyle: Die Leser können ein umwälzendes Ereignis im Leben erwarten. Viel Freude, aber auch viel Leid, wie es eben von Romanen erwartet wird. Dieses Buch kam mir in den Sinn, als ich das vorige Buch schrieb, "Wenn das Schlachten vorbei ist", das ja bereits auf diesen Channel Islands spielte. Auch mein jüngstes Buch, "San Miguel", spielt auf einer Art Channel Islands, aber es beruht auf einer historischen Begebenheit.
Scholl: Es hat nur ein Jahr gedauert vom letzten zu diesem Roman, Sie hatten "San Miguel" schon im Visier, als Sie "Wenn das Schlachten vorbei ist" geschrieben haben. Es geht hier um die Channel Islands, eine kleine Inselkette mit vier Inseln – Anacapa und Santa Cruz haben wir schon kennengelernt, jetzt sind wir eben auf "San Miguel". Sie erzählen dort in drei großen Abschnitten von drei Frauen, die jeweils zu unterschiedlichen Zeiten ab 1888 auf dieser Insel in der Abgeschiedenheit gelebt haben, und Sie haben dazu Originalquellen, Bücher, Erinnerungen dieser Frauen benutzt. Was hat Sie an diesen Schicksalen so fasziniert, dass Sie sich sagten, daraus mache ich einen Channel-Islands-Roman?
Boyle: Also mir gefiel vor allem die Idee, dass ich über diese Channel Islands, diese Inseln vor der kalifornischen Küste, vor Santa Barbara, schreiben könnte. Es ist sogar ein Nationalpark vor der kalifornischen Küste, aber wenige Menschen kommen dorthin. Es ist der schlechtest besuchte Nationalpark, weil man durch eine aufgewühlte, raue See dorthin gelangt. Was mich an der Geschichte oder an dem Ort so angezogen hat, ist eben die Tatsache, dass zwei Familien dort lebten – die eine in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts, die anderen in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts, beide Alleinbesitzer der Inseln –, und mich faszinierten auch die Parallelen zwischen diesen beiden Familiengeschichten.
In beiden Fällen tritt eine Frau aus ihrem städtischen Lebensumfeld heraus, überzeugt durch ihren Ehemann, dort in der rauen Insellandschaft, fernab der Zivilisation, ein Lebensmodell zu finden, um durch Schafzucht sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Beide Frauen sind mit Kriegsveteranen, die auch kriegsversehrt sind, verheiratet. Der eine kommt aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, der andere aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Wie interessant, dachte ich mir, das ist doch spannend, wie kann man das Ganze dramatisch aufbereiten und darstellen.
Scholl: Und wie haben Sie das denn gemacht, T.C. Boyle, wie nah sind Sie an den Dokumenten geblieben, wie weit haben Sie sich als Schriftsteller davon entfernt?
Boyle: Nun, es gibt keine Regeln für einen Romanschriftsteller. Er ist nicht gezwungen, irgendetwas getreulich wiederzugeben, er ist kein Sklave der Geschichte, alles ist möglich. Aber wie schon in den vorherigen Romanen, etwa in dem Roman "Die Frauen" über Frank Lloyd Wright und "Dr. Sex" über den Dr. Kinsey, war ich eben durch die historische Begebenheit sehr fasziniert. Ich wollte das dem Leser so erzählen, dass er neugierig und gespannt wird auf das, was damals geschehen ist. Ich habe mich also sehr eng an die überlieferten Tagebücher von Marantha Waters gehalten beziehungsweise an die Memoiren von Elise Lester.
"Der überzeugendste literarische "Ladies’ Man" der Gegenwartsliteratur"
Scholl: Es sind so schöne, wunderbare Details in dem Buch drin, wo man gleich denkt, ah, ja, das muss wohl stimmen, zum Beispiel die Geschichte mit den Whiskyfässern, die im dritten Teil entdeckt werden. 30 Jahre lang waren sie unter Sand verborgen und sind jetzt feinster, 43-prozentiger Kentucky Bourbon mit Vanillearoma. Das hat’s wohl wirklich gegeben, Mr. Boyle, oder?
Boyle: Ja, das ist tatsächlich wahr. Das entspricht auch dem, was Elise Lester berichtet. Dieses Fass, das so groß war wie ein gewaltiges Wagenrad, hat sich tatsächlich gefunden. Es stammte aus einem Schiffswrack, das 50 Jahre früher gestrandet war und das durch eine besonders heftige Gezeitenflut vom Sand wieder freigespült worden war. Der Ehemann von Elise Lester hat also dieses Fass tatsächlich gefunden, hat es angestochen und hat dann plötzlich seinen eigenen Whisky-Vorrat dann entdeckt.
<h4der überzeugendste="" literarische="" "ladies’="" man"="" der="" gegenwartsliteratur<="" h4="">Scholl: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem amerikanischen Schriftsteller T.C. Boyle über seinen neuen Roman "San Miguel". Marantha, ihre Tochter Edith und Elise, das sind die Namen dieser drei Frauen, und sie reihen sich jetzt ein in die ja schon erkleckliche Reihe starker weiblicher Charaktere, die Sie immer wieder zeichnen, Mr. Boyle – den Roman "Riven Rock" etwa oder in "América" oder "Dr. Sex". Würde es Ihnen gefallen, wenn man Sie als den wohl überzeugtesten literarischen "Ladies’ Man" der Gegenwartsliteratur bezeichnet?
Boyle: Ja, diesen Schuh ziehe ich mir gerne an und trage ihn mit Stolz. Da hat sicherlich auch Frau Boyle, meine Gemahlin, hineingespielt, die am Anfang, als ich schrieb, sagte: Tja, deine Frauengestalten sind aber sehr flach. Ich antwortete darauf: Auch meine Männergestalten sind sehr flach. Denn damals, zu Beginn, war ich eigentlich nicht so sehr an Persönlichkeiten interessiert, sondern mich interessierte der Grundplan, die Grundidee oder auch die Sprache der Literatur. In dem Maße, wie ich wuchs und mich entwickelte, entfaltete sich auch mein Interesse an Persönlichkeiten, an starken Persönlichkeiten, insbesondere an starken Frauen und gerade an solchen Frauen, die durch ihre Ehemänner ein bisschen gebremst oder nach unten gezogen werden, wie zum Beispiel Katherine McCormick in "Riven Rock" und so auch bei den beiden weiblichen Hauptgestalten, bei Elise und Marantha in diesem neuesten Buch. In beiden Ehen werden die Frauen durch einen vorgefassten Plan der Männer gewissermaßen gebremst oder zurückgehalten.
Scholl: Auch der neue Roman "San Miguel" wird von der Literaturkritik wieder heiß gelobt, hier im Deutschlandradio Kultur hat unser Rezensent Sie jetzt endgültig als lebenden Klassiker eingestuft. Seit Ihrem Durchbruch mit "Wassermusik" vor 30 Jahren geht das eigentlich so, Herr Boyle. Sie sind nie richtig schlecht gewesen in den Büchern, zumindest sagen das die Kritiker. Verblüfft Sie das eigentlich selber, dass Sie dieses Niveau, diese Konstanz so halten?
Boyle: Ja, mein lieber Joachim Scholl, ich muss gleich sagen, ich habe stets einen geladenen Revolver auf dem Tisch, sobald ein Buch zu Ende ist. Aber im Ernst: Es ist einfach meine Aufgabe, so gut wie möglich zu schreiben – das ist die einzige Sache, die ich mag und die ich liebe, und das ist mein Beruf. Und ich gebe mich immer der Hoffnung hin, dass das Publikum mir folgt, in allen meinen verschiedenen Stilen, meinen verschiedenen Ansätzen. Ich stehe ganz im Dienste des Erzählens einer Geschichte. Wenn es ein solcher historischer Stoff ist wie in diesem Fall, dann sehe ich meine Aufgabe darin, die Geschichte weiterzugeben, so gut ich das eben vermag. Und ich bleibe dran an diesem Ball, ich bin noch nicht zum Ende gelangt in dieser Partie. Und was nun den Revolver angeht: Der Revolver dient mir als ein therapeutisches Werkzeug. Wenn ich nach einem Buch eben nicht weiß, was ich tun soll, und denke, jetzt muss ich mir die Kugel geben, dann sage ich, hoppla, das nächste Buch wartet schon, und das ist für mich dann der Anreiz weiterzumachen.
Scholl: Zweimal sind Sie jetzt also auf die Kalifornien-Channel-Islands gereist, und jedes Mal heißt es, sind Sie echt seekrank geworden, T.C. Boyle. Sie haben uns schon verraten, dass bevor Sie nach Deutschland kamen, haben Sie einen weiteren Roman abgeschlossen. Verraten Sie uns vielleicht schon ein bisschen was drüber?
Boyle: Ja! Ich habe den Roman vor gerade einer Woche abgeschlossen. Dieser neue Roman wird das reinste Gegenstück zu "San Miguel" sein. Selbstverständlich wird meinen Lesern wieder der erwartete bizarre Humor serviert. Das Buch spielt in der Jetztzeit. So wie "San Miguel" eher ein Frauenroman ist, so wird dies eher ein Männerroman sein. Es kommt auch eine starke weibliche Persönlichkeit vor, daneben aber Vater und Sohn. Thema wird sehr stark Waffengewalt in Amerika sein und schließlich auch die amerikanische Aufmüpfigkeit, das bewusste Regelverletzen. Die Geschichte floss aus mir mehr oder minder heraus. Sie ist in einer dreifachen Erzählperspektive aufgebaut, wobei die letzte aus der Sicht eines Schizophrenen erzählt wird. Und ich bin schon ganz gespannt darauf, meine Übersetzer in Deutschland auch zum Wahnsinn zu treiben, wenn sie so hin und her springen müssen. Es ist ein konstantes Hin-und-her-Reißen in diesem Buch, aber es macht mir Spaß.
Scholl: Darauf können sich also die Fans schon wieder freuen. Jetzt aber erst einmal "San Miguel". Danke, T.C. Boyle, dass Sie da waren! Thank you, T.C. Boyle, for being here.
Boyle: Bitte sehr!
Scholl: – Und "San Miguel" ist im Hanser-Verlag erschienen, hat 447 Seiten, kostet 22,90 Euro. Und wer T.C. Boyle live erleben möchte: Er liest aus seinem Roman – heute Abend in Köln, übermorgen in Hamburg und am Samstag in München. Und wir bedanken uns noch für die Übersetzung unseres Gespräches bei Johannes Hampel.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema:
Schatten im Paradies - Buch der Woche - T. C. Boyle: "San Miguel", Hanser Verlag, München 2013, 448 Seiten
Kampf ums Überleben - T. Coraghessan Boyle: "Wenn das Schlachten vorbei ist", Hanser, München 2012, 464 Seiten
"Obama sind die Hände gebunden" - T.C. Boyle über seinen neuen Roman, Umweltschutz und seine Treue zum amerikanischen Präsidenten</h4der>
Boyle: Ja, das ist tatsächlich wahr. Das entspricht auch dem, was Elise Lester berichtet. Dieses Fass, das so groß war wie ein gewaltiges Wagenrad, hat sich tatsächlich gefunden. Es stammte aus einem Schiffswrack, das 50 Jahre früher gestrandet war und das durch eine besonders heftige Gezeitenflut vom Sand wieder freigespült worden war. Der Ehemann von Elise Lester hat also dieses Fass tatsächlich gefunden, hat es angestochen und hat dann plötzlich seinen eigenen Whisky-Vorrat dann entdeckt.
<h4der überzeugendste="" literarische="" "ladies’="" man"="" der="" gegenwartsliteratur<="" h4="">Scholl: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem amerikanischen Schriftsteller T.C. Boyle über seinen neuen Roman "San Miguel". Marantha, ihre Tochter Edith und Elise, das sind die Namen dieser drei Frauen, und sie reihen sich jetzt ein in die ja schon erkleckliche Reihe starker weiblicher Charaktere, die Sie immer wieder zeichnen, Mr. Boyle – den Roman "Riven Rock" etwa oder in "América" oder "Dr. Sex". Würde es Ihnen gefallen, wenn man Sie als den wohl überzeugtesten literarischen "Ladies’ Man" der Gegenwartsliteratur bezeichnet?
Boyle: Ja, diesen Schuh ziehe ich mir gerne an und trage ihn mit Stolz. Da hat sicherlich auch Frau Boyle, meine Gemahlin, hineingespielt, die am Anfang, als ich schrieb, sagte: Tja, deine Frauengestalten sind aber sehr flach. Ich antwortete darauf: Auch meine Männergestalten sind sehr flach. Denn damals, zu Beginn, war ich eigentlich nicht so sehr an Persönlichkeiten interessiert, sondern mich interessierte der Grundplan, die Grundidee oder auch die Sprache der Literatur. In dem Maße, wie ich wuchs und mich entwickelte, entfaltete sich auch mein Interesse an Persönlichkeiten, an starken Persönlichkeiten, insbesondere an starken Frauen und gerade an solchen Frauen, die durch ihre Ehemänner ein bisschen gebremst oder nach unten gezogen werden, wie zum Beispiel Katherine McCormick in "Riven Rock" und so auch bei den beiden weiblichen Hauptgestalten, bei Elise und Marantha in diesem neuesten Buch. In beiden Ehen werden die Frauen durch einen vorgefassten Plan der Männer gewissermaßen gebremst oder zurückgehalten.
Scholl: Auch der neue Roman "San Miguel" wird von der Literaturkritik wieder heiß gelobt, hier im Deutschlandradio Kultur hat unser Rezensent Sie jetzt endgültig als lebenden Klassiker eingestuft. Seit Ihrem Durchbruch mit "Wassermusik" vor 30 Jahren geht das eigentlich so, Herr Boyle. Sie sind nie richtig schlecht gewesen in den Büchern, zumindest sagen das die Kritiker. Verblüfft Sie das eigentlich selber, dass Sie dieses Niveau, diese Konstanz so halten?
Boyle: Ja, mein lieber Joachim Scholl, ich muss gleich sagen, ich habe stets einen geladenen Revolver auf dem Tisch, sobald ein Buch zu Ende ist. Aber im Ernst: Es ist einfach meine Aufgabe, so gut wie möglich zu schreiben – das ist die einzige Sache, die ich mag und die ich liebe, und das ist mein Beruf. Und ich gebe mich immer der Hoffnung hin, dass das Publikum mir folgt, in allen meinen verschiedenen Stilen, meinen verschiedenen Ansätzen. Ich stehe ganz im Dienste des Erzählens einer Geschichte. Wenn es ein solcher historischer Stoff ist wie in diesem Fall, dann sehe ich meine Aufgabe darin, die Geschichte weiterzugeben, so gut ich das eben vermag. Und ich bleibe dran an diesem Ball, ich bin noch nicht zum Ende gelangt in dieser Partie. Und was nun den Revolver angeht: Der Revolver dient mir als ein therapeutisches Werkzeug. Wenn ich nach einem Buch eben nicht weiß, was ich tun soll, und denke, jetzt muss ich mir die Kugel geben, dann sage ich, hoppla, das nächste Buch wartet schon, und das ist für mich dann der Anreiz weiterzumachen.
Scholl: Zweimal sind Sie jetzt also auf die Kalifornien-Channel-Islands gereist, und jedes Mal heißt es, sind Sie echt seekrank geworden, T.C. Boyle. Sie haben uns schon verraten, dass bevor Sie nach Deutschland kamen, haben Sie einen weiteren Roman abgeschlossen. Verraten Sie uns vielleicht schon ein bisschen was drüber?
Boyle: Ja! Ich habe den Roman vor gerade einer Woche abgeschlossen. Dieser neue Roman wird das reinste Gegenstück zu "San Miguel" sein. Selbstverständlich wird meinen Lesern wieder der erwartete bizarre Humor serviert. Das Buch spielt in der Jetztzeit. So wie "San Miguel" eher ein Frauenroman ist, so wird dies eher ein Männerroman sein. Es kommt auch eine starke weibliche Persönlichkeit vor, daneben aber Vater und Sohn. Thema wird sehr stark Waffengewalt in Amerika sein und schließlich auch die amerikanische Aufmüpfigkeit, das bewusste Regelverletzen. Die Geschichte floss aus mir mehr oder minder heraus. Sie ist in einer dreifachen Erzählperspektive aufgebaut, wobei die letzte aus der Sicht eines Schizophrenen erzählt wird. Und ich bin schon ganz gespannt darauf, meine Übersetzer in Deutschland auch zum Wahnsinn zu treiben, wenn sie so hin und her springen müssen. Es ist ein konstantes Hin-und-her-Reißen in diesem Buch, aber es macht mir Spaß.
Scholl: Darauf können sich also die Fans schon wieder freuen. Jetzt aber erst einmal "San Miguel". Danke, T.C. Boyle, dass Sie da waren! Thank you, T.C. Boyle, for being here.
Boyle: Bitte sehr!
Scholl: – Und "San Miguel" ist im Hanser-Verlag erschienen, hat 447 Seiten, kostet 22,90 Euro. Und wer T.C. Boyle live erleben möchte: Er liest aus seinem Roman – heute Abend in Köln, übermorgen in Hamburg und am Samstag in München. Und wir bedanken uns noch für die Übersetzung unseres Gespräches bei Johannes Hampel.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Schatten im Paradies - Buch der Woche - T. C. Boyle: "San Miguel", Hanser Verlag, München 2013, 448 Seiten
Kampf ums Überleben - T. Coraghessan Boyle: "Wenn das Schlachten vorbei ist", Hanser, München 2012, 464 Seiten
"Obama sind die Hände gebunden" - T.C. Boyle über seinen neuen Roman, Umweltschutz und seine Treue zum amerikanischen Präsidenten</h4der>